
Ob Teddy von Steiff, Puppe von Fisher Price, Brio-Eisenbahn oder Pittiplatsch – fast alle Spielzeuge enthalten Schadstoffe. Dazu bringen kleine verschluckbare Teile Kinder in Gefahr.
Eltern haben es nicht einfach, wenn sie für Hannah oder Leonie, Paul oder Luca auf Geschenkesuche gehen. Die Spielzeugwelt ist nicht nur doppelt so bunt und groß wie noch vor 20 Jahren – es ist auch erschreckend wenig Verlass auf sie. Der Test von 50 Spielzeugen für Kinder unter drei Jahren zeigt: Ausgerechnet die Kleinsten, die alles in den Mund nehmen und ablutschen, kommen beim Spielen mit einer Vielzahl von Schadstoffen in Kontakt.
Lissi und Trotto sind gefährlich

Gerissenes Kleinteil: Die Zunge der Schlange von Plan Toys kann leicht verschluckt werden.
Gerissenes Kleinteil: Die Zunge der Schlange von Plan Toys kann leicht verschluckt werden.
Ob Holzpuzzle, Puppe, Plüschtier oder Traktor: Über 80 Prozent der Produkte im Test sind mit gesundheitsgefährdenden Schadstoffen belastet, zwei Drittel sogar stark oder sehr stark. Schlimmer noch: Fünf Spielzeuge setzen die Kinder beim Spielen einer direkten Gefahr aus, darunter der grüne Nachziehdrache von Eichhorn, die bunte Ziehschlange von Plan Toys, das Schiebepferd Trotto und die Babypuppe Lissi. Bei ihnen lösen sich Einzelteile, die Kinder leicht verschlucken können: Mal ist es eine Zunge, mal ein Paar Lederohren, eine Kugel oder ein Klettverschluss.
Auch teure Marken nicht sicher

Die Zugprüfung: Kleinteile dürfen sich bei einer bestimmten Zugkraft nicht ablösen.
Die Zugprüfung: Kleinteile dürfen sich bei einer bestimmten Zugkraft nicht ablösen.
Dabei muss Spielzeug auch turbulente Aktionen überstehen. Die Spielzeugnormen machen genaue Vorgaben: Reiß- und biegefest muss es sein, Schwermetalle dürfen sich nicht aus Farben herauslösen, beim Fallen darf es nicht zersplittern. Eine böse Überraschung, dass ausgerechnet Markenware jene Routineprüfungen nicht besteht. Zwar haben wir auch Puzzle und Puppen von Billigketten wie kik oder Tedi getestet, der Großteil aber ist Spielzeug gestandener Markenhersteller wie Brio, Eichhorn, Fisher Price, Nici, Selecta, sigikid und Steiff.
Affe brennt, Hase mit Weichmacher
Zu schnell in Flammen: der Affe von sigikid
Auch der so gemütlich wirkende Plüschaffe von sigikid (siehe Foto) erweist sich als unsicherer Gefährte: Nach einem kurzen Kontakt mit einer Flamme brannte er sofort lichterloh. Bei Plüschtieren dürfen sich Flammen pro Sekunde nicht mehr als drei Zentimeter ausbreiten. Besser noch: Die Flammen gehen wieder aus, wie bei gut der Hälfte der Plüschtiere im Test. Schutz vor dem Feuer soll hier der Plüsch selbst bieten, nicht etwa Flammschutzmittel. Einige dieser Mittel stehen unter Krebsverdacht und sind verboten.
Ein weiteres Plüschtier, das nicht verkauft werden dürfte, ist der Hase von Tedi. Er enthielt den verbotenen Weichmacher DEHP, der fortpflanzungsschädigend wirken kann. Dazu war er mit polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen belastet, in den Ohren steckte Blei. Auch anderswo machten wir kritische Funde wie Nickel, zinnorganische Verbindungen sowie das weniger bekannte Nonylphenol.
Kein Holzspielzeug ist schadstofffrei
Ausgerechnet Holzspielzeug ist stark mit Schadstoffen belastet, und das obwohl es als gute Alternative zu Plastik gilt. Keines der Holzspielzeuge im Test ist völlig schadstofffrei. So fanden wir etwa in der Eisenbahn von Brio Flammschutzmittel (siehe Foto), polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe und Nickel. Auch in der Lok von Thomas & Friends wiesen die Tester hohe Mengen Nickel nach. Sie lagen über dem Grenzwert für Produkte, mit denen Menschen direkten, längeren Hautkontakt haben. Die Puzzle von kik und Selecta enthalten viel Formaldehyd. Es kann aus dem Sperrholzkleber ausdünsten und ist möglicherweise krebserzeugend.
Grenzwerte sind meist viel zu hoch

