
Wer eine Fremdsprache lernen will, bindet sich oft für längere Zeit an eine Sprachschule. Einen vorzeitigen Ausstieg akzeptieren Schulen in der Regel nicht. Eine vorzeitige Kündigung aus wichtigem Grund ist aber möglich, wenn ein Festhalten am Vertrag „unzumutbar“ ist. test.de spricht mit Rechtsanwalt Michael Fischer aus Berlin über die rechtlichen Möglichkeiten, aus einem Sprachschulvertrag herauszukommen.
test.de: Herr Fischer, in einem aktuellen Fall konnte eine Kursteilnehmerin des Wall Street Instituts – einer überregionalen Privatschule für Fremdsprachen – vorzeitig aus dem Vertrag aussteigen. Sie muss das ausstehende Entgelt von 2 300 Euro für einen neunmonatigen „AYCL-All you can learn“ – Englischsprachkurs nicht zahlen. Wie kam es dazu?
Michael Fischer: Die Teilnehmerin hat am ersten Kurstag erfahren, dass der Englischunterricht nicht in dem Umfang in Kleingruppen stattfindet, wie sie es erwartet hatte. Eine Wall Street Mitarbeiterin hatte in einem Verkaufsgespräch vor Vertragsabschluss gesagt, der Lernfortschritt werde in einem Kurs durch Kleingruppenunterricht mit Muttersprachlern intensiviert. Deshalb ging die Teilnehmerin davon aus, dass sie viel Kleingruppenunterricht haben würde. Am ersten Kurstag erfuhr die Teilnehmerin, dass sie sich erst nach einer erfolgreichen Lerneinheit am PC für den Kleingruppenunterricht anmelden könne. Als sie auch noch hörte, dass der Kleingruppenunterricht nur einmal in der Woche stattfinden sollte, wollte sie sofort aus dem Vertrag heraus. Eine gütliche Einigung mit der Sprachschule war leider nicht möglich. Das Institut verklagte die Teilnehmerin auf Zahlung der Kursgebühr für die gesamte Laufzeit.
test.de: Das Gericht gab der Kursteilnehmerin Recht. Welchen Kündigungsgrund hat das Gericht akzeptiert?
Michael Fischer: Die Teilnehmerin durfte aus „wichtigem Grund“ kündigen. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 314 Absatz 1 Satz 2 BGB) liegt ein wichtiger Grund vor, wenn die Fortsetzung des Vertragsverhältnis unter Berücksichtigung alle Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung beiderseitigen Interessen bis zur Beendigung nicht zugemutet werden kann. Die Richter haben im aktuellen Fall bestätigt, dass die Kursteilnehmerin davon ausgehen konnte, dass Kleingruppenstunden einen wesentlichen Anteil des Unterrichts ausmachen und nicht nur einmal in der Woche stattfinden. Deshalb war ihr ein Festhalten am Vertrag nicht zumutbar.
test.de: Spielte der Kurspreis eine Rolle?
Michael Fischer: Das Amtsgericht, vor dem die Klage zunächst verhandelt wurde, hat ausgeführt, dass der WSI-Vertrag auslegungsbedürftig ist und die Teilnehmerin die Schlussfolgerung ziehen durfte, dass – wie in anderen Sprachschulen üblich – Unterricht durch Lehrer stattfindet. Dafür spreche auch der im Vergleich zu anderen Anbietern hohe Schulpreis von 2 700 Euro (ohne Gutschein) für neun Monate Sprachunterricht. Allein das zur Verfügung stellen von PCs mit entsprechenden Lernprogrammen sowie gelegentliche Wartung der Technik könne diesen Preis nicht rechtfertigen. Es seien vielmehr die Lehrer, die ausreichend vergütet werden müssen und den Preis einer Sprachschule in der Hauptsache ausmachen.
test.de: Was können Betroffene tun, wenn eine Kündigung nicht möglich ist?
