Wenig Bewegung, zu hohes Körpergewicht, Zucker, Fett und Alkohol machen krank und verkürzen die Lebenserwartung. Da hilft nur, konsequent gegenzusteuern.
Der wesentliche Krankmacher im Lande hat einen komplizierten Namen: das metabolische Syndrom, auch als tödliches Quartett bezeichnet. Dabei entgleist der Stoffwechsel. „Die bislang bekannten Hauptursachen für lebensgefährliche Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind neben einer genetischen Veranlagung Typ-2-Diabetes, Übergewicht, mangelnde Bewegung und schlechte Ernährungsgewohnheiten“, sagt Professor Stefan Zeuzem, Direktor der Medizinischen Klinik I des Universitätsklinikums Frankfurt.
Das metabolische Syndrom bildet sich im Laufe von Jahren heraus. Viele schädliche Faktoren greifen in einer unheilvollen Folge ineinander, führen zum Beispiel zu Diabetes vom Typ 2. Früher wurde der einmal „Alterszucker“ genannt. Heute sind zunehmend Jüngere davon betroffen. Die Auslöser sind oft im Lebensstil zu finden.
Wie auf einem Pulverfass
Menschen, die im Alter von 25 bis 40 Jahren deutlich an Gewicht zunehmen, haben ein höheres Diabetesrisiko als jene, die jenseits des 40. Lebensjahres übergewichtig werden. Raucher haben ein doppelt so hohes Diabetesrisiko wie Nichtraucher. Wer unter Schlafstörungen leidet oder mit Atemaussetzern schnarcht, hat ebenfalls ein höheres Diabetesrisiko.
Ein metabolisches Syndrom haben 70 von 100 Menschen mit Typ-2-Diabetes. In Deutschland gibt es bereits mehr als sechs Millionen Typ-2-Diabetiker, darunter immer mehr Kinder und Jugendliche. Unter Einbeziehung der Dunkelziffer wurde vermutlich sogar bereits die 10-Millionen-Marke überschritten. Weltweit wird in den kommenden 25 Jahren mit einem Anstieg um mindestens 60 Prozent gerechnet. Wegen der Spätfolgen wie Herzinfarkt sitzen Diabetiker auf einem Pulverfass.
Ein schleichender Prozess
Bevor sich Diabetes vom Typ 2 manifestiert, leiden Betroffene bereits einige Jahre an einer zunehmenden Insulinresistenz (Prä-Diabetes): Das von der Bauchspeicheldrüse produzierte Körperhormon hat auf insulinempfindliche Organe wie Skelettmuskulatur, Fettgewebe, Leber und Gehirn nur noch eine verminderte Wirkung. Mithilfe des Insulins wird der Blutzucker normalerweise in den Grenzen von 60 und 140 mg/dl gehalten. Die Wirkung des Insulins leidet jedoch unter Übergewicht, Bewegungsmangel und weiteren Faktoren. Eine (zunehmende) Insulinresistenz signalisiert eine allgemeine Stoffwechselstörung. Die Körperzellen ignorieren das Insulinsignal, das die Insulinwirkung in den Zellen freisetzt und den Blutzuckerspiegel senkt.
Typ-2-Diabetes entwickelt sich somit eher schleichend. Manchmal fehlen Beschwerden, mitunter tritt Müdigkeit auf, die Haut juckt, Wunden verheilen schlecht. Anfangs gelingt es dem Körper durch vermehrte Insulinproduktion, den Blutzuckerspiegel weitgehend im Normbereich zu halten. Obgleich die Werte noch normal sind, befindet sich der Stoffwechsel bereits in einer Schieflage. Der Wert des Nüchternblutzuckers ist in dieser Phase noch normal oder nur leicht erhöht. Doch dieser Mechanismus zunehmender Insulinproduktion schreitet über die Jahre fort. Die Nüchternblutzuckerwerte steigen schließlich auf über 110 mg/dl an. In dieser Phase sind die Zellen gegenüber Insulin bereits so resistent, dass der Organismus Glukose-Spitzenwerte nach dem Essen nicht mehr zufriedenstellend auffangen kann. Experten nennen es gestörte Glukosetoleranz.
Tipp: Der Glukosetoleranztest beim Hausarzt überprüft die Fähigkeit des Körpers, Zucker aus dem Blutkreislauf zu entfernen und abzubauen.
In der letzten Phase – meist nach Jahren – ist die Bauchspeicheldrüse erschöpft und produziert immer weniger Insulin. Der Betroffene muss dann Insulin spritzen.
Gefäßablagerungen, Bluthochdruck
Erhöhte Blutzuckerspiegel sind laut einer großen Bevölkerungsstudie jedes Jahr für den Tod von weltweit mehr als drei Millionen Menschen mitverantwortlich. Für die meisten dieser Herzinfarkte und Schlaganfälle sind schon „hochnormale“
Blutzuckerwerte, die unterhalb des Wertes für diagnostizierten Diabetes Typ 2 liegen, mitverantwortlich. Spezialisten diskutieren, ob der Blutzuckersenker Metformin bereits frühzeitig eingesetzt werden sollte, vor allem bei Übergewichtigen.
