
Dr. Josef Mischo, Vorsitzender der Berufsordnungsgremien der Bundesärztekammer. © Carsten Simon photography
Das Verbot ärztlicher Hilfe zur Selbsttötung von Patienten wurde gestrichen. Dr. Josef Mischo, Unfallchirurg aus dem Saarland, erklärt, was das für Ärzte und Patienten bedeutet.
Dr. Mischo, auf dem Ärztetag wurde beschlossen, dass Ärzte berufsrechtlich nicht sanktioniert werden, wenn sie Patienten beim Sterben helfen. Was bedeutet das?
Es bedeutet zunächst Rechtssicherheit für Ärztinnen und Ärzte. In der neuen Berufsordnung setzen wir das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 2020 um. Das Gericht urteilte damals: Jede und jeder hat ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben.
Wie können Ärzte Menschen helfen, die sterben möchten?
Jede Patientin und jeder Patient, der einen Arzt aufsucht, um mit ihm über einen Sterbewunsch zu sprechen, kann davon ausgehen, dass sich der Arzt sorgfältig mit dem Wunsch befasst und berät. Ein vertrauensvolles Gespräch gehört zum Kern ärztlicher Tätigkeit.
Worum geht es in solch einer Beratung?
Es gilt, die Ursache für den Sterbewunsch herauszufinden. Studien belegen, dass suizidale Menschen, die mit dem Leben hadern und keine Hoffnung mehr haben, häufig psychisch leiden. Psychische Erkrankungen sind heute gut zu behandeln.
Welche Behandlungen sind dann möglich?
Bei einer Depression oder einer anderen psychischen Erkrankung helfen oft Medikamente. Viele Betroffene erreichen damit trotz Erkrankung eine vernünftige Lebensqualität.
Was hilft noch?
Psychosoziale Beratungsangebote sind sinnvoll. Ein Therapeut oder eine Ärztin, die mit dem Patienten über dessen Ängste und Zweifel redet, findet vielleicht heraus, dass hinter einem Suizidgedanken die Sorge um eine Erkrankung, ein Schicksalsschlag in der Familie oder finanzielle Nöte stehen. Ein Mensch an der Seite, der Zuversicht gibt, kann Leben retten. Akute Suizidalität vergeht manchmal schon nach Stunden oder wenigen Tagen. Suizidprävention ist ein wichtiger Baustein und soll ausgebaut werden.
Manche Patienten wünschen sich ärztliche Hilfe, weil sie schwerst erkrankt sind und keine Aussicht auf Heilung haben ...
Die Palliativmedizin hat Konzepte und Mittel, schwerst erkrankte Menschen so zu behandeln, dass sie eine Symptomlinderung erfahren. Ein angstfreies Sterben ohne Schmerzen ist in den meisten Fällen möglich.
Dürfen Ärzte Hilfe zum Sterben leisten?
Ja. Beihilfe zum freiverantwortlichen Suizid ist laut Rechtsordnung erlaubt. Patienten, die unter dieser Bedingung einen unabwendbaren Sterbewunsch haben, dürfen Hilfe von Dritten in Anspruch nehmen, auch von Ärzten. Eine Ärztin oder ein Arzt darf zum Beispiel ein tödlich wirkendes Medikament verordnen, das ein Patient selbstständig zu sich nimmt. Strafbar ist eine Hilfeleistung, wenn der Helfende selbst den Tod des anderen herbeiführt oder beschleunigt, etwa ihm ein Medikament verabreicht. Die „Tötung auf Verlangen“ ist nach Paragraf 216 Strafgesetzbuch weiterhin verboten.
Alle Infos zu Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung
Durch Unfall oder Krankheit kann eine Situation eintreten, in der Sie nicht mehr selbst entscheiden können. Mit einer Vorsorgevollmacht regeln Sie, wer für Sie handeln darf. In einer Patientenverfügung legen Sie fest, welche Maßnahmen Ärzte ergreifen sollen. Hier finden Sie die wichtigsten Informationen zum Thema Rechtliche Vorsorge.
