Test Bikesharing-Anbieter Zwei sind gut, vier mangelhaft

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Test Bikesharing-Anbieter - Zwei sind gut, vier mangelhaft

Die Pend­lerin. Dörte Dahlen­dorf aus München. „Für die letzten Meter zwischen U-Bahn und Büro nehme ich oft ein Rad – so spare ich pro Tag etwa 15 Minuten.“ © Thorsten Joachim

Viele Anbieter vermieten in Deutsch­land per App Fahr­räder. Sichere Räder fanden wir aber nur bei den beiden alteinge­sessenen Verleihern Nextbike und Call a Bike.

Test Bikesharing-Anbieter Alle Testergebnisse für Bikesharing 05/2019 freischalten

Es dauert keine Minute, dann gehört Dörte Dahlen­dorf das Call-a-Bike-Rad. Zumindest für den letzten Kilo­meter ihres Arbeits­wegs. Ausleihen, entsperren, Sattel einstellen, radeln – das System ist einfach. Dann verriegelt sie das Mietrad und über­gibt es wieder der Allgemeinheit. Je nachdem, was an der Münchener U-Bahn-Station Olympia­zentrum herum­steht, schwingt sie sich auf ein Rad von Call a Bike, dem Bikesharing-Angebot der Deutschen Bahn, oder auf ein Rad der Münchener Verkehrs­gesell­schaft, das vom Anbieter Nextbike betrieben wird: „So bin ich flotter im Büro als zu Fuß – pro Tag spare ich 15 Minuten.“

Per App unkompliziert Fahr­räder mieten, für etwa 1 Euro pro halbe Stunde. Das ist das Prinzip von Bikesharing und praktisch für Städtetrips ohne eigenes Rad, als spontaner Taxi-Ersatz, insbesondere aber für Pend­lerinnen und Pendler und ihre sprichwörtliche letzte Meile.

Unser Rat

Das beste Bikesharing-Angebot kommt von Nextbike und Call a Bike – nur bei ihnen war die Sicherheit der geprüften Räder insgesamt akzeptabel. Nextbike verleiht in mehr als 60, Call a Bike in mehr als 70 deutschen Städten. Für spora­dische Nutzer ist Nextbike oft preis­werter. Für Vielnutzer lohnen sich die Abopreise von Call a Bike – vor allem für Studenten, Senioren und Bahncard-Inhaber.

Konkurrenz für die Platz­hirsche?

Test Bikesharing-Anbieter - Zwei sind gut, vier mangelhaft

Die Touristen. Anna Mascheroni und Daniele Molteni aus Mailand. „Für Städtetrips sind die Räder perfekt. Auf dem Rad erleben wir die Stadt intensiver, als wenn wir mit den Öffent­lichen abtauchen. So sehen wir mehr als die Touristen-High­lights.“ © Pablo Castagnola

Der Bikesharing-Boom hat Deutsch­land vor zwei Jahren erwischt. Die bunten Räder etlicher, oft interna­tionaler Anbieter rollten recht plötzlich in großen Städten: darunter Donkey Republic aus Dänemark, der US-Konzern Limebike, Mobike aus China sowie Byke, ein – anders als der Name anmutet – deutsches Unternehmen. Sie machen seither Nextbike und Call a Bike Konkurrenz, die in Deutsch­land seit mehr als zehn Jahren Räder vermieten.

Höchste Zeit für einen Test dieser sechs großen Anbieter: Wie praktisch sind die verschiedenen Systeme und auf wessen Rädern wird der Weg ins Büro nicht zur schwitzigen Fitness­einheit? Wer hat sichere Räder auf der Straße? Wer bietet faire Nutzungs­bedingungen und wie groß ist der Hunger der Apps auf Nutzer­daten?

Ein gutes test-Qualitäts­urteil holen Nextbike und Call a Bike. Nur bei ihnen war die Sicherheit der geprüften Räder insgesamt akzeptabel. Von den vier Neulingen raten wir ab. Bei allen stellten wir an den Rädern gravierende Sicher­heits­mängel fest. Im Notfall hätten die Bremsen der meisten geprüften Räder wenig ausgerichtet – mangelhaft.

