Mit einer guten Idee können junge Unternehmer eine Menge Geld verdienen. Doch sogenannten Start-ups fällt es schwer, in Deutschland Fuß zu fassen. Investoren sind hierzulande eher risikoscheu – und das nicht ohne Grund. Mehr als die Hälfte aller deutschen Start-ups scheitern. Mit einem kompetenten Team und einer soliden Finanzierung kann es klappen. test.de stellt drei erfolgreiche Unternehmensgründer vor.
Zu dritt losgelegt
Johanna Ludwig steht zwischen gigantischen Metallgerüsten. Sie reichen bis zur Decke der Werkshalle der Technischen Universität Berlin (TU). In den Versuchsanlagen der TU können Flüssigkeiten voneinander getrennt und analysiert werden. Gemeinsam mit Matan Beery hat die Wissenschaftlerin Ludwig 2011 eine Methode entwickelt, die Meer- und Industrieabwasser effektiver reinigt, als es bisher möglich war. Bei der neuen Technologie kommen Keramikmembranen zum Einsatz. „Damit können wir bis zu 90 Prozent der Energie einsparen“, sagt die 27-Jährige. Um das Verfahren marktreif zu machen, holten die beiden Verfahrenstechniker den Betriebswirt Lucas León mit ins Boot. Zu dritt gründeten sie ihre Start-up-Firma Akvola Technologies.
500 000 Euro Starthilfe
Die Entwicklung eines innovativen technischen Verfahrens erfordert eine Menge Zeit und Geld, deshalb kümmerten sich die Jungunternehmer zunächst um die Finanzierung. Eine fünfstellige Summe konnten die Akvola-Gründer aus eigenen Mitteln investieren. Weitere 500 000 Euro Starthilfe bekam das junge Unternehmen aus dem Förderprogramm Exist des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie.
„Bürokratischen Aufwand unterschätzt“
Mit ihrem Startkapital konnten die Gründer zwei Pilotprojekte in Berlin starten: Ihr Reinigungsverfahren wurde im Landwehrkanal und in der künstlichen Unterwasserwelt Aquadom getestet. In der TU Berlin haben die drei Start-up-Unternehmer Räume gemietet. Hier können sie auch Labore und Versuchsanlagen nutzen. „Bisher läuft fast alles nach Plan“, sagt Ludwig. „Nur den bürokratischen Aufwand, den eine Firmengründung nach sich zieht, haben wir unterschätzt.“
Neue Ideen und geplantes Wachstum
Nach Schätzungen des Bundesverbands Deutsche Start-ups gibt es rund 5 000 Start-up-Unternehmen in Deutschland. Der Verband zählt dazu nur Unternehmen, die höchstens zehn Jahre alt sind. Weitere wichtige Merkmale: Den Firmen muss eine innovative Idee zugrunde liegen und sie sollen stark auf Wachstum ausgerichtet sein.
Start-ups wichtiger Wirtschaftsfaktor
Start-ups sind ein wichtiger Wirtschaftsfaktor: Jedes sechste der jungen Unternehmen macht mehr als eine Million Euro Umsatz im Jahr. Die Unternehmensberatung McKinsey geht davon aus, dass Start-ups bis zum Jahr 2020 mehr als 100 000 neue Jobs allein in Berlin schaffen werden.
Investoren scheuen das Risiko
Doch innovative Unternehmer haben es schwer, in Deutschland Fuß zu fassen. „Investoren sind hier ausgesprochen risikoscheu“, sagt Florian Nöll vom Verband Deutsche Startups im Interview mit test.de.
Digitale Wirtschaft hat die meisten Gründer
Rund 90 Prozent aller Start-ups sind in der digitalen Wirtschaft aktiv. Diese Firmen entwickeln Internetseiten, Apps, Online-Plattformen oder Computerspiele. 10 Prozent der Start-ups sind wie Akvola Technologies Hightech-Unternehmen.
Das Team muss stimmen
„Die richtige Mischung an Leuten ist für den Erfolg eines Start-ups ausschlaggebend. Je heterogener das Team zusammengesetzt ist, desto besser“, sagt Florian Uhlig vom Centre for Entrepreneurship der TU Berlin. Er berät Studierende und Absolventen, die sich selbstständig machen wollen. Wenn ein Team mit seiner Idee zu Uhlig kommt, prüft er drei Voraussetzungen: Erstens darf es die Technik noch nicht auf dem Markt geben. Zweitens muss ein Experte, zum Beispiel ein Professor, die fachliche Qualität geprüft haben und von der Idee überzeugt sein. Und drittens darf das Team nicht nur aus Technik- oder IT-Spezialisten bestehen – auch kaufmännische Kenntnisse sind wichtig.