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Wenn ich der Meinung bin es geht nicht mehr, dann muss, ich wiederhole dann muss meinem Wunsch bitte entsprochen werden...ohne wenn und aber. Keiner will sterben oder?? aber wenn dann mit Würde
In einem Artikel steht, dass der Arzt mir das tödliche Medikament verschreiben darf, im anderen wird es wieder relativiert, da das Medikament ja nicht zur Heilung beiträgt, sondern den Tod herbeiführt. Wenn das noch nicht mal klar ist, dann noch das Risiko, dass der Arzt zur dunklen Seite der Macht zählt und den Patienten gleich wegsperren lässt, um jeglicher Problematik aus dem Weg zu gehen und seine Patienten-pro-Minute-Rate zu erhöhen, erkennt man erst, wie krank unser Gesundheitssystem ist. Man wird regelrecht in den Suizid gezwungen, obwohl man nichts anderes möchte als in Würde sterben. Sicher sterben, ohne Risiko einer noch schlimmeren Situation durch den kriminalisierten Suizid. Positiv sterben, mit einem Setting, in dem man die Dankbarkeit für ein großteils erfülltes Leben noch angemessen würdigen kann. Bewusst und mit sich selbst im Reinen sterben, weil man weiß, dass man einen Beitrag leisten durfte und nun Platz macht für neues Leben. Unfassbar, dass das verboten ist!
Nein, im Artikel ist nicht erkennbar, dass es *nur* um schwer körperlich Kranke geht, auch wenn nur bei diesen der Hinweis auf das Sterbenlassen an der Krankheit Sinn macht. Im Interview mit Herrn Dr. Mischo geht es auch um Fälle psychisch Kranker.
Beim Unterbringungsbeschluss kann es so laufen, dass der Richter auf das ärztliche Gutachten verweist und der Arzt auf die Entscheidung des Richters. Damit ist keiner mehr verantwortlich.
Die frommen Worte des interviewten Arztes sind völlig realitätsfremd. Sich mit einem Suizidwunsch an einen Arzt zu wenden ist in fast allen Fällen dumm. Am Ende geht es nicht um die Verhinderung des Leids, sondern um die Verhinderung des Suizids, für den der Arzt nicht verantwortlich gemacht werden will. Und es bleibt die Frage, wie der Arzt an der Stelle des Patienten gehandelt hätte. Beratung geht anders.
Ihre Warnung ist grundsätzlich nicht falsch und zutreffend.
ABER: Im Beitrag geht es um Schwerkranke, zumeist Menschen im Endstadium einer nicht mehr länger behandelbaren Krebserkrankung. Hier ist es in der Praxis nahezu ausgeschlossen, dass jemand aufgrund des von ihm geäußerten Wunsches, aus dem Leben zu scheiden, im die Psychiatrie kommt.
Solche Zwangseinweisungen müssen von einem Richter angeordnet werden. Man möge mir den Richter zeigen, der so etwas anordnet. Falls es ihm geben sollte, wird er hoffentlich baldmöglichst aus seinem Amt entfernt.
Auch mit Grundrecht auf Suizid und assistierten Suizid bleibt es dabei: Wer seinem Arzt seinen Suizidwunsch anvertraut, riskiert eine Zwangseinweisung in die geschlossene Psychiatrie. Denn nach wie vor müssen nicht freiverantwortliche Suizide verhindert werden. In der Psychiatrie wird unterstellt, so gut wie jeder Suizidwunsch sei nicht freiverantwortlich. Außerdem wird argumentiert, man könne es ja oft nicht genau wissen (oder will es nicht genau wissen oder nicht wahr haben?) und müsse daher vorsichtshalber den Patienten vor einer irreversiblen Handlung schützen. Was nach einer Zwangseinweisung in der Psychiatrie geschehen kann, kann beim Bundesverband Psychiatrieerfahrener erfragt werden.
Ich finde es unredlich, dass der interviewte Arzt nicht auf dieses Risiko hingewiesen hat.
Auch wenn die für den Suizidwunsch ursächliche Erkrankung behandelbar ist, hat der freiverantwortliche Suizidwillige das Recht, die Behandlung abzulehnen. (BVerfG Urteil Rn. 299)