Michael Fischer: Im vorliegenden Fall hat das Landgericht auch bestätigt, dass die Teilnehmerin den Vertrag nach § 119 Absatz 2 BGB hätte anfechten können. Wer sich wegen der Eigenschaft einer Sache irrt, die wesentlich ist, darf „anfechten“ und muss rechtlich so gestellt werden, als wäre der Vertrag nicht geschlossen worden. Die Anzahl von Gruppenstunden und die Anzahl von Schülern pro Lehrern sei als wertbildendes Merkmal und damit als verkehrswesentliche Eigenschaft eines Sprachkurses anzusehen. Genau über diese Anzahl und den Umfang des Gruppenunterrichts irrte sich die Teilnehmerin. Wegen des intensiven Kleingruppenunterrichts mit Muttersprachlern hatte sie ja den Kurs gebucht.
test.de: Gibt es weitere Argumente, die im Verfahren eine Rolle spielten?
Michael Fischer: Das Gericht hat auch ausgeführt, dass ein Kurstitel „All You Can Learn“ den Eindruck vermittelt, dass ein Teilnehmer – ähnlich wie bei einer Flatrate – innerhalb der Laufzeit beliebig viele Lerneinheiten und auch Gruppenkurse besuchen kann. Die Sprachschule argumentierte, im Vertrag sei die Anzahl der Stunden doch gar nicht benannt. Deswegen sei das Institut auch gar nicht verpflichtet, eine bestimmte Anzahl von Stunden anzubieten. Das sah das Gericht aber anders. Wer einen so teuren Kurs anbietet, muss auch die übliche Leistung anbieten und kann sich nicht auf seine eigenen Vertragsbedingungen berufen, die darüber keine Auskunft geben.
test.de: Welcher Unterschied besteht zwischen einer Kündigung und einer Anfechtung?
Michael Fischer: Vereinfacht gesagt: Eine Kündigung wirkt für die Zukunft und die Anfechtung rückwirkend. Wer einen Sprachkursvertrag aus wichtigem Grund wirksam kündigt, muss das Kursentgelt ab dem Zeitpunkt, zu dem die Kündigung wirksam wird, nicht zahlen. Bei der Anfechtung gilt der Vertrag als nicht zustande gekommen. Dann können Teilnehmer eines Sprachkurses auch bereits gezahltes Geld zurückbekommen.
test.de: Sind Fristen zu beachten?
Michael Fischer: Für beides gibt es Fristen. Für die Kündigung gilt eine Zwei-Wochen-Frist ab Kenntnis aller Gründe für die Kündigung. Eine Anfechtung muss unverzüglich erfolgen. Die Obergrenze für eine Anfechtung ist in der Regel ebenfalls eine Frist von zwei Wochen. Wann eine Frist im konkreten Fall beginnt, kann zweifelhaft sein. Im Einzelfall ist es am besten, sich rechtlich beraten zu lassen.
test.de: Heißt das, wer die Zwei-Wochen-Frist verpasst, hat keine Chance, aus einem Vertrag herauszukommen?
Michael Fischer: Nein, denn das Recht auf vertragsgemäße Erfüllung haben Kursteilnehmer immer. So können sie beispielsweise darauf bestehen, dass sie die Leistung erhalten, die ihnen versprochen wurde. Außerdem kann es zweifelhaft sein, wann eine Frist beginnt. Es ist manchmal schwierig zu beurteilen, ob und zu welchem Zeitpunkt alle Kündigungsgründe bekannt sind. Darüber hinaus gilt bei Täuschung eine Kündigungsfrist von einem Jahr.
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Ich habe letztes Jahr einen 3-monatigen Kurs in Teilzeit beim Center in Karlsruhe absolviert. Natürlich ist der Preis für einen Kurs auf den 1. Blick sehr hoch, aber ich habe gerne gelernt und die Aufgaben gründlich erledigt. Am Ende der 3 Monate konnte ich über den Bullat-Test meinen tatsächlichen Wissensstand prüfen lassen. Das Ergebnis war wirklich überraschend gut. Das motiviert!! Ich lese auch jetzt noch Bücher und kann zu bestimmten Zeiten kostenfrei an den angebotenen Social-Clubs im Center teilnehmen, um meine Sprachfertigkeiten und mein Hörverständnis weiter zu entwickeln. Ich habe über die Qualifikation mit einem Berater der Arbeitsargentur gesprochen, der die Qualität der Ausbildung im Vergleich zu anderen Mitbewerbern als hervorragend und nachhaltig erklärt hat. Ich verstehe sehr gut, dass der Preis der Ausbildung für die meisten jungen Menschen ohne Hilfe nicht bezahlbar ist. Wenn man aber wirklich vor hat die Sprache beruflich zu nutzen, dann lohnt sich die Investition!
