Telematik wird von Versicherern auch als Mittel zur Unfallvermeidung angepriesen. Unfallforscher Siegfried Brockmann verrät, wem die Technik bei der Fahrsicherheit hilft.
Testergebnisse für 19 Telematik-Tarife 02/2022

Experte. Siegfried Brockmann ist Leiter der Unfallforschung im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). © privat
Sparen – schön und gut. Doch hilft Telematik wirklich, Unfälle zu vermeiden?
Grundsätzlich gilt: Belohnung hilft mehr als Bestrafung – das kennen viele aus der Erziehung ihrer Kinder. Mit einem Belohnungssystem wie der Telematik kann man besser auf das Fahrverhalten einwirken als beispielsweise mit Bußgeldern. Trotzdem dürfen wir nicht vergessen, welche Fahrer einen solchen Tarif überhaupt nutzen. Sicherlich nicht diejenigen, die gern schnell und ruppig fahren. Es ist also keine Überraschung, dass Telematik-Nutzer weniger Unfälle verursachen. Ob der Grund dafür aber die Telematik ist, ist schon methodisch kaum zu beweisen.
Sind Telematik-Nutzer also von vornherein bessere Fahrer?
Die wichtigere Frage lautet: Was sind überhaupt „bessere“ Fahrer? Die Telematik sitzt ja nicht auf dem Beifahrersitz und bildet sich ein Gesamturteil, sondern misst nur bestimmte Parameter. Sie muss den gesamten Fahrstil und vor allem die Unfallwahrscheinlichkeit auf fünf, sechs Punkte herunterbrechen. Ziel ist, das Fahrverhalten mit dem Score möglichst genau abzubilden, aber die Parameter entwickeln sich noch. Da wird es in den nächsten Jahren ganz sicher einige Optimierungen geben.
Die Tarife sind vor allem auf Fahranfänger ausgerichtet. Lohnt sich die Nutzung für sie besonders?
Testergebnisse für 19 Telematik-Tarife 02/2022
Junge Fahranfänger haben ein doppeltes Unfallrisiko, deshalb stechen sie in den Statistiken auch so heraus: das Anfänger- und das Jugendlichkeitsrisiko. Ersteres lässt sich kaum beeinflussen, man lernt das Autofahren nun mal durch eigene Erfahrung und Erlebnisse. Das Jugendlichkeitsrisiko könnte sich hingegen schon beeinflussen lassen. Nutzt man Telematik, überlegt man sich zweimal, ob man mit einem rasanten Fahrstil den Freunden imponieren will und damit Punkte aufs Spiel setzt.
Lohnt sich ein Telematik-Tarif trotzdem für ältere Fahrer?
Ab einem gewissen Alter sind Fahrertyp und Fahrverhalten festgelegt. Da kann die Telematik nur noch begrenzt einwirken. Für einen 80-Jährigen, der ohnehin umsichtig fährt, kann sich der Tarif finanziell trotzdem lohnen. Aus Sicht der Verkehrssicherheit macht die Nutzung jedoch kaum einen Unterschied.
Die volle Punktzahl ist sogar für Veteranen schwer zu erreichen. Ist ein perfekter Score für Fahranfänger überhaupt realistisch?
Das muss er gar nicht sein: Den perfekten Fahrer, der nie scharf bremst, nie etwas falsch macht und in jeder Situation den vollen Überblick behält, gibt es nicht. Es käme mir eher komisch vor, wenn man regelmäßig den perfekten Score erreichen würde. Das ist übrigens auch ein Problem vor Gericht: Richter spiegeln das Fahrverhalten am sogenannten „idealen Kraftfahrer“. Den gibt es aber nur in der Theorie.
Testergebnisse für 19 Telematik-Tarife 02/2022
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Ein Nachteil ist nirgendwo erwähnt, aber m. E. durchaus wichtig zu wissen:
Die Systeme, die mit Bluetooth arbeiten, müssen eine permanente Bluetooth-Verbindung zum Telematik-Sensor herstellen. Dadurch wird Bluetooth für sämtliche anderen Funktionen blockiert. Man kann also das Smartphone nicht mehr mit dem Auto selbst koppeln und dann entsprechend nicht mehr über die Freisprechanlage telefonieren, Musik hören oder die Android-Auto-Funktion verwenden. Ich finde das völlig inakzeptabel.
