Wieder einmal soll eine neuartige Kameratechnologie das Fotografieren revolutionieren. Die Light L16 für 2050 Euro schießt ihre Fotos nicht mit einer einzelnen Optik, sondern mit einer Anordnung von 16 Linsen und Sensoren. Was das bringen soll? Der Anbieter macht große Versprechungen. Im Test erfüllt die L16 die Erwartungen nicht. Unser Produktfinder Kameras zeigt bessere und günstigere Geräte.
Die Kamera wirkt wie ein Sci-Fi-Artefakt
Dass man für seine 2 050 Euro eine ganz besondere Kamera bekommt, sieht man der L16 auf den ersten Blick an: Wo ein konventioneller Fotoapparat eine einzelne, große Linse hat, verfügt dieses Modell über 16 kleinere Optiken – jede mit eigenem Objektiv und Bildsensor. Diese Optiken haben unterschiedliche Brennweiten und sind in einem unregelmäßigen Muster auf der Frontseite angeordnet. Das verleiht der Kamera ein interessantes, fremdartig-futuristisches Äußeres – wie ein Artefakt aus einem Science-Fiction-Film. Drückt der Nutzer den Auslöseknopf, lösen mehrere dieser 16 Einzelkameras zugleich aus – laut Anbieter sind es je nach Zoom-Stufe stets mindestens zehn. Das Kamerabild wird dann digital aus diesen Einzelbildern errechnet.
Anbieter verspricht Wunderdinge

Der Nutzer kann im Nachhinein festlegen, ob der Vordergrund (links) oder der Hintergrund (rechts) scharf sein soll. © Stiftung Warentest

Diese Technik soll zahlreiche Vorteile bieten: Die Kamera macht nicht einfach ein zweidimensionales Bild, sondern erfasst auch die räumliche Tiefe. So lassen sich beim resultierenden Bild die Schärfentiefe und der Fokuspunkt nachträglich festlegen. Damit bleibt der Fotograf flexibler: Im Moment des Fotografierens kann er sich auf andere Aspekte der Bildkomposition konzentrieren. Darin ähnelt die L16 der Lytro-Kamera, die wir vor sechs Jahren im Schnelltest hatten. Mit ihrer Lichtfeldtechnik erreichte sie schon damals einen ähnlichen Effekt. Qualitativ überzeugten ihre Bilder jedoch nicht, die Lytro war nicht viel mehr als ein technisch anspruchsvolles Gimmick. Da verspricht L16-Anbieter Light auf seiner Website deutlich mehr: Seine Kamera soll einen außergewöhnlich großen Kontrastumfang bieten und „unglaublich hoch auflösende“ Bilder mit „beeindruckenden Details, realistischen Farben und deutlich weniger Rauschen“ liefern.
Schweres Gerät, riesige Dateien

Um die Bilder in einem gängigen Format zu erhalten, muss man sie zunächst in die Spezialsoftware „Lumen“ laden. © Stiftung Warentest

Der Anbieter rühmt die L16 auch als leicht und kompakt. Stattdessen ist sie mit fast 450 Gramm Gewicht und über 16 Zentimeter ein ziemlich unhandlicher „Klopper“. In ausgeschaltetem Zustand braucht die Kamera rund 40 Sekunden, um hochzufahren. Das Fotografieren selbst geht dann zwar schnell von der Hand. Doch danach wird es kompliziert: Bevor man die Bilder in einem gängigen Format wie DNG weiterbearbeiten oder im JPG-Format mit anderen teilen kann, muss man zunächst die Rohdaten von der Kamera in die PC-Software „Lumen“ laden. Diese Dateien sind riesig: Ein einziges Bild braucht mehr als 150 Megabyte Speicher! In der Spezialsoftware lassen sich dann grundlegende Parameter wie die Schärfentiefe, der Fokuspunkt oder auch die Belichtungskorrektur einstellen. Erst von dort kann man das Bild dann in einem gängigen Format exportieren.
Bildqualität nur mittelmäßig

Bildvergleich: Der gleiche Ausschnitt einer Testtafel einmal mit der Light L16 (oben) und einmal mit der Panasonic Lumix DMC-LX15 für etwa 550 Euro aufgenommen. Das Bild der L16 ist vergleichsweise unscharf, verrauscht und rotstichig. © Stiftung Warentest

Die nachträgliche Fokussierung funktioniert ganz gut. Gelegentlich entstehen dabei allerdings seltsame digitale Artefakte an Motivkanten. Und insgesamt ist die Bildqualität enttäuschend: Wo der Anbieter besonders detailreiche, farbechte und rauscharme Fotos verspricht, kommen stattdessen eher matschige, flaue, oft farbstichige und deutlich verrauschte Bilder zustande. Mit einer guten Systemkamera kann die L16 in Sachen Bildqualität nicht mithalten. Selbst manche Kompaktkamera liefert bessere Ergebnisse – für einen Bruchteil des Kaufpreises (siehe Bildvergleich mit der Panasonic Lumix DMC-LX15 oben). Die meisten Fotografen werden angesichts dieses Preisunterschieds wohl bereit sein, weiterhin schon beim Knipsen zu entscheiden, welchen Bildteil sie scharf stellen wollen.
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Fazit: Wieder nur ein teures Gimmick
In vieler Hinsicht erinnert die L16 an die Lytro-Kamera von vor sechs Jahren: Sie demonstriert eine spannende neue Technik, doch als Ersatz für eine konventionelle Kamera für den Alltagseinsatz scheint sie wenig attraktiv. Dafür ist der Preis zu hoch, die Handhabung zu schwerfällig und die Bildqualität nicht gut genug. Die zugrunde liegende Technik mag zukunftsträchtig sein, doch derzeit liefert die traditionelle 2D-Fotografie klassischer Digitalkameras die überzeugenderen Ergebnisse.
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Mir fielen vor allem die merkwürdigen Artefakte und künstlichen Übergänge zwischen verschiedenen Bilddetails auf. Für die professionelle Bildbearbeitung gibt es weitaus besseres Ausgangsmaterial, genau wie Sie schreiben. Und wer in höchster Qualität fotografieren möchte, benutzt ohnehin digitales Großformat. Aber in 5-15 Jahren könnte das durchaus ein interessantes Produkt werden. Dummerweise (oder zum Glück?) sind Canon und derzeit Sony mit ihren Sensoren und Algorithmen dem Wettbewerb immer so weit voraus, dass Nischenanbieter wie Sigma Photo und auch Leica oder eben "Light" usw. niemals Land sehen, ihre Ergebnisse sind einfach immer deutlich schlechter im A/B Vergleich.