Bei meinem ersten Beratungstermin in Berlin wurde mir mit einem unglaublich positiven Verkaufstalent das Produkt angeboten. Wenn ich gleich einen Vertrag abschließe, dann spare ich 250€! Ich habe mich dann ebenfalls einlullen lassen und habe den Vertrag unterschrieben. Wirklich in Ruhe lesen konnte man den Vertrag nicht, denn es wurde ständig noch irgendwas dazu erklärt und mitnehmen und in Ruhe lesen, ging überhaupt nicht. Da ich aber unbedingt an meinem Englisch arbeiten wollte, habe ich unterschrieben. Als ich aus dem Institute herauskam, hatte ich ein schlechtes Bauchgefühl, ob das gerade so gut war, da es immerhin um 2700€!! Als ich dann im Nachgang versucht habe, den Vertrag zu widerrufen, hat man mir nur gesagt, dass man mir entgegenkommen kann, indem wir den Beginn des Vertrages verschieben. Ich wollte aber nicht verschieben, sondern widerrufen! Aber Widerruf ist nicht vorgesehen und Kündigung auch nicht. Ich bin wahnsinnig sauer und hoffe, dass das Niemandem passiert!!
Kommentar vom Autor gelöscht.
Diese Firma betreibt Abzocke in hohem Maße. Bin vor 2 Tagen zu dem Wall Street Englisch in Stuttgart gegangen zur Beratung. Der Berater und ich haben uns unterhalten, habe den Test durchgeführt und mir wurde der Vertrag für das 12-monatige AYCL-Paket vor die Nase gelegt. Ich konnte mir nicht mal den Vertrag durchlesen, da mir Druck gemacht wurde, dass ich unterschreiben soll. Leider wurde ich so eingelullt, das ich es tat. Auf dem Nachhauseweg ist mir mit der Zeit klargeworden, dass ich auf eine Masche hereingefallen bin. Habe auch prompt nach 1 Std. angerufen, dass ich aus dem Vertrag zurücktreten möchte und da hieß es, dass der Rücktritt bei Weiterbildungen ausgeschlossen ist. Stinksauer habe ich am selben Tag der Zentrale in München den Rücktritt per Fax geschickt und am nächsten Tag angerufen. Da hieß es, die Zentrale kann nicht entscheiden, sondern die "Filiale". Heute habe ich den Anruf bekommen, dass der Rücktritt abgelehnt wird. Sauerei! Weitere Infos gerne auf Anfrage.
Ich habe im Jahr 2013 einen Kurs auf der Stufe "Threshold" mitgemacht, weil ich für das Telefonmarketing "meiner" Firma mein aktives Englisch verbessern wollte.
Ich betrat also die WSE-Filiale in der Eppendorfer Landstraße (Hamburg), und ließ mich gleich nach dem Betreten zu einem Verkaufsgespräch überreden und einen ca. 2300,- € teuren "Threshold" andrehen!!!
Der Kurs enthielt Lerneinheiten am Computer, in denen so aus dem Leben gegriffene Themen wie Sehenswürdigkeiten in Südamerika oder Agentenstories behandelt wurden, und Übungen, die weit unter meinem Niveau lagen. Die Computerlernerei war nach einiger Zeit nur noch stumpfsinnig und ermüdend. Aber so richtig ärgerlich waren für mich die - seltenen - Encounter, in denen unsere Hausaufgaben "korrigiert" wurden: Die "Korrektur" bestand darin, dass der Filialleiter sein Kürzel unter die vorgelegte Hausafgabe setzte, ohne sie sich überhaupt durchzulesen!!!
Weitere Informationen?
E-Mail an verratenundverkauft@aol.com