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Wer seinen Internetanschluss für andere Nutzer öffnet, haftet nicht mehr, wenn diese darüber illegal Musik, Filme oder Spiele teilen. Die mit dem dritten Telemediengesetz im Jahr 2017 bereits abgeschaffte Störerhaftung hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit einem Grundsatzurteil nun endgültig beerdigt. Das Gesetz macht es laut BGH aber möglich, bei Urheberrechtsverletzungen den Anschluss teilweise oder sogar ganz zu sperren. test.de erklärt die Rechtslage.
Angst vor Abmahnungen
Mit dem Internetzugang hielten es die meisten bisher wie mit ihrer Haustür. Besser abschließen und sich vor Fremden schützen. Denn jeder WLan-Betreiber, der seinen Zugang ungesichert lässt, setzte sich einem Risiko aus: Über eine ungeschützte WLan-Verbindung können andere Daten klauen oder Urheberrechtsverstöße begehen. Für die musste bisher unter Umständen der Betreiber des Netzwerks haften. Auch wer sein Passwort mit Gästen oder Familie teilt, konnte bei angeblichen Verstößen kostenpflichtige Abmahnungen erhalten. Möglich machte das die sogenannte Störerhaftung.
Im Netz der Störerhaftung
Ein WLan-Betreiber konnte für Urheberrechtsverstöße über einen Internetzugang als sogenannter Störer haftbar gemacht werden. Lädt sich ein Nachbar zum Beispiel über das ungesicherte WLan illegal einen Film bei einer Tauschbörse herunter, musste der Betreiber bisher mit einer Abmahnung rechnen. Schließlich entstand dem Inhaber des Urheberrechts durch die kostenlose Nutzung ein Schaden. Per Abmahnung konnte er Ansprüche auf Schadenersatz und Unterlassung durchsetzen.
Gesetzgeber hofft auf mehr offene Hotspots
Die jahrelang geltende Störerhaftung wurde mit der im letzten Jahr beschlossenen Neufassung des Telemediengesetzes abgeschafft. Mehrere Anläufe waren dazu nötig. Viele setzten auf ein neues Gesetz: Es sollte das Risiko von WLan-Betreibern einschränken und ihnen Rechtssicherheit bringen. Ziel war es auch, zu verhindern, dass Anschlussinhaber ihre WLan-Netze aus Angst vor Abmahnungen nicht öffnen. Als Folge erhoffte sich der Gesetzgeber mehr offene Hotspots in Deutschland. Im internationalen Vergleich hinkt die Bundesrepublik bei frei verfügbaren WLan-Netzen hinterher.
Anschlussinhaber kann zu Netzsperren verpflichtet werden
Der BGH hat die Regelungen zur Abschaffung der Störerhaftung in den wesentlichen Punkten nun mit einem Grundsatzurteil bestätigt. Außerdem sei das Gesetz europarechtskonform, so die Richter. Den geschädigten Rechteinhabern bleibe nach dem Gesetz immer noch die Möglichkeit, den Anschlussinhaber zur Sperrung bestimmter Inhalte, Dienste und Webseiten (etwa Tauschbörsen) zu verpflichten. Wie er diesen Anspruch geltend machen kann, bleibt offen. Sperrmaßnahmen können aber „auch die Pflicht zur Registrierung von Nutzern, zur Verschlüsselung des Zugangs mit einem Passwort oder – im äußersten Fall – zur vollständigen Sperrung des Zugangs umfassen“. Mit diesen Möglichkeiten geht der BGH sogar über das Telemediengesetz hinaus. Welche Verpflichtungen Anschlussinhaber im Einzelfall treffen, müssen Gerichte festlegen.
Dieser Artikel ist erstmals am 15. November 2016 auf test.de erschienen. Er wurde seitdem mehrfach aktualisiert, zuletzt am 27. Juli 2018.
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Seit März 2020 habe ich den Gastzugang meiner FritzBox unverschlüsselt gelassen. Damit möchte ich vor allem älteren Nachbarn einen unkomplizierten Internetzugang (auch wegen „Corona“) ermöglichen.