Die Müllhalde in der Blutgefäßwand
Bereits Nüchternblutzuckerwerte zwischen 100 und 110 ml/dl sind mit Risiken verbunden. Auch Blutzuckermengen in der Nähe der Grenzwerte (siehe Text: Testverfahren und Testergebnisse) bewirken bereits biochemische Veränderungen. Diese Prozesse fördern eine chronische Entzündung in der Blutgefäßwand. Erhöhte Blutzuckermengen hemmen die Produktion von Stoffen mit antientzündlichen Eigenschaften. Arteriosklerose wird begünstigt. Glukose stört die Energiegewinnung in den Zellen der Blutgefäßwand.
Bei einer Entzündung in der Blutgefäßwand lagern sich dort Cholesterinpartikel ab. Die „Müllhalde“ ist erst klein, wächst aber beständig. Folge: Es entwickelt sich eine Arteriosklerose. Liegen weitere Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie erhöhte Werte für LDL-Cholesterin, Rauchen, Bluthochdruck und psychischer Stress vor, begünstigen und verstärken sich diese Faktoren gegenseitig – eventuell bis hin zum Herzinfarkt oder Schlaganfall. Wer bereits als Jugendlicher an Diabetes erkrankt, muss, wenn er nicht gegensteuert, schon in mittleren Jahren mit solchen lebensgefährlichen Spätfolgen rechnen.
Fettleber als Folge und/oder Ursache
Auch die Leber ist insulinempfindlich. Sie sorgt dafür, dass Glukose in Form von Glykogen in der Leber gespeichert und bei Bedarf als Glukose wieder ins Blut freigesetzt wird. Auf diese Weise ist auch die Leber an der Blutzuckerregulation beteiligt. Während man früher dachte, dass eine Fettleber die Folge einer Typ-2-Diabeteserkrankung sei, gibt es nun Hinweise darauf, dass sie einen Typ-2-Diabetes begünstigt. Es bedeutet jedoch nicht, dass jeder Typ-2-Diabetes mit einer Fettleber einhergeht und umgekehrt. Aber bereits 30 bis 40 Prozent der Erwachsenen haben mehr oder weniger große Fetteinlagerungen in der Leber – wegen zu fetter und zu süßer Nahrung und/oder wegen regelmäßigen Alkoholgenusses und Bewegungsmangels.
Gelangen vermehrt Fettsäuren in die Leber, schwächen sie dort die Wirkung des Insulins ab. Folglich wird die Glukoseneubildung nicht mehr gehemmt, der Blutzuckerspiegel steigt. Doch damit nicht genug – Fettsäuren werden teilweise in die Leberzellen eingelagert und setzen weitere unerwünschte Prozesse in Gang. Der Rest wird zum Aufbau triglyzeridreicher Lipoproteine genutzt und bevorzugt ins Blut freigesetzt. Bei Blutuntersuchungen werden dann erhöhte Blutfettwerte gemessen.
Fettleber rückgängig machen
So kommt allmählich zum Typ-2-Diabetes eine Fettstoffwechselstörung hinzu. Eine US-Bevölkerungsstudie hat bestätigt: Wer in hohem Maße kalorienreiche, mit Haushaltszucker und Fruktose gesüßte Getränke (Softdrinks) konsumiert, trägt zu einer Verschlechterung der Lipidwerte bei – die schädlichen LDL-Werte steigen an, die guten HDL-Werte verringern sich.
Häufig ist es möglich, eine Fettleber wieder rückgängig zu machen. „Sogar dann, wenn sich Leberzellen bereits entzündet haben (Fettleberentzündung), kann durch Gewichtsabnahme eine Besserung herbeigeführt werden. Jedes Kilo Körpergewicht weniger ist ein Gewinn, kann in der Fettleber positive Prozesse in Gang setzen“, betont Professor Zeuzem. Das ist ohne Alternative. Denn es gibt derzeit keine etablierte medikamentöse Therapie zur Rückbildung einer Fettleber. „Es ist zwar möglich, Glitazone, die die Insulinempfindlichkeit der Körperzellen erhöhen können, einzusetzen. Doch sie können Nebenwirkungen verursachen wie Osteoporose, Leberschäden, Gewichtszunahme“, warnt Privatdozent Dr. Jörg Bojunga, Leiter des Schwerpunktes für Endokrinologie und Diabetologie am Uniklinikum Frankfurt am Main.
Jeden Tag 600 Kilokalorien weniger
Betroffene können also selbst eine Menge tun: „Wir raten zu einer 10-prozentigen Gewichtsreduktion, 20 Minuten zusätzlicher Bewegung am Tag und Essmengen mit täglich etwa 600 Kilokalorien weniger “, so Dr. Bojunga. Eine Radikaldiät ist nicht angesagt. Sie fördert eher die Fettleber.
Tipp: Meiden Sie aber Alkohol. Und setzen Sie Obst und Gemüse auf den Speiseplan. So lässt sich vielfach ein Teil des in Leberzellen eingelagerten Fettes abbauen. Hilft die Umstellung auf eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung nicht, raten Ernährungsmediziner zu einer noch konsequenteren Ernährungsumstellung – dann zum Beispiel mit verminderter (Frucht-)Zuckerzufuhr und noch mehr Ballaststoffen und Proteinen.
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