Aufgeschnittener Teddy: Zur Schadstoffanalyse wird das Plüschtier in seine Materialien zerlegt.
Aufgeschnittener Teddy: Zur Schadstoffanalyse wird das Plüschtier in seine Materialien zerlegt.
Während Sicherheitsmängel wie verschluckbare Kleinteile ein Kind sofort in Gefahr bringen, entfalten Schadstoffe ihre Wirkung oft erst langfristig. Viele stehen unter Verdacht, Krebs zu erzeugen, die Fortpflanzungsfähigkeit oder das Erbgut zu schädigen (siehe Kritische Funde). Das Gesundheitsrisiko ist umso höher, je mehr ein Schadstoff austritt. Das Kind kann ihn dann einatmen oder hat direkten Haut- oder Mundkontakt damit.
Doch nicht alle Schadstoffe sind bisher per Gesetz geregelt. Und jetzige Regelungen beziehen sich oft weder auf Spielzeug noch auf Kleinkinder, die Grenzwerte sind also meist viel zu hoch. Deswegen haben wir in vielen Fällen strenger bewertet.
Wie der Rauch von 40 Zigaretten
So auch bei den polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen, kurz PAK. Diese komplexe Schadstoffgruppe gelangt über Weichmacheröle, Farbmischungen und Lacke ins Spielzeug. Die Prüfer wiesen PAK in 34 Spielsachen nach, darunter in fast allen Plüschtieren und elf Holzspielzeugen. Meist liegen die PAK-Gehalte zwischen 1 und 10 Milligramm, darunter auch krebserzeugende Vertreter wie Benzo(a)pyren oder Chrysen. Da die Wirkung vieler PAK noch unbekannt ist, sollte ihr Vorkommen weitmöglich begrenzt werden. Die Spielzeugrichtlinie geht jedoch einen anderen Weg. Ab 2013 will sie bis zu 1 000 Milligramm PAK pro Kilogramm Spielzeug zulassen, für Benzo(a)pyren 100 Milligramm.
Wäre ein Spielzeug mit dieser Menge belastet, würden Kinder bereits bei einstündigem Hautkontakt deutlich mehr krebserzeugendes Benzo(a)pyren aufnehmen, als im Rauch von 40 Zigaretten steckt, wie Berechnungen des Bundesinstituts für Risikobewertung zeigen. Ganz klar: Die Richtlinie muss schnellstmöglich nachgebessert werden. Bisher orientiert sie sich am Chemikalienrecht, nicht am sensiblen Organismus eines Kindes. Das Bundesinstitut für Risikobewertung setzt sich auf EU-Ebene dafür ein, dass bisher bekannte krebserzeugende PAK in Verbraucherprodukten 0,2 Milligramm je Kilogramm nicht übersteigen. Das GS-Zeichen für geprüfte Sicherheit verlangt bei Spielzeug für Kleinkinder für 16 weitverbreitete PAK denselben Grenzwert. Wir haben danach bewertet. Letztlich hielt knapp jedes dritte getestete Spielzeug diesen Wert ein.
Made in China bleibt ein Risiko
Über die Hälfte der Spielzeuge im Test kommt aus China. Der Ruf des produktionsstarken Landes hat arg gelitten, nachdem 2007 millionenfach Spielzeug aus China zurückgerufen wurde. Viel gebessert hat sich seitdem nicht: Bis heute tauchen im Rapex-Report, dem EU-Schnellwarnsystem für gefährliche Waren, Spielsachen an erster Stelle auf. Allein 2009 gingen über 470 Meldungen nur zu Spielzeug ein.
Worauf können Eltern achten? Das CE-Zeichen bietet keine Sicherheit, alle 50 Produkte haben es getragen. Zwei davon, das Schiebepferd Trotto und der Affe von sigikid, waren trotz unabhängiger Prüfzeichen wie GS und TÜV Süd nicht sicher genug. Dennoch ist Spielzeug mit solchen Prüfzeichen zu bevorzugen: Anders als bei CE war eine unabhängige Prüfstelle im Spiel.
Mehr Sicherheit, bitte
Spielzeug wird nur sicherer werden, wenn die Hersteller mehr Verantwortung tragen. Wenn sie ihren Lieferanten genaue Vorgaben machen und sie verstärkt kontrollieren. Wenn sie aufhören, sich nur am lückenhaften Gesetz festzuhalten, sondern aktiv nach alternativen, unkritischen Stoffen suchen. Böse Funde gäbe es dann wohl nicht mehr – nicht im Teddy Victor, nicht in der Prinzessin von Fisher Price und auch nicht in der Eisenbahn von Brio.