Meine FritzBox protokolliert automatisch die MAC-Adressen und die An- und Abmeldezeiten der Geräte im Gastnetz.
Im Falle rechtswidriger von Dritten begangener Handlungen im Internet könnte ich anhand der FritzBox-Protokolle beweisen, dass zu dieser Zeit noch weitere Geräte mit der IP-Adresse meines Routers im Internet unterwegs waren.
Daher glaube ich nicht, dass ich (nur weil ich ein offenes WLAN betreibe) für Rechtsverstöße anderer zur Verantwortung gezogen werden kann.
Es ist weiterhin sehr ratsam Gäste nicht mit der eigenen IP-Adresse im Netz surfen zu lassen, denn selbst ohne Störerhaftung hält man mit seiner eigenen IP-Adresse als Anschlussinhaber immer den Kopf für die Rechtsverletzung der Gäste hin; bis hin zur Hausdurchsuchung; vgl. nur www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/bka-zahlreiche-durchsuchungen-wegen-hasspostings-im-netz-a-1102761.html und muss sich gegen rechtliche Anschuldigungen (in der Regel mit einem Anwalt) verteidigen. Mehr Infos hierzu finden Sie auch unter: www.sorglosinternet.de/ermittlungen-bei-rechtsverstoessen
Nur mit professionellem Gäste-WLAN-Provider kann einfach und rechtssicher (bitte auch an die aktuellen Entwicklungen wie Vorratsdatenspeicherung denken) Gäste-Internet angeboten werden.
Kommentar vom Autor gelöscht.
Analyse zum BGH Urteil:
"Das Problematische an der Entscheidung des BGH ist, dass sie die Unsicherheit der Vergangenheit wieder befördert, die der Gesetzgeber gerade beseitigen wollte. Denn weiterhin bleibt unklar, was der Anbieter eines WLANs nun im Einzelfall tun muss. Im Ergebnis wird dies dazu führen, dass die Anbieter von WLANs in vorauseilendem Gehorsam Maßnahmen ergreifen, insbesondere die – auch vom EuGH postulierte – Registrierung von Nutzern, obwohl es keinerlei Anhaltspunkte dafür gibt, dass diese Maßnahme irgend etwas bringt. Anderenfalls muss sich der Anbieter möglicherweise wegen jeder Rechtsverletzung verklagen lassen, damit ihm die Gerichte erklären, was denn das Richtige gewesen wäre. Die Folgen der Störerhaftung für öffentliche WLANs finden sich daher im Wesentlichen leider nur in neuem Gewand wieder.“
aus: www.offenenetze.de/2018/07/30/bgh-dead-island-wie-der-bgh-zwar-die-abschaffung-der-stoererhaftung-bei-wlans-bestaetigt-ihr-grunduebel-aber-weiter-beibehaelt/
Die größte Abmahnkanzlei schreibt zum aktuellen Urteil folgendes:
"Unabhängig davon scheint allerdings bereits heute klar, dass der BGH die Störerhaftung keineswegs „endgültig beerdigt“ hat, wie es zum Teil in der Presse zu lesen ist. Zwar stehe nach Ansicht der Richter der neue § 8 Abs. 1 S. 2 TMG einer Verurteilung zur Unterlassung entgegen. Der Klägerin könne nunmehr jedoch ein Anspruch auf Sperrung („Nutzungssperre“) nach § 7 Abs. 4 TMG zustehen. Dieser Anspruch sei insbesondere nicht auf bestimmte Sperrmaßnahmen beschränkt. Der Anschlussinhaber könne demnach wiederum verpflichtet sein, eine Registrierung der Nutzer einzuführen, den Zugang zu verschlüsseln oder sogar vollständig zu sperren.
Diese Maßnahmen entsprechen weitgehend jenen, die zuvor auf Grundlage der Störerhaftung vom Unterlassungsschuldner gefordert wurden. Somit ändert sich zwar die Anspruchsgrundlage, nicht jedoch die daraus resultierende Rechtsfolge.“
aus: https://bit.ly/2PLZtAf