
Mit Hebelprodukten können Anleger Gewinne vervielfachen, aber auch Riesensummen verlieren. Wir zeigen die Fallstricke.
Spekulieren kann so cool sein. Da erscheint bei einem Live-Tennismatch im Sportkanal Eurosport unvermittelt ein Werbespot von „Etoro“. Kenner wissen, das ist eine Plattform für spekulative Börsengeschäfte. Ob das allen Zuschauern so klar ist? Das Filmchen lässt eher an eine besonders einfache Form der Geldanlage denken.
Genau da liegt die Gefahr. Spekulative Geldanlagen sind keine Spielerei für nebenbei, sondern allenfalls eine Option für erfahrene und sehr risikobereite Anleger.
Unser Rat
Eignung. Spekulieren Sie nur mit Geld, das Sie entbehren können. Vor allem bei Knock-out-Zertifikaten, Optionsscheinen und ähnlichen Produkten (Glossar) ist das Risiko eines Totalverlustes sehr hoch.
Spekulation. Hebelprodukte eignen sich nur für kurze Anlagezeiträume. Selbst für Hebel-ETF (Tabelle Nur für kurze Anlagedauer geeignet) sollten Sie nicht mehr als ein paar Monate einplanen, denn ihre längerfristige Wertentwicklung ist unberechenbar.
Absicherung. Mit Hebelprodukten, die von fallenden Kursen profitieren, können Sie kurzzeitig Ihr Wertpapierdepot teilweise absichern. Im Falle eines Börsencrashs würden die Verluste abgefedert. Wenn Sie eine ausgewogene, Ihren Risikowünschen entsprechende Depotmischung haben, können Sie sich diese Maßnahme allerdings sparen.
Mit dem Hebel steigt das Risