
Professor Dr. Hans-Peter Berlien ist Chirurg und Lasermediziner, als Chefarzt leitet er die Abteilung Lasermedizin der Evangelischen Elisabeth Klinik in Berlin. Mit ihm sprach test.de über die Gründe, warum manche Tätowierungen wieder entfernt werden müssen, welche Risiken damit verbunden sind, und wie gut die Chancen stehen, dass am Ende wirklich nichts mehr von einer Tätowierung zu sehen ist.
Herr Berlien, aus welchen Gründen lassen sich Ihre Patienten Tätowierungen wieder entfernen?
Berlien: Wir teilen die Ursachen in drei Gruppen ein: Erstens ist eine Tätowierung immer auch eine Körperverletzung und die dadurch entstandene Wunde, vergleichbar einer zum Teil recht großflächigen Schürfwunde, kann Komplikationen nach sich ziehen. Es besteht immer das Risiko einer Infektion. Zweitens treten Reaktionen auf Farbstoffe auf und können eine Entfernung der Tätowierung erforderlich machen. Die Pigmente sind Fremdkörper, die im menschlichen Körper nichts zu suchen haben – bei jeder Tätowierung besteht deshalb die Gefahr einer toxischen Kontaktreaktion oder Allergie. Drittens gibt es die psychosozialen Gründe, die nicht unterschätzt werden sollten.
Was heißt das?
Berlien: Tätowierungen unterliegen Modetrends, die irgendwann nicht mehr schick sind. Viele Tätowierte leiden dann unter den Motiven. Es gibt Studien, die besagen, dass etwa 30 Prozent der Menschen mit einem Tattoo ihre Entscheidung bereits nach einem Jahr bereuen. Wenn sich die Lebensführung ändert, das soziale Umfeld, die politische Einstellung oder die Lebenspartnerschaft, kann der Leidensdruck enorm sein. Dann werden aus den Kunden der Tätowierer unsere Patienten und die sagen oft: Ich halte es nicht mehr aus.
Gibt es Körperstellen, von denen Sie besonders häufig Tätowierungen entfernen?
Berlien: Ja, vom Nacken, von den Unterarmen, den Händen und dem Gesicht. Viele Frauen kommen mit den von mir sogenannten Hirschgeweihen im Steißbereich. Meist sind es aber die gut sichtbaren Körperstellen und das hat häufig einen sozialen Hintergrund. Nehmen wir ein aktuelles Beispiel. Es gibt ein verwaltungsgerichtliches Urteil, nach dem Polizisten keine Tätowierungen auf den Unterarmen tragen dürfen. Auch berufliche Probleme können die Entfernung eines Tattoos erfordern.
Lässt sich mit den heute zur Verfügung stehenden Methoden denn jede Tätowierung wieder entfernen?
Berlien: Die Lasermedizin ist sehr weit fortgeschritten. Trotzdem lässt sich nicht jede Tätowierung mit ihrer Hilfe entfernen. In manchen Fällen ist nur noch schneiden möglich. Wenn das Tattoo eine bestimmte Größe hatte, muss anschließend eine Hauttransplantation erfolgen. Das sind schwere Operationen, die mit Risiken verbunden sind. Vertretbar ist das nur, wenn gar nichts anderes mehr infrage kommt.
Wann scheitert die Lasermedizin?
Berlien: Zum Beispiel bei Patienten, die auf eine Tätowierfarbe allergisch reagiert haben. Durch das Lasern könnten die allergischen Reaktionen wieder angereizt werden und das sollten wir vermeiden.
Gibt es Entfernungstechniken, vor denen Sie warnen würden, die weniger Erfolg versprechend sind?
Berlien: Säurebehandlungen und das Abschleifen der Haut halte ich für ein Verbrechen. Diese Verfahren können schwerste Komplikationen verursachen. Aber egal wie ein Tattoo entfernt wird, Narben bleiben immer, auch beim Lasern. Die Narben sind dann aber bereits durch die ursprüngliche Verletzung entstanden – nämlich durch das Tattoo. Meine Definition von Tätowierung lautet deswegen auch: Eine auf Lebenszeit eingebrachte Veränderung der Haut.
