Strom- und Gastarife: Preise rauf, Kosten runter

Preiserhöhungen lassen sich durch einen Wechsel des Stromtarifs leicht wieder reinholen. Kunden sparen in unserer Untersuchung bis zu 330 Euro im Jahr, und das sogar mit fairen Tarifen und Ökostrom.
Gut zwei Drittel der Stromkunden, die bisher ihren Anbieter gewechselt haben, sind zufrieden. Das geht aus dem aktuellen Gutachten zur Lage der Verbraucher hervor, das vom Bundesverbraucherministerium in Auftrag gegeben wurde. Der hohe Anteil der Zufriedenen erstaunt nicht. Denn der Wechsel ist unkompliziert (siehe „Checkliste: In drei Schritten ...“) und die Ersparnis kann sich sehen lassen.
Die größte Ersparnis in unserer Untersuchung am Stichtag 9. Oktober 2012 fanden wir in Mainz: Dort konnte ein Haushalt mit einem Verbrauch von 5 500 Kilowattstunden 331 Euro im Jahr sparen, wenn er vom Grundtarif der örtlichen Stadtwerke zu den Flensburger Stadtwerken wechselte, die auch in Mainz ihre Tarife anbieten. Geprüft haben wir die Sparmöglichkeiten für drei Musterhaushalte in 20 Städten.
Das Gutachten führt aber auch Kritik auf: 18 Prozent der Wechsler klagen über Kosten, die bei Vertragsabschluss nicht absehbar waren. 16 Prozent ärgern sich über zusätzlichen Zeitaufwand. Damit solche Schwierigkeiten nicht auftreten, haben wir einen verbraucherfreundlichen Tarif für bequeme Kunden definiert (siehe „Gute Wahl - Fairer Tarif“). Er bietet zum Beispiel für zwölf Monate eine eingeschränkte Preissicherheit. Sie gilt für wichtige Teile des Strompreises, die Netzentgelte und den Energiekostenanteil (siehe Grafik in „Checkliste: In drei Schritten ...“). Damit ist etwa die Hälfte des Preises fix. Den anderen Teil darf der Versorger nur erhöhen, wenn die Strom- oder Mehrwertsteuer oder staatliche Abgaben wie die EEG-Umlage steigen. Die Preissicherheit ist außerdem mindestens zwölf Monate lang und nicht kürzer als die Erstvertragslaufzeit.
Ohne Vergleichsrechner geht es nicht
Die Neukundenangebote der Anbieter ändern sich schnell. Kurz nach unserer Abfrage hatten schon andere Anbieter die Nase vorn. Stromkunden müssen deshalb selbst mit den Vergleichsrechnern im Netz ein faires Angebot suchen. Das geht leicht, wenn sie alle Voreinstellungen wegklicken und unsere Kriterien für einen verbraucherfreundlichen Tarif einstellen (siehe „Gute Wahl - Fairer Tarif“).
Tun sie das nicht und verlassen sich auf die Voreinstellungen, landen sie leicht in einem Tarif, der im zweiten Jahr richtig teuer wird. Diese Erfahrung machte Veit Hauser* aus Berlin mit dem Anbieter Flexstrom. Hauser schloss zum Dezember 2011 bei Flexstrom einen Vertrag für eine Strommenge von 1 800 Kilowattstunden im Classic Tarif 3 Region 20 ab. Im ersten Jahr zahlte er dafür rund 430 Euro. Im Nachhinein soll er Neukundenvergünstigungen von 98 Euro erhalten, sodass sein Strompreis im ersten Jahr bei rund 333 Euro läge.
Im September 2012 bekam Hauser die Preisinformation für das zweite Vertragsjahr: Der Preis hat sich mit rund 634 Euro fast verdoppelt. Auf schriftliche Nachfragen, warum die Preise so steigen, reagierte Flexstrom ehrlich: „Im ersten Jahr sind die Preise von uns stark subventioniert, von daher verkaufen wir Ihnen den Strom zu einem unschlagbar günstigen Preis.“ Und schließlich: „Nach unserer Kalkulation (...) sind niedrigere Konditionen als angegeben für das Folgejahr jedoch nicht möglich.“
Hauser hat sein Sonderkündigungsrecht genutzt, das ihm nach einer Preiserhöhung zusteht (siehe „Kündigung nach Preiserhöhung“). Denn selbst wenn sein Bonus aus dem ersten Jahr verrechnet würde, müsste er im zweiten Jahr etwa 60 Euro mehr als in der Grundversorgung bezahlen. Ob er den Bonus für das erste Jahr überhaupt bekommt, bezweifelt er. „Erst mit günstigen Preisen anlocken und dann abkassieren“, so lautet sein persönliches Fazit zu Flexstrom.
Neukundenbonus wegklicken
Boni und freie Kilowattstunden sind eine beliebte Marketingmasche, um sich in den Ergebnislisten der Vergleichsrechner möglichst weit nach oben zu schieben. Verbraucher, die diese Rechner unkritisch nutzen und nur ihre Postleitzahl und ihren Stromverbrauch eingeben, erhalten eine Tarifauswahl, die durch Voreinstellungen beeinflusst ist, auch wenn viele Rechner diese nach der Pleite des Energieanbieters Teldafax verändert haben.
Die Vergleichsrechner Verivox und Check24 haben die Voreinstellung „Vorkasse“ abgeschafft und die Höhe des Neukundenbonus leicht begrenzt. Doch der Bonus ist immer noch als wichtiges Filterkriterium voreingestellt und wird in den Preis des ersten Jahres eingerechnet. Geeignet sind solche Tarife aber bestenfalls für Kunden, die konsequent jedes Jahr den Anbieter wechseln wollen.
Ob der Bonus fließt oder nicht, ist häufig auch noch an Bedingungen geknüpft, zum Beispiel an eine Mindestabnahmemenge. Oder der Bonus fürs erste Jahr entfällt, wenn der Kunde danach wechselt.
Der Preis mit Bonus täuscht auch noch in einem anderen Punkt. Viele Kunden zahlen zunächst ähnlich hohe monatliche Abschläge wie bisher. Den Bonus bekommen sie erst mit der Jahresabrechnung, bis dahin schießen sie dem Anbieter das Geld vor.
Ökostrom überraschend günstig
Ökostromtarife haben sich in unserer Untersuchung überraschend gut geschlagen. In jeder Stadt gab es unter den Top 5 mindestens ein zertifiziertes Ökostromangebot.
„Öko“ nennen wir in den Tabellen nur Tarife, denen ein anerkanntes Zertifikat einen zusätzlichen Umweltnutzen bescheinigt. Sie müssen den Bau neuer Ökostromanlagen fördern und durch den Zubau herkömmlichen Strom vom Markt verdrängen. Bei Angeboten, die nur ein RECS-Zertifikat haben, ist dies nicht der Fall.
*Name von der Redaktion geändert.