Eine gute Idee verkaufen können
„Das häufigste Manko der Teams ist, dass sie kein Vertriebswissen mitbringen. Aber die beste Idee hilft nichts, wenn man nicht weiß, wie man sie verkaufen soll“, sagt Uhlig.
Ohne Bürokratie kein Geschäft
Die Programmierer Behrang Alavi und Thomas Wittchen gründeten ihre Internet-Agentur Code Alliance mit dem Wirtschaftswissenschaftler Fabian Schumacher. Der 34-Jährige ist ein guter Freund der beiden und bei dem Start-up für den „großen Berg an Formalien“ zuständig. Während Alavi und Wittchen mit drei angestellten IT-Fachleuten Webanwendungen programmieren und die Kunden zu Internetsicherheit beraten, kümmert sich Schumacher unter anderem um den Schriftverkehr mit Berufsgenossenschaft, Finanz- und Gewerbeamt.
Abstimmung mit Anwalt, Notar und Steuerberater
„Gerade die Anmeldung als GmbH & Co. KG war aufwendig. Die Abstimmung mit Anwalt, Notar und Steuerberater war sehr intensiv und hat einige Monate gedauert“, sagt der Projektmanager. Er sorgt auch dafür, dass wichtige Versicherungen wie die spezielle IT-Haftpflicht abgeschlossen und die Sozialleistungen für die Angestellten abgeführt werden.
Gründung im Nebenberuf
Zu Beginn ihrer Selbstständigkeit arbeiteten Alavi und Wittchen als freiberufliche Programmierer. Dadurch konnten sie Kunden und Aufträge in das neu gegründete Unternehmen einbringen. „Der Anfang war deshalb vergleichsweise risikoarm“, sagt Schumacher. Als sich die Agentur mit Büro- räumen in Berlin-Pankow und neuen Mitarbeitern vergrößern sollte, hat er einen fünfstelligen Betrag in die Firma investiert.
Zweiter Job führt zu Konflikten
Der 34-Jährige arbeitet noch immer im Hauptberuf beim Internetauktionshaus Ebay. Das garantiert ihm finanzielle Unabhängigkeit – für immer fest angestellt bleiben möchte er dennoch nicht. Wegen seiner beiden Jobs kommt es mitunter zu Konflikten, da Schumacher selten im Büro ist. Die Kommunikation läuft stark über E-Mails. „Wir versuchen inzwischen, kritische Themen nicht mehr per E-Mail zu klären, sondern persönlich“, sagt er.
Staatshilfe für Start-ups
Jetzt, drei Jahre nach der Gründung, wollen die Unternehmer weiter wachsen und zum ersten Mal Fremdkapital aufnehmen. Mit der Investitionsbank Berlin (IBB) sind sie wegen eines Mikrokredits für spezielle Technik und Büroeinrichtung im Gespräch. Diese Förderbank des Landes Berlin unterstützt gezielt kleine und mittlere Berliner Unternehmen in der Gründungs- und Wachstumsphase. Auf Bundesebene nimmt die Aufgabe die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) wahr, in anderen Bundesländern die jeweilige Förderbank des Landes. Ein weiteres Angebot der IBB besteht darin, das Gehalt eines neuen Mitarbeiters für ein Jahr zu bezuschussen (Programm Innovationsassistent). Diese Möglichkeit wollen Schumacher und seine Kollegen ebenfalls wahrnehmen.
Aufwendige Technik zahlt der Bund
Eine Anfangsfinanzierung aus eigenen Mitteln ist bei Geschäftsmodellen im Servicebereich realistisch. „Bei einem aufwendigen Projekt wie der Wasseraufbereitungsanlage von Akvola wäre das nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt TU-Berater Uhlig. „Da muss der Bund einspringen, um Starthilfe zu leisten.“ Für sogenannte technologieorientierte und wissensbasierte Start-ups stellt das Wirtschaftsministerium Geld durch das Programm Exist bereit. Studierende oder Absolventen können sich über ihre Hochschule oder Forschungseinrichtung für das Gründerstipendium oder den Forschungstransfer von Exist bewerben.
Früh um Weiterfinanzierung kümmern
Meist ist es bei Start-ups mit einer einzigen Finanzierungsrunde nicht getan. Spätestens ein halbes Jahr, bevor die aktuelle Finanzierung ausläuft, sollten sich Gründer um die Anschlussfinanzierung kümmern. „Wenn ein Start-up nicht am Team scheitert, dann an der Finanzierung“, sagt TU-Berater Florian Uhlig.