Ich habe HUK24 Telematik ausprobiert, in meinem Fall hat sich das System Vollbremsungen auf Landstraßen ausgedacht und bei jeder Autobahnauffahrt habe ich Strafen für zu starkes Lenken bekommen, sogar mit 30 km/h in der Baustelle an der Auffahrt Holzkirchen Richtung München. Die Huk24 reagiert auf Anfragen nur mit Standard-Blabla. Ich habs dann wieder abbestellt.
BonusDrive der Allianz hält mich mehr von einem guten Verkehrsverhalten ab als es mir hilft. Das schlecht funktionierendes App-Dot-System nervt mich mit seinen Fehlfunktionen genauso wie das intransparente Bewertungssystem und die mangelhaften Karten.
Die Datenschutzerklärung in der App räumt der Allianz wesentlich mehr Rechte ein als im Internet frei zugänglich genannt werden, u.a. Rechte von Dritten. Die Allianz fordert, die Standortfreigabe auf „immer“ zu setzen. D.h., es wird dadurch ein permanentes Bewegungsprofil von mir erstellt, auch außerhalb des Fahrzeuges. „Wir bewerten Ihr Fahrverhalten transparent und fair“ ist Überschrift der Allianz! Das wünschte ich mir, muss aber eine hohe Intransparenz feststellen. Die Bewertungskriterien werden nicht offen gelegt. Aber vielleicht geht es ja auch nur um die Sammlung von Daten und Bewegungsprofilen. Und nicht um mein Wohl. Ich werde auch weiter an roten Ampeln halten, auch wenn das ein "mittelschweres Bremsvergehen" sein kann.
Ich fahre seit über 40 Jahren unfallfrei, abgesehen eines Blechschadens, den ich mir an meinem Auto in der Tiefgarage zugefügt habe. Pro Jahr hatte ich ca. 40.000 km Fahrstrecke. Seit Anfang 2022 bin ich bei der HUK mit Telematix-Tarif versichert. Will man tatsächlich Punkte sammeln um Kosten zu sparen, wird man zu einem Verkehrshindernis. Man wird durch den Sensor "gezwungen", rechtzeitig und behutsam die Geschwindigkeit zu reduzieren, um dann gemächlich um die Kurve zu fahren. Nachfolgende Verkehrsteilnehmer fahren extrem dicht auf, nicht selten wird man nach einiger Zeit riskant überholt. Niemals in meiner langjährigen Fahrpraxis habe ich mich so unwohl beim Autofahren gefühlt. Meiner Meinung nach ist der Sensor nicht nur verkehrsbehindernd, er ist verkehrsgefährdend. Was halten Sie von Tests mit verschiedenen Probanden (Gelegenheitsfahrern, Vielfahrern, Berufskraftfahrern)? Wäre das nicht eine Möglichkeit, die hinterlegten Fahrprofile heutigen Verkehrsverhältnissen anzupassen?
Schade, dass kein Wort über Situationen verloren wird, die nicht so eindeutig sind: Was ist mit dem Auffahren auf die Autobahn? Wird dann nicht der belohnt, der gemächlich beschleunigt und mit Tempo 70 auf die Autobahn auffährt - und so andere gefährdet? Wird nicht derjenige bestraft, der auf dem Beschleunigungsstreifen Vollgas gibt, um sich mich Tempo 100 in den fließenden Verkehr einzufädeln? Oder kann die Telematik das unterscheiden? Oder wie bewertet es den, der bei freier Sicht und wenig Verkehr mit 160 km/h unterwegs ist im Vergleich zu dem, der bei Nebel mit Tempo 100 dem Vordermann auf halb der Stoßstange hängt?
Merke: Man kann gemächlich gefährlich unterwegs sein und andererseits flott und dennoch sicher(er). Belohnt die Telematik nicht ein scheinbare, vordergründige Sicherheit, die nicht unbedingt wirklich eine solche ist?