
© Fotolia
Bundesweit fehlen tausende Betreuungsplätze für Kleinkinder. Wer als Tagesmutter oder Tagesvater arbeiten möchte, hat gute Perspektiven.
Familiärer als die Kita
Bei Tagesvater Cristinel Parecker bleibt kein Betreuungsplatz lange frei. Der 45-Jährige betreibt in Hildesheim gemeinsam mit einer Kollegin eine sogenannte Großtagespflege. Acht Kinder – alle unter drei Jahren – haben die beiden dort unter ihren Fittichen. Mehr Schützlinge dürfen sie zu zweit nicht betreuen, auch wenn die Nachfrage durchaus da ist. „Die Eltern schätzen die intime Atmosphäre bei uns“, sagt der gebürtige Rumäne, der seit mehr als 20 Jahren in Deutschland lebt. „Es geht einfach viel familiärer zu als in einer Kindertagesstätte, wo zwei Erzieher etwa 14 bis 16 Kinder betreuen.“ Alleinerziehende Mütter seien zudem oft froh darüber, dass ihre Kinder mit ihm eine männliche Bezugsperson hätten, erzählt er. Männer sind in der professionellen Kinderbetreuung eine Seltenheit.
Tausende Betreuungsplätze fehlen
780 000 Betreuungsplätze für unter Dreijährige hatte die Regierung bis zum 1. August 2013 versprochen. Ab dann haben Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz, und zwar entweder in einer Kindertageseinrichtung oder in der sogenannten Kindertagespflege, also bei Tagesmüttern und Tagesvätern. Beide Betreuungsformen stehen gleichrangig nebeneinander. Doch der Ausbau liegt weit hinter dem Zeitplan zurück. Im März 2012 fehlten laut Statistischem Bundesamt bundesweit noch etwa 220 000 Plätze. Dabei ist der Bedarf in den einzelnen Bundesländern recht unterschiedlich. Im Osten der Republik, in Brandenburg und Thüringen etwa, verfügen viele Kommunen über ein gut ausgebautes Betreuungsnetz. Ganz anders ist die Lage in Nordrhein-Westfalen oder Bremen: Dort suchen etliche Eltern Krippenplätze für ihren Nachwuchs.
Jobchancen für Quereinsteiger
Wo der Notstand in der Kinderbetreuung Eltern zum Verzweifeln bringt, schafft er gleichzeitig eins: Jobchancen für Quereinsteiger, die sich die Arbeit mit kleinen Kindern gut vorstellen können. Auch Cristinel Parecker ist so ein Fall. 2009 sattelte er um – nach etlichen Berufsjahren als Zahntechniker. Alles begann damit, dass er neben seiner eigenen damals einjährigen Tochter auch einen kleinen Jungen betreute. Mit den Jahren wuchs die Kinderschar. Bis heute hat Cristinel Parecker den Wechsel nicht bereut, auch wenn es nicht immer leicht ist. „Die Arbeit ist fordernd, die Verantwortung hoch und der Verdienst bescheiden“, fasst er zusammen. Trotzdem kommt er zu dem Schluss: „Es ist die sinnvollste Arbeit, die ich je gemacht habe.“
Schlechtes Image
In den Augen vieler Menschen sind Tagesmütter und Tagesväter einfach hauptberufliche Babysitter. Der Grund für dieses Image: Jahrelang durfte beinahe jeder, der sich dazu berufen fühlte, Kinder in den eigenen vier Wänden betreuen. Kenntnisse über die frühkindliche Entwicklung und über pädagogische Konzepte mussten nicht nachgewiesen werden. Das ist heute anders. Wer als Tagesmutter oder -vater arbeiten möchte, muss seit 2006 eine 160-stündige Grundqualifizierung absolvieren. Das Deutsche Jugendinstitut (DJI) stellt dafür ein Curriculum, also einen Lehrplan, zur Verfügung. Der Bundesverband für Kindertagespflege (BVKTP) hat ein darauf basierendes Zertifikat entwickelt. Wer auf die Suche nach geeigneten Kursen geht, sollte bei der Auswahl auf diese Komponenten achten.
Tipp: Kursanbieter, die sich nach dem DJI-Curriculum richten, können ein Gütesiegel beantragen, das Bund, Länder und Bundesagentur für Arbeit entwickelt haben. Danach sollten Interessenten fragen.