Wie funktioniert eine Laserbehandlung?
Berlien: Der Laserstrahl ist ein Strahl mit hoher Energie und stark fokussiert. Er versprengt die Farbpartikel, die dann über das Lymphsystem abtransportiert werden. Sie bleiben zwar im Körper, etwa in den Lymphknoten, sind auf der Haut aber nicht mehr sichtbar. Wenn das gelingt, ist Lasern ein geniales Verfahren. Aber wie gesagt, es bleiben Narben. Und auch gesunde Pigmentzellen der Haut werden durch den Laser beschädigt und regenerieren sich anschließend nicht immer zu 100 Prozent.
Von welchen Farben bleiben am häufigsten Rückstände sichtbar?
Berlien: Jede Farbe reagiert anders auf Laser. Bunte Tattoos sind deswegen schwieriger zu entfernen als schwarze. Bei Profi-Tätowierungen mit verschiedenen Farben müssen wir verschiedene Laser und Techniken einsetzen. Vieles ist dabei Erfahrungssache oder reines Ausprobieren. Früher wurden dafür zunächst Gewebeproben entnommen, heute macht man das nicht mehr. Wir untersuchen die Haut mithilfe der optischen Kohärenztomographie, einer nicht invasiven Methode. Dieses bildgebende Verfahren ermöglicht die Untersuchung der Haut im Mikrometerbereich. So lassen sich Farbe und Vernarbung vor einer Behandlung gut analysieren und passende Laser finden. Im Allgemeinen würde ich sagen, es bleibt trotzdem fast immer etwas von der Farbe zurück und sichtbar.
Mit welchem Zeit- und Kostenaufwand müssen Patienten für eine Laserbehandlung rechnen?
Berlien: Das ist nicht vorhersagbar, weder die Kosten noch die Zahl der Sitzungen. Es kommt darauf an, wie groß und wie schwierig zu behandeln das Tattoo ist. Die einzige Regel ist: Es gibt keine Regeln. Die Kosten für eine Tattoo-Entfernung tragen die Patienten selbst, das ist keine Kassenleistung. Pauschalhonorare sind laut der amtlichen Gebührenordnung verboten. Wir führen erst einige Sitzungen pro zu behandelnder Körperstelle durch, dann ziehen wir eine Zwischenbilanz. Nach einer Pause führen wir weitere Sitzungen durch und besprechen mit dem Patienten, wie hoch die Belastung durch das Tattoo noch ist. Manchmal kann dann auch eine längere Pause sinnvoll sein, in der sich die Haut vollständig regeneriert und langsam wieder an Licht und Sonne gewöhnt wird. Dadurch werden eventuell noch verbliebene Farbstoffreste unsichtbar und stören die Patienten nicht mehr.
-
- Tagescremes mit UV-Schutz sollen der Gesichtshaut Feuchtigkeit spenden, sie pflegen und vor schädigendem Sonnenlicht schützen. Die Stiftung Warentest hat elf solcher...
-
- Selbstbräuner versprechen einen dunkleren Hautton, bergen aber Risiken – und funktionieren nicht bei allen Menschen. Die Stiftung Warentest verrät, worauf Sie achten...
-
- Jährlich erkranken mehr als 1,7 Millionen Menschen in Deutschland an aktinischer Keratose, einer Vorstufe von weißem Hautkrebs. Medikamente zum Auftragen können helfen.
Diskutieren Sie mit
Nur registrierte Nutzer können Kommentare verfassen. Bitte melden Sie sich an. Individuelle Fragen richten Sie bitte an den Leserservice.
Nutzerkommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.
Quelle hat sich geändert in: http://bit.ly/20ZE6JL
Einen (relativ) aktuellen Gesamtüberblick verunreinigter / belasteter Tattoofarben bietet das EU-Schnellwarnsystem "RAPEX". Wenn auch nur in englischer Sprache verfügbar, so sind zumindest die wesentlichen Details zu Produkten und Risiken ausreichend verständlich http://bit.ly/1rQNakM