Sechs der zehn Tätowierfarben im Test können für Allergiker gefährlich werden, einige sogar ernsthaft krankmachen.
Blüten und Blätter ranken sich am Arm empor. Sie schmücken auch das rechte Schulterblatt. Breit grinst ein Matrose auf dem linken Oberarm. Am Ellenbogen kämpft ein Schiff gegen hohe Wellen. „Das sind Motive aus meiner norddeutschen Heimat, die mir viel bedeutet“, sagt der 35-jährige Thomas K. „Mein Tätowierer hat meine Ideen perfekt umgesetzt.“
Etwa 9 Prozent der Deutschen sind tätowiert, unter den 16- bis 29-Jährigen ist es sogar fast jeder Vierte. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat diese Zahlen im Sommer 2013 veröffentlicht, die Tendenz ist weiter steigend.
Nur stichprobenartige Kontrolle
Millionen Männer und Frauen tragen bunte Bilder auf der Haut. Wie sicher sind die Farben, mit denen sie gestochen werden? Die Stiftung Warentest hat zehn Tätowierfarben exemplarisch ausgewählt, im Internet von deutschsprachigen Anbietern gekauft und im Labor untersuchen lassen. Diese Farben werden auch in professionellen Tätowierstudios verwendet. In keiner der Farben wiesen wir einen verbotenen Inhaltsstoff aus den Negativlisten der Tätowiermittelverordnung nach. Einwandfrei sind sie dennoch nicht Tabelle: Tätowierfarben.
Ein Zulassungsverfahren für Tätowiermittel gibt es nicht. Die Überwachungsämter der Bundesländer kontrollieren die Qualität nur stichprobenartig. Neben der europäischen Kosmetikverordnung regelt die deutsche Tätowiermittelverordnung, wie Tätowierfarben herzustellen und zu kennzeichnen sind. Außerdem berücksichtigen die Ämter eine europäische Resolution des Ministerkomittees des Europarats (ResAP).
Gefahr für Allergiker
Es gibt Inhaltsstoffe, die nicht in den offiziellen Negativlisten stehen, von Experten aber als kritisch eingestuft werden. Bis auf die Farben von Sailor Jerry und Atomic Ink enthalten alle geprüften Produkte derartige kritische Inhaltsstoffe. Die Konservierungsstoffe Benzylisothiazolinon oder Methylisothiazolinon können etwa Allergien auslösen. Bei Intenze ist Benzylisothiazolinon auf den Packungen nicht deklariert.
Auch Nickel wiesen die Tester in mehreren Farben nach. Spuren von Nickel können während des Herstellungsprozesses unbemerkt als Verunreinigungen in die Farben geraten. Für Allergiker kann das gefährlich sein. In den Listen der Inhaltsstoffe auf den betroffenen Flaschen fanden wir Nickel nicht, Warnhinweise für Allergiker fehlten.
Giftige PAKs in zwei Farben
Die schwarzen Farben von Eternal Ink und Intenze enthalten giftige polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK). Die PAK, die wir im Schwarz von Intenze nachwiesen, sind sogar krebserregend. PAK können versehentlich über die schwarzen Pigmente in die Farben gelangen. Derartige Verunreinigungen sind vermeidbar.
Oft unzureichend gekennzeichnet
Auf fast allen Packungen sind die Anwendungs- und Sicherheitshinweise entweder unvollständig oder nicht in deutscher Sprache aufgedruckt. Bei den beiden Farben von Sailor Jerry fehlen sie vollständig.
Viermal wird ein Patch-Test empfohlen: Wer etwas Farbe vor dem Tätowieren auf die Haut aufträgt, soll so herausfinden, ob sie eine allergische Reaktion hervorruft. Ratsam ist das nach Einschätzung der Stiftung Warentest nicht. Durch die Selbsttests kann eine Allergie erst entstehen.
Vertrauensvorschuss für die Anbieter
„Ganz ehrlich? Über die Qualität der Farben habe ich vorher gar nicht nachgedacht“, sagt Thomas K. Er habe seinem Tätowierer vertraut. „Der macht das ja schon eine Weile und kennt sich aus.“ Doch auch erfahrenen Tätowierern bleibt bei der Auswahl der Farben nicht viel anderes übrig, als sich darauf zu verlassen, dass die Anbieter geltendes Recht einhalten.