Nicht als Beruf anerkannt
Als Beruf anerkannt ist die Tätigkeit von Tagesmüttern und Tagesvätern nicht. Nach dem Willen von Familienministerin Kristina Schröder und Berufsverbänden soll sich die wachsende Professionalisierung in der Branche künftig aber zumindest im Sprachgebrauch niederschlagen. Durchsetzen soll sich die etwas sperrige Berufsbezeichnung „Kindertagespflegeperson“. Auch Cristinel Parecker würde das begrüßen: „Tagesmutter oder Tagesvater – das klingt doch nach jemandem, der auf dem Sofa vor dem Fernseher sitzt, während um ihn herum kleine Kinder wuseln.“
Ansprechpartner Jugendamt
Wer in die Kindertagespflege einsteigen will, muss sich an sein örtliches Jugendamt wenden. Die Mitarbeiter dort überprüfen jeden Bewerber darauf, ob er für den Job geeignet ist. Am Ende des Prozesses stellen sie die so genannte Pflegeerlaubnis aus, die seit 2005 Pflicht ist. Damit dürfen Tageseltern bis zu fünf Kinder außerhalb des Haushalts der Eltern betreuen. In einigen Kommunen haben die Jugendämter diese Aufgabe an Träger der freien Jugendhilfe übertragen, zum Beispiel an Vereine. In diesen Fällen sind sie Ansprechpartner für Interessierte.
Information und Beratung
Beim ersten Kontakt informieren und beraten die Mitarbeiter der Jugendämter zunächst. Sie klären auf über den Bedarf an Tagesmüttern und Tagesvätern in der jeweiligen Region, geben Auskunft über die Höhe der Vergütung und beschreiben die Anforderungen. „Wer nur kurzfristig jobben möchte oder irgendeinen Job sucht, um Geld zu verdienen, ist falsch in der Kindertagespflege“, sagt Eveline Gerszonowicz vom BVKTP. „Gefragt sind Personen, die langfristig in diesem Bereich arbeiten wollen.“
Pflegeerlaubnis nach Überprüfung
Nach einem ersten Informationsgespräch ist meist eine schriftliche Bewerbung notwendig. Damit rollt die Eignungsprüfung an (siehe Die Schritte bis zur Pflegeerlaubnis). Die Mitarbeiter der Jugendämter führen dann in der Regel Gespräche mit den Bewerbern und schauen sich die Räume an, in denen die Kinder später betreut werden sollen. Verlaufen Gespräche und Besuch positiv, werden die Kandidaten zur vorgeschriebenen Grundqualifizierung für Tageseltern zugelassen. Diese Weiterbildungen führen unter anderem private Bildungsinstitute, aber auch Volkshochschulen durch. Die rund 1 000 Euro teuren Kursgebühren können unter bestimmten Voraussetzungen auch die Jugendämter übernehmen. Das macht das 2009 von Bund und Ländern ins Leben gerufene Aktionsprogramm Kindertagespflege möglich, das Menschen für diese Tätigkeit gewinnen will. Bei Arbeitslosen kann auch die örtliche Arbeitsagentur bei der Finanzierung einspringen. Um die Pflegeerlaubnis zu bekommen, müssen Bewerber neben der Grundqualifizierung auch einen Erste-Hilfe-Kurs für Säuglinge und Kleinkinder absolvieren. Außerdem sind ein polizeiliches Führungszeugnis und ein ärztliches Attest über die gesundheitliche Eignung vorzulegen.
Bescheidener Verdienst
Tagesmütter und Tagesväter sind meist selbstständig tätig und müssen sich dann selbst versichern (siehe Diese Versicherungen sind wichtig). Die Vergütung zahlt in der Regel das Jugendamt vor Ort. Die Höhe hängt ab von der Zahl der betreuten Kinder, vom Umfang an Betreuungsstunden und von der Region, in der Tageseltern tätig sind. Zwischen 2,10 Euro und 6,70 Euro pro Stunde bewegen sich die Stundensätze pro Kind bundesweit, hat das Deutsche Jugendinstitut ermittelt. Wer am unteren Ende der Skala verdient, kann mit seinem Einkommen schnell unter der Armutsgrenze liegen. Zu empfehlen ist das nicht. Wenn überhaupt, ist es nur etwas für Personen, die andere Einkünfte haben oder über ihre Partner finanziell versorgt sind. Wer von der Arbeit leben möchte, muss meist mehrere Kinder die ganze Woche über ganztags betreuen. „Wir haben bei uns Tagesmütter und -väter, die Betreuungszeiten von 8 bis 18 Uhr oder sogar nach 18 Uhr und am Wochenende anbieten. So ein Angebot ist für Eltern sehr attraktiv“, sagt Evelyn Kubsch vom Referat Kinderbetreuung des Berliner Senats. „In der Regel sind diese Personen sehr schnell ausgebucht.“ Cristinel Parecker rät Neulingen dazu, sich möglichst schnell mit anderen Tageseltern zu einer Großtagespflege zusammen zu tun: „Das halbiert viele Kosten.“
Jugendamt bleibt im Boot
Eines muss zukünftigen Tageseltern klar sein: Das Jugendamt bleibt mit im Boot, auch nachdem es die Pflegeerlaubnis erteilt hat. Die Mitarbeiter dort wollen sicher sein, dass es den Kindern bei ihren Betreuern gut geht und führen deshalb regelmäßig Kontrollen bei Tageseltern durch. Das Jugendamt übernimmt meist auch die Vermittlung von Kindern zur Betreuung. Tageseltern und Eltern haben aber auch die Möglichkeit, sich gegenseitig zu suchen und zu finden. Sinnvoll ist es, wenn Tageseltern mit einer Website, Broschüren oder Flyern auf ihr Angebot hinweisen.
Weiterbildung ist wichtig
Da es in der Pädagogik von Kleinkindern immer wieder neue Erkenntnisse gibt, sollten sich Tagesmütter und Tagesväter regelmäßig weiterbilden. Die Themen sind vielfältig und reichen von Gesundheitserziehung bis zur Förderung der Feinmotorik. Kurse bieten Jugendämter, Volkshochschulen und private Bildungsinstitute an. Das Aktionsprogramm Kindertagespflege bietet Tageseltern zudem geförderte Weiterbildungen an, die zu einem anerkannten Berufsabschluss führen, zum Beispiel zum staatlich geprüften Erzieher oder zum Sozialassistenten. Anträge können noch bis zum 30. Juni 2013 bei der zuständigen Regiestelle gestellt werden.
Mehr Anerkennung
Cristinel Parecker und seine Kollegin bilden sich zurzeit zu Fachkräften für Kleinstkindpädagogik weiter. Diese einjährige Weiterbildung absolvieren beide neben der Arbeit an Wochenenden und auf eigene Kosten. 1 050 Euro zahlt jeder dafür. Für die Zukunft wünscht sich Cristinel Parecker, dass seine Arbeit gesellschaftlich stärker gewürdigt wird und die Tätigkeit von Tageseltern als Beruf anerkannt wird. Dass dafür die Grundqualifizierung von 160 Stunden nicht ausreicht, steht für ihn außer Frage: „Eine Berufsausbildung sollte mindestens ein Jahr Vollzeit dauern“, sagt er. „Und natürlich sollte es die Option geben, diese auch berufsbegleitend, also Teilzeit, zu absolvieren.“
-
- Ob Kita oder Au-pair – Eltern wollen ihren Nachwuchs in guten Händen wissen. Aufwendungen für die Aufsicht können sie sich teilweise über die Steuererklärung zurückholen.
-
- Wer im eigenen Haushalt einen Babysitter beschäftigt, wird zum Arbeitgeber. Mit einer Anmeldung bei der Minijob-Zentrale sind beide Parteien abgesichert – zum Beispiel,...
-
- Gut, wenn das Kind gut versorgt ist in der Kita oder bei einer Tagesmutter. Wir geben Antworten rund um Antrag, Förderung und Platzanspruch und bieten einen Musterbrief.
Diskutieren Sie mit
Nur registrierte Nutzer können Kommentare verfassen. Bitte melden Sie sich an. Individuelle Fragen richten Sie bitte an den Leserservice.
Kommentarliste
Nutzerkommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.
Hallo,
als ich mich ca. vor 2 Jahren danach erkundigt habe, war es egal für meine erste Bewertung durch das Jugendamt, ob ich mit 50 schon 2 oder 20 Kinder groß gezogen habe. Ich wurde gleich bewertet in der Richtung als wenn ich mit 50 keine Kinder hatte. Auch ist es egal gewesen, ob ich schon mit Kindern gearbeitet habe oder nicht. War halt zu diesem Zeitpunkt fast auf HARTZ4 und habe etwas gesucht um Geld zu verdienen, egal wie viel.
Habe die Bewertung dann nicht machen lassen, weil ein 50 jähriger Single hätte eh überhaupt keine Chance gehabt, überhaupt erst mal in eine mögliche Erwägung gezogen zu werden. Wollte auch nicht erst mal Geld ausgeben um nachher dann zu erfahren, überhaupt keine Chance. Würde sich bei unserer Politik wundern, wenn sich da was generell geändert hat.
Gruß
Christian