Vier mit viel zu schwachen Bremsen

Dabei stellten wir an die Mieträder schon deutlich nied­rigere Anforderungen als an die neuen Modelle in unseren Fahr­radtests. Deren Vorder- und Hinterradbremsen müssen jeweils 150 Kilogramm stoppen. Von den Mieträdern erwarteten wir je Bremse 120 Kilo. Das packte kein einziges der geprüften Räder von Byke, Mobike und Limebike und nur eins von drei Donkey-Republic-Rädern. Besonders schwach war die Vorderradbremse von einem der Bykes. Sie bremste nur knapp 22 Kilo ab, das reicht gerade mal für das Gewicht des Fahr­rads.

Wie häufig Bikesharing-Anbieter ihre Räder kontrollieren und reparieren müssen, ist gesetzlich nicht fest­gelegt. Wir fordern: Wartungen sollten nur so weit auseinander­liegen, dass die Räder sicher bleiben. Die Praxis einiger Anbieter scheint eine andere zu sein. Byke und Limebike stellen sogar in ihren Geschäfts­bedingungen klar, dass kein Anspruch auf einen tech­nisch einwand­freien Zustand ihrer Gefährte bestehe. Den müssten Nutzer selbst prüfen, bevor sie losradeln.

Alle Anbieter setzen bei der Sicherheit ihrer Flotte auch auf Schadens­meldungen ihrer Kunden, etwa per App. Sie schi­cken dann Monteure raus und nehmen Räder mit kritischen Schäden aus dem Verleih.

Tester in drei Städten unterwegs

Besonders ärgerlich ist das schlechte Abschneiden im Sicher­heits­test für Byke – denn unsere fünf Test­radlerinnen und -radler kamen mit dem Verleih­system von Byke insgesamt am besten klar. Sie schwangen sich in Berlin, Frank­furt am Main und München auf Räder der Anbieter im Test und stellten Stärken und Schwächen aus Nutzersicht fest. Um die Vielfalt potenzieller Bikesharer abzu­bilden, waren sie verschieden alt, groß, schwer und fahr­radfit.

Vor allem Nextbike über­zeugte sie mit den Fahr­eigenschaften der Räder. Auch auf den Call-a-Bike-Modellen waren unsere Tester meist komfortabel unterwegs. Richtig strampeln mussten sie hingegen auf den Rädern von Mobike: Schuld waren Voll­gummi­reifen, die fehlende Gang­schaltung und ein kleiner Rahmen. In der Mobike-Flotte fahren auch größere Modelle mit Gang­schaltung, die App verrät aber nicht eindeutig, auf welches Modell man bei der Suche nach einem Rad zusteuert.

An Stationen oder frei unterwegs

Insgesamt war es bei allen Anbietern eine lösbare Aufgabe, sich zu registrieren, Räder auszuleihen und abzu­geben – auch für Bikesharing-Neulinge. Mit die größte Hürde war es für unsere Tester, die anvisierten Räder zu finden. Die GPS-Lokalisierung war teils ungenau, Stand­orte nicht exakt.

Die Anbieter arbeiten mit unterschiedlichen Systemen: Byke, Limebike und Mobike bieten ausschließ­lich sogenannte Free­floater an – Räder, die im Geschäfts­gebiet über­all ausgeliehen und abge­stellt werden dürfen. Für Nutzer ist das flexibel, für die Anbieter jedoch macht es die Wartung der Räder vergleichs­weise aufwendig. Der Gegen­entwurf dazu sind Systeme mit vorgegebenen Sammelstellen, wie sie Nextbike und Call a Bike teil­weise nutzen.

Viele Apps senden unnötig Daten

Ob Free­floater oder feste Station: Ohne Daten funk­tioniert Bikesharing nicht. Stand­ortdaten, Bewegungs­profile und persönliche Angaben fallen an. Wir haben untersucht, wie die Anbieter damit umgehen, und dazu den Daten­strom der Apps analysiert. Fazit: Mustergültig arbeiteten die Apps von Call a Bike sowie die iOS-Version der Nextbike-App. Alle anderen Apps sendeten Daten, die für ihre Funk­tion nicht erforderlich sind. Das sehen wir kritisch.

Die Android-App von Mobike sendete in unserem Test Stand­ort und Zeitstempel, aber auch eine eindeutige Geräte-ID des Handys und die Telefon­nummer – und das alles unver­schlüsselt. Die inakzeptable Daten­schutz­erklärung passte ins Bild.