Business Angels bieten unternehmerisches Know-how an
Um das Scheitern zu verhindern, organisiert er regelmäßig Gelegenheiten zum Netzwerken. Jungunternehmer treffen so auf potenzielle Investoren – wie Vertreter von Venture Capital Fonds, aber auch sogenannte Business Angels. Diese investieren ihr Privatvermögen in junge Start-ups und bieten ihr unternehmerisches Know-how an. Meistens stammen solche Investoren aus der Branche und spekulieren auf hohe Renditen für ihr Geld.
Kontakte nutzen
Wer nicht durch eine Institution wie die Technische Universität Berlin in die Netzwerke der Geldgeber eingebunden ist, muss auf eigene Kontakte zurückgreifen. Das haben Holger Seim und seine Team-Kollegen bei der Gründung des Start-ups Blinkist getan. Die Geschäftsidee stand: Eine Smartphone-App bietet kurze Zusammenfassungen von Sachbüchern. In nur 15 Minuten können sich Interessierte zum Beispiel über die Theorien des Physikers Stephen Hawking informieren. Das kaufmännische Wissen brachten die beiden Betriebswirtschaftler des Gründungsteams mit. Was ihnen fehlte, war das Geld, um die App zu programmieren und die Inhalte zu erstellen. Deshalb sind die Blinkist-Gründer von Anfang an den Weg über private Investoren gegangen.
Netzwerken für die Finanzierung
Holger Seim arbeitete früher für die Telekom. „Über den Job kannte ich auch Mitarbeiter des Inkubators Hubraum, das Start-ups unterstützt“, sagt er. Bei einem Mittagessen konnte er die Entscheider des Förderprogramms für seine Idee gewinnen. Außerdem warben die Jungunternehmer Geld von einer Gruppe Business Angels ein. „Ohne persönliche Kontakte hätten wir das nie geschafft“, sagt der 30-Jährige. Insgesamt kamen 400 000 Euro zusammen, von denen das Gründerteam das Büro in Berlin-Kreuzberg und die Angestellten für die nächsten eineinhalb Jahre bezahlte.
Möglichst schnell profitabel sein
Ende 2013 hatte Blinkist etwa 1 000 Abo-Kunden. Mit einer Anschlussfinanzierung im siebenstelligen Bereich von zwei Venture Capital Fonds konnten die Gründer im englischsprachigen Markt expandieren. Inzwischen ist die Zahl der Abo-Kunden auf 12 000 gestiegen. „Voraussichtlich sind wir Ende des Jahres profitabel. Dann brauchen wir keine Anschlussfinanzierung mehr“, sagt Seim.
Gründerfonds investieren in Start-ups
Das Akvola-Team um Johanna Ludwig will in diesem Jahr die neue Reinigungsanlage auf den Markt bringen. Dazu haben die Gründer im Anschluss an die Exist-Förderung ein weiteres Mal Eigenkapital investiert und einen sechsstelligen Betrag vom High-Tech Gründerfonds erhalten. Der Gründerfonds wird hauptsächlich aus Bundesmitteln finanziert und ähnelt einem Venture Capital Fonds. Das heißt: Der Fonds investiert Geld in Start-ups und erhält dafür Unternehmensanteile. Geht das Start-up pleite, ist das Geld weg. Läuft es gut, ist der Gewinn sehr hoch. Diese Art der Beteiligung nennt man auch Wagnis- oder Risikokapital.
Risikokapital hat seine Tücken
Wer sein Start-up mit Risikokapital finanziert, sammelt keine Schulden an. Aber das Unternehmen gehört dann nicht mehr den Gründern. Von Seims Start-up gingen mehr als 50 Prozent der Anteile an die Investoren. TU-Berater Uhlig empfiehlt, erst einmal nach Alternativen Ausschau zu halten und die Möglichkeiten von Förderprogrammen wie Exist oder von Zuschüssen durch Förderbanken zu prüfen. „Das ist geschenktes Geld, was Sie da bekommen“, sagt er.
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Kommentar vom Administrator gelöscht. Grund: Schleichwerbung
Es gibt in den Bundesländern Förderprogramme. Z.B. in BaWü den Exi-Gründungsgutschein. Einfach bei den Handwerkskammern o. IHK nachfragen.
So ist es leider. Ich sag nur "Scheinselbstständigkeit". Wer da Erfahrungen in der Selbstständigkeit sammeln will, bringt ganz schnell seinen Auftraggeber in die Strafbarkeit und sich selbst bringt er unter Umständen um sehr viel Geld. Schließlich weiß ein Politiker ja sehr viel besser, was gut für einen selber ist, gell.
"Zu Beginn ihrer Selbstständigkeit arbeiteten Alavi und Wittchen als freiberufliche Programmierer."
Da haben die beiden noch Glück gehabt. Im Unternehmer und Selbständigen "freundlichen" Deutschland wird sowas bald der Vergangenheit angehören:
http://www.vgsd.de/scheinselbstaendigkeit/