Mit dem Nachwuchs allein unter einem Dach – das geht meist auch finanziell an die Substanz. Etwas Luft verschafft die Steuerklasse II.

In jeder fünften Familie in Deutschland kümmert sich ein Elternteil allein um den Nachwuchs – Tendenz steigend. Vor 20 Jahren gab es lediglich 14 Prozent „Einelternfamilien“. Laut Statistischem Bundesamt liegen Hessen und Bayern mit 17 Prozent unter dem Schnitt – Berlin mit 32 Prozent deutlich darüber.
Auch Nele Reuter lebt mit ihrer Tochter allein. Ida kam im Februar zur Welt. Die 28-jährige Ärztin aus Lübeck befindet sich in Elternzeit und bekommt derzeit 1 635 Euro Elterngeld im Monat. „Damit komme ich ganz gut klar“, erzählt sie. „Große Sprünge sind aber nicht drin.“ Daran ändert auch das rückwirkend zum 1. Januar 2015 um 4 Euro pro Monat erhöhte Kindergeld wenig.
Mehr Geld wird die Erhöhung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende bringen. Er stieg um 600 auf 1 908 Euro pro Jahr. „Dafür habe ich gleich nach Idas Geburt beim Finanzamt die Steuerklasse II beantragt“, sagt sie. „Die Entlastung wirkt sich erst ab 2016 aus, wenn ich arbeite.“
Steuertipp 1: Steuerklasse II
Ab April will Nele Reuter wieder in der Klinik arbeiten – zunächst in Teilzeit. Ida wird dann tagsüber von einer Tagesmutter oder in einer Kita betreut. Legt Nele Reuter ihr früheres Gehalt zugrunde, verdient sie dann 3 000 Euro im Monat. Da sie die Steuerklasse II bereits bewilligt bekam, berücksichtigt ihr Arbeitgeber den Entlastungsbetrag direkt beim monatlichen Lohnsteuerabzug. Das bedeutet für die alleinerziehende Mutter jeden Monat mehr Netto. Keine Rolle spielt der Familienstand: Neben ledigen Müttern und Vätern können auch geschiedene und verwitwete Elternteile sowie dauernd getrennt lebende Ehegatten Steuerklasse II bekommen. Anspruch besteht für Kinder, für die der alleinerziehende Elternteil Kindergeld bezieht und die bei ihm gemeldet sind.
Vorteil durch die Steuerklasse II (2016)
Monatliches Bruttoeinkommen |
3 000 Euro |
Kinderfreibeträge |
0,5 |
Monatliche Lohnsteuer1 |
394,91 Euro |
Vorteil zu Steuerklasse I |
43,83 Euro |
- 1
- Für gesetzlich krankenversicherte Angestellte mit 0,9 Prozent Zusatzbeitrag, ohne Solidaritätszuschlag.
Tipp: DieSteuerklasse II erhalten nur „echte“ Alleinerziehende: Außer Ihnen lebt keine volljährige Person im Haushalt, wie der neue Lebensgefährte oder ein volljähriges Kind, für das Sie kein Kindergeld mehr bekommen.
Ihr Kind ist mit Nebenwohnsitz beim anderen Elternteil gemeldet, weil es dort regelmäßig Zeit verbringt, etwa Wochenenden und Ferien? Dann hat derjenige von Ihnen Anspruch auf den Entlastungsbetrag, bei dem sich das Kind überwiegend aufhält und zu dessen Haushalt es deshalb gehört. Die Steuerklasse II beantragen Sie beim Finanzamt mit der „Versicherung zum Entlastungsbetrag“. Den Vordruck finden Sie unter Formulare-bfinv.de. Wichtig: Seit 2015 gibt es für das zweite und jedes weitere Kind einen zusätzlichen Freibetrag von 240 Euro. Diesen beantragen Sie mit dem „Vereinfachten Antrag auf Lohnsteuerermäßigung“. Ansonsten kann der Entlastungs- und Erhöhungsbetrag erst mit der Steuererklärung geltend gemacht werden.
Steuertipp 2: Günstigerprüfung
Leben Vater und Mutter getrennt, bekommt derjenige das Kindergeld, in dessen Haushalt das Kind lebt. Wie bei Nele Reuter ist das in etwa 90 Prozent der Fälle die Mutter. Geteilt werden dagegen sowohl der Kinder- als auch der Erziehungsfreibetrag. Unverheiratete, geschiedene und getrennt lebende Elternteile bekommen ihn je zur Hälfte.
Nele Reuter hätte also für 2015 Anspruch auf 2 256 Euro Kinder- plus 1 320 Euro Erziehungsfreibetrag. Dasselbe gilt für den Vater gemeinsamer Kinder.
Ein Steuervorteil kommt aber auch hier erst für 2016 infrage, wenn die 28-Jährige wieder arbeitet. Da der Kinderfreibetrag ab Januar auf 2 304 Euro steigt, stehen ihr insgesamt 3 624 Euro zu. Diese wirken sich jedoch nicht automatisch steuermindernd aus. Das Finanzamt prüft in der Steuererklärung, ob der Vorteil durch die Freibeträge höher ist als das halbe Kindergeld („Günstigerprüfung“). Falls nicht – wie in Reuters Fall – bleibt alles beim Alten.
