Steuerzahler können außergewöhnliche Belastungen wie Krankheitskosten in der Steuererklärung geltend machen. Das gilt allerdings nur, wenn diese Belastungen gewisse individuelle Grenzen übersteigen. Die Regeln zur Berechnung dieses Eigenanteils hat der Bundesfinanzhof jetzt verändert – zum Vorteil der Steuerzahler.
Hohe Hürde „zumutbarer Eigenanteil“
Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH, Az. VI R 75/14) können Steuerpflichtige jetzt höhere außergewöhnliche Belastungen wie Krankheitskosten in ihrer Steuererklärung geltend machen. Bislang scheiterten viele Steuerzahler an dem nach Einkommen gestaffelten „zumutbaren Eigenanteil“. Es gilt der Grundsatz: Je höher die jährlichen Einkünfte, desto höher ist die zumutbare Belastung und desto weniger Steuern können Steuerzahler sparen. Beim Berechnen dieses „zumutbaren Eigenanteil“ kommt das Gericht den Steuerzahlern jetzt entgegen: Nach der Entscheidung des BFH wird jetzt nur noch der Teil des Gesamtbetrags der Einkünfte, der einen bestimmten Stufengrenzbetrag übersteigt, mit dem jeweils höheren Prozentsatz belastet. Danach erfasst etwa der Prozentsatz für Stufe 3 nur den 51 130 Euro übersteigenden Teilbetrag der Einkünfte. Der Betrag von 51 130 Euro wird geringer besteuert. Bislang gingen Finanzverwaltung und Rechtsprechung davon aus, dass sich die Höhe der zumutbaren Belastung einheitlich nach dem höheren Prozentsatz richtet, sobald die Einkünfte die genannte Grenze überschreiten.
Der Eigenanteil – eine individuelle Angelegenheit
Der Abzug von außergewöhnlichen Belastungen wie Krankheitskosten ist nur möglich, wenn Steuerpflichtige mit überdurchschnittlich hohen Kosten belastet sind. Je nach Einkünften, Familienstand und Kinderzahl muss jeder einen Teil seiner außergewöhnlichen Belastungen aus eigener Tasche bezahlen. Steuerfachleute sprechen von der „zumutbaren Belastung“. Sie wird in drei Stufen bemessen und zwar nach einem bestimmten Prozentsatz des Gesamtbetrags der Einkünfte (abhängig von Familienstand und Kinderzahl).
Stufe 1 bis 15 340 Euro
Stufe 2 bis 51 130 Euro
Stufe 3 über 51 130 Euro
Bei zusammenveranlagten Ehegatten mit einem oder zwei Kindern beträgt der Prozentsatz beispielsweise 2 Prozent in Stufe 1, 3 Prozent in Stufe 2 und 4 Prozent in Stufe 3.
Tabelle: So rechnen die Finanzämter
Je nach Einkünften, Familienstand und Kinderzahl muss jeder einen Teil seiner außergewöhnlichen Belastungen aus eigener Tasche tragen.
Familienstand |
Prozentsatz vom Gesamtbetrag der Einkünfte (Euro)1 |
||
bis 15 340 |
bis 51 130 |
über 51 130 |
|
Steuerzahler ohne Kinder |
|||
Nicht verheiratet |
5 % |
6 % |
7 % |
Verheiratet |
4 % |
5 % |
6 % |
Steuerzahler mit Kindern2 |
|||
Bis zwei Kinder |
2 % |
3 % |
4 % |
Ab drei Kinder |
1 % |
1 % |
2 % |
- 1
- Differenz zwischen Einnahmen und Werbungskosten/Betriebsausgaben vermindert um Altersentlastungsbetrag und Entlastungsbetrag für Alleinerziehende.
- 2
- Kinder, für die 2016 mindestens für einen Monat Anspruch auf Kindergeld bestand.
Steuerzahler zogen wegen Krankheitskosten vor Gericht
Im zugrundeliegenden Streitfall hatte der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau in der gemeinsamen Steuererklärung Krankheitskosten in Höhe von 4 148 Euro als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht. Da der Gesamtbetrag der Einkünfte der Eheleute über 51 130 Euro lag, berechnete das Finanzamt einen Eigenanteil von 4 Prozent (verheiratet, bis 2 Kinder, Gesamtbetrag der Einkünfte über 51 130 Euro). So wirkten sich die Krankheitskosten der Eheleute nach dem Abzug der zumutbaren Belastung – dem Eigenanteil – nur in Höhe von 2 069 Euro steuermindernd aus. Damit waren die Eheleute nicht einverstanden und klagten.
Weniger Steuerlast für klagenden Eheleute
Die obersten Finanzrichter ermittelten die zumutbare Belastung für die Eheleute jetzt neu. Danach erhöhten sich die zu berücksichtigenden Krankheitskosten um 664 Euro. Maßgebend für die Entscheidung der Richter war insbesondere der Wortlaut der Vorschrift, der für die Frage der Anwendung eines bestimmten Prozentsatzes gerade nicht auf den „gesamten Gesamtbetrag der Einkünfte“ abstellt. Vermeiden wollten die Richter zudem Härten, die bei der Berechnung durch die Finanzämter entstehen konnten, wenn eine vorgesehene Stufe nur geringfügig überschritten wurde.
Neues Urteil gilt nicht nur für Krankheitskosten
Die aktuelle Entscheidung des Bundesfinanzhofs betrifft zwar im vorliegenden Fall nur den Abzug außergewöhnlicher Belastungen nach Paragraf 33 Einkommensteuergesetz. Sie kommt aber auch zum Tragen, wenn andere Belastungen als Krankheitskosten geltend gemacht werden. So hat das Urteil weitreichende Bedeutung: Steuerpflichtige werden nun in der Regel früher und in größerem Umfang durch außergewöhnliche Belastungen steuerlich entlastet.
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