Andy Schmidt ist seit fast 20 Jahren im Geschäft. Der Vorsitzende des kürzlich gegründeten Berufsverbands Tattoo sagt: „Ich lasse mir vom Anbieter sicherheitshalber schriftlich bestätigen, dass die Farben den Vorgaben der deutschen Tätowiermittelverordnung entsprechen.“ Er ergänzt: „Mit allem anderen würden sich die Anbieter sowieso strafbar machen.“
Schmidt, der auch zweiter Vorsitzender des Vereins Deutsche Organisierte Tätowierer ist, betreibt in der Nähe von Düsseldorf ein eigenes Tattoo-Studio. „Beim Farbenkauf ist vieles auch Erfahrungssache. Man muss sich informieren, auf welche Farben Verlass ist“, sagt er.
Regeln mit Schlupflöchern
Die Tätowiermittelverordnung reicht nach Ansicht von Fachleuten nicht aus. Dr. Annegret Blume, Geschäftsführerin der Kommission für kosmetische Mittel des BfR, etwa hält eine andere Art der gesetzlichen Regelung für verlässlicher. „Wünschenswert wäre eine abschließende Auflistung von Inhaltsstoffen, die in Tätowierfarben eingesetzt werden dürfen.“ Eine solche Positivliste sei bislang aber nicht in Arbeit. „Derzeit besteht die Gefahr, dass die Hersteller von den verbotenen Stoffen auf verwandte Alternativstoffe ausweichen, die nicht in den Negativlisten stehen. Diese Stoffe sind nicht unbedingt besser.“
Risiko mangelnde Sauberkeit

Hygiene zählt. Einmalhandschuhe schützen Tätowierer und Kunden vor Infektionen. © Fotolia / Haramis Kalfar
Genauso wichtig wie einwandfreie Farben sind die hygienischen Bedingungen, unter denen Tätowierungen gestochen werden. „Mangelnde Sauberkeit und Sachkenntnis des Tätowierers gehören zu den häufigsten Ursachen für Infektionen“, sagt Annegret Blume. Vor sogenannten Wohnzimmer-Tätowierern, die ihre Dienste in der eigenen Wohnung anbieten, warnt sie. „Die erforderlichen hygienischen Bedingungen sind dort kaum zu erreichen.“
Tätowierer Andy Schmidt bestätigt das. Er rät zum Vergleich mehrerer Studios. „Der erste Eindruck zählt“, sagt er. Wer mehr wissen will, sollte mit dem Tätowierer sprechen und Fragen stellen. „Erhält man darauf keine befriedigenden Antworten, ist es besser, sich nach einem anderen Studio umzusehen.“
Leidensdruck manchmal enorm
Genaue Zahlen, wie häufig allergische oder entzündliche Reaktionen der Haut nach einer Tätowierung auftreten, gibt es nicht. In den schlimmsten Fällen müssen die Bilder wieder entfernt werden. Professor Dr. Hans-Peter Berlien, Chefarzt der Abteilung Lasermedizin der Evangelischen Elisabeth Klinik in Berlin weiß: Auch psychosoziale Probleme sind nicht zu unterschätzen. „Wenn sich die Lebensführung ändert, das soziale Umfeld, die politische Einstellung oder die Lebenspartnerschaft, kann der Leidensdruck enorm sein.“
Die Lasertechnik ist weit fortgeschritten, doch nicht jede Tätowierung lässt sich mit ihrer Hilfe entfernen. Problematisch sind bunte Tattoos. „Jede Farbe reagiert anders auf Laser“, sagt Berlien. Im Zweifel müssten tätowierte Hautpartien herausgeschnitten werden. Bei großflächigen Bildern seien Hauttransplantationen erforderlich.
„Egal wie ein Tattoo entfernt wird, Narben bleiben immer“, warnt Berlien. Und selbst, wenn das bunte Motiv im besten Fall nicht mehr sichtbar ist: Was die Farben im Körper langfristig bewirken, muss weiter erforscht werden. Eine Tätowierung ist eine Entscheidung fürs Leben.
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Quelle hat sich geändert in: http://bit.ly/20ZE6JL
Einen (relativ) aktuellen Gesamtüberblick verunreinigter / belasteter Tattoofarben bietet das EU-Schnellwarnsystem "RAPEX". Wenn auch nur in englischer Sprache verfügbar, so sind zumindest die wesentlichen Details zu Produkten und Risiken ausreichend verständlich http://bit.ly/1rQNakM