Vorteil durch Kinderfreibeträge (2016)
Einkommen |
19 992 Euro |
Hälftige Kinderfreibeträge |
−3 624 Euro |
Ergebnis |
16 368 Euro |
Steuerminderung durch Freibeträge |
943 Euro |
Hälftiges Kindergeld |
−1 140 Euro |
zusätzlicher Steuervorteil |
0 Euro |
Steuertipp 3: Freibeträge übertragen
Zahlt der andere Elternteil nicht mindestens 75 Prozent des festgelegten Unterhalts oder ist er aufgrund fehlender Einkünfte nicht zur Zahlung verpflichtet, können Alleinerziehende dessen halbe Freibeträge auf sich übertragen lassen. Dazu kreuzen sie die betreffenden Felder in der Anlage „Kind“ an. Sie müssen belegen, wie viel der andere Elternteil zahlen müsste, etwa mit dem Scheidungsurteil.
Tipp: Meist ist es besser, wenn Sie sich nur den halben Erziehungsfreibetrag übertragen lassen und auf den halben Kinderfreibetrag verzichten. Voraussetzung: Das Kind ist beim anderen Elternteil nicht gemeldet. Das Amt legt dann bei der Günstigerprüfung nur das halbe Kindergeld zugrunde. Dieses stellt der Sachbearbeiter dem Steuervorteil gegenüber, der sich aus der Summe von halbem Kinder- und ganzem Erziehungsfreibetrag ergibt. Sie hätten bereits ab einem Einkommen von etwa 16 000 Euro im Jahr einen Vorteil.
Der andere Elternteil kann der Übertragung nur widersprechen, wenn er das Kind regelmäßig betreut oder Betreuungskosten trägt.
Steuertipp 4: Betreuungskosten
Noch hat Nele Reuter weder Tagesmutter noch Kita-Platz, doch sie weiß bereits, was an Kosten auf sie zukommt. Würde sie Ida ab April von Montag bis Freitag für je sieben Stunden betreuen lassen, müsste sie laut Beitragssatzung der Stadt Lübeck monatlich 264 Euro zahlen. „Damit ich nicht noch zusätzliche Betreuung brauche, möchte ich mit meinem Arbeitgeber vereinbaren, dass ich keine Nacht- und Wochenenddienste leisten muss.“
Die Betreuungskosten werden ein dicker Brocken in Reuters Budget. Das Finanzamt erkennt pro Jahr bis zu 6 000 Euro davon als Sonderausgaben an – allerdings nur zu zwei Dritteln. Steuermindernd wirken sich damit maximal 4 000 Euro pro Kind aus. Aus steuerlicher Sicht könnte Nele Reuter für 2016 also noch über 3 600 Euro an weiteren Betreuungskosten geltend machen.
Vorteil durch Betreuungskostenabzug (2016)
Einkünfte gesamt |
26 000 Euro |
Betreuungskosten |
−1 584 Euro |
Entlastungsbetrag |
−1 908 Euro |
Weitere Sonderausgaben |
−4 100 Euro |
Zu versteuerndes Einkommen |
18 408 Euro |
Steuer (Grundtarif)1 |
2 139 Euro |
Steuervorteil |
419 Euro |
- 1
- Aus Vereinfachungsgründen ohne Solidaritätszuschlag und Steuerprogression durch Elterngeld bis März.
Tipp: Das Finanzamt erkennt nicht nur Ausgaben für Tagesmutter, Kita und Hort (inklusive Ferienbetreuung) an. Abzugsfähig sind auch Aufwendungen für Babysitter, eine im Haushalt angestellte Betreuungshilfe sowie Gebühren für eine private Vorschule. Beauftragen Sie eine Betreuungsperson, Ihr Kind von der Kita oder der Tagesmutter abzuholen und erstatten Sie dieser die Fahrtkosten, können Sie auch diese Kosten in der Steuererklärung angeben.
Nicht nur Ausgaben für fremde Betreuer erkennt das Finanzamt steuerlich an. Wer sein Kind von den Großeltern betreuen lässt und diese dafür bezahlt, kann diese Kosten ebenso geltend machen. Allerdings stellt sich das Finanzamt quer, wenn Oma oder Opa im selben Haushalt wohnen. Zudem will es eine Vereinbarung sehen, aus der Arbeitszeit und Stundenlohn hervorgehen.
Weiterer Nachteil: Auf das gezahlte Geld werden Steuern und Sozialabgaben fällig. Dieses Modell lohnt sich deshalb am ehesten, wenn Sie die Betreuung auf Minijob-Basis abwickeln (www.minijob-zentrale.de). In diesem Fall führen Sie die Abgaben und Steuern pauschal an die Bundesknappschaft ab.
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- Ob Kita oder Au-pair – Eltern wollen ihren Nachwuchs in guten Händen wissen. Aufwendungen für die Aufsicht können sie sich teilweise über die Steuererklärung zurückholen.
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- Ob Heirat, Kind, Karriere oder Jobverlust – oft lohnt sich ein Steuerklassenwechsel. Lesen Sie, welche Steuerklasse für Sie die richtige ist und was es zu beachten gibt.
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- Neben Kindergeld und Steuervorteilen durch Kinderfreibeträge sparen Eltern mit Ausgaben für Betreuung und Schule. Alleinerziehende sichern sich den Entlastungsbetrag.
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Kostet zwar nur 50 ct, aber hilft auch allenfalls Alleinerziehenden, die noch nichts wissen und die das klassische Modell haben: Frau betreut die Kinder, Mann zahlt. Nichts über das Wechselmodell. Dass die Angabe der Steuerklasse als Tipp verkauft wird, möchte ich gar nicht kommentieren. Fazit: Damit kann ich keine Steuern sparen, brauche immer noch dringend Geld und habe jetzt 50 ct. weniger ...