Klein­gedrucktes und Kunden­service der interna­tionalen Verleiher waren nicht optimal auf deutsche Mieter ausgerichtet: Apps und Websites waren teils schlecht über­setzt, die Geschäfts­bedingungen von Donkey Republic nur auf Eng­lisch, Mobikes iOS-App teils auf Chinesisch. Limebike behielt sich vor, jeder­zeit Preise zu ändern, und bezog sich auf kalifor­nisches Recht. Bei der Kundenhotline von Donkey Republic hatten unsere Tester Schwierig­keiten, deutsch­sprachige Hilfe zu erhalten.

Städte machen die Regeln

„Invasion der Leihräder“ – so oder so ähnlich titelten etliche Medien zum Markt­eintritt neuer Anbieter. Wir haben bei den Verwaltungen der 20 größten deutschen Städte ein Stimmungs­bild einge­holt. Das erfreuliche Ergebnis: Probleme gibt es kaum noch. Sie betreffen meist Beschwerden über ungünstig abge­stellte Räder.

Viele Städte sehen die Mobilitäts­option eher positiv oder arbeiten gar mit Anbietern zusammen. Insbesondere mit Nextbike und Call a Bike koope­rieren Städte, Unis oder Verkehrs­verbünde. Sie trageneinen Teil der Kosten und dürfen dafür mitreden: Sie können etwa Stand­orte der Räder fest­legen und auch Tarifmodelle verhandeln: So ist etwa bei Call a Bike in Hamburg und Lüneburg die erste halbe Stunde kostenlos. Nextbike koope­riert mit einigen Ruhr­gebiets-Unis. Deren Studierende radeln eine Stunde gratis.

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Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • PlaoTse am 27.10.2019 um 05:40 Uhr
    Nie wieder nextbike und deren Strafgebühren

    Neuerdings nimmt die Abzocke der Nutzer bei Nextbike ganz neue Ausmaße an. Frei herumstehende Räder kosten sofort 20 € Strafe, wenn man sie ebenso frei herumstehend wieder abstellt. die App zeigt bei Rückgabe erst den normalen fahrpreis an, die böse Überraschung von 20€ kommt danach, wenn alles zu spät ist. Offensichtlich verdient Nextbike inzwischen mehr an den StrafGebühren ahnungsloser Nutzer als am Verleih?

  • no_nextbike am 06.05.2019 um 17:31 Uhr
    Keine Empfehlung für Nextbike

    Schönen guten Tag,
    leider kann so ein Test nicht alles wiederspiegeln.. so auch nicht meine Erfahrungen mit Nextbike.
    Durch einen unachtsamen Klick in der App (bei dem Versuch ein Rad für den nächsten Morgen zu reservieren) wurden mir 11€ in Rechnung gestellt.
    Da mir mein Fehler sofort aufgefallen ist, versuchte ich diesen umgehend zu korrigieren. Leider ohne Erfolg....
    Nachrichten werden nicht beantwortet.
    Hotline ist nur ein Anrufbeantworter.
    Das „nicht ausgeliehene Rad“ wurde erst nach 25h zurückgenommen.
    Kein Kontakt zum Kundendienst.
    Nextbike hat mit einem Rad zur gleichen Zeit mehrfach abkassiert.. Bravo!
    Sowas kennt man nur von dubiosen Webseiten.
    Mein Fazit:
    Einen Mitbewerber probieren oder auf die öffentlichen Verkehrsmittel zurückgreifen...
    Mit freundlichen Grüßen

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 23.04.2019 um 14:44 Uhr
    Fehler in der Städte-Auflistung

    @weissh: Sie haben Recht, in Frankfurt am Main gibt es sowohl Call a Bike als auch Nextbike. Im PDF zum Print-Artikel ist die Angabe korrekt. Wir haben den Fehler in der Onlinefassung korrigiert. Vielen Dank für Ihren Hinweis! (aci/spl)

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 23.04.2019 um 12:21 Uhr
    Einloggen

    @BÄRENHOF: Wenn Sie eine Flatrate haben, können Sie sich oben rechts auf unserer Seite einloggen und dann alle Onlineeinzelartikel nutzen. Sie können auch den Artikel aufrufen. Danach gehen Sie auf Ergebnisse freischalten und weiter unten auf "Jetzt freischalten", "Flatrate". (TK)

  • BÄRENHOF32 am 23.04.2019 um 11:34 Uhr

    Kommentar vom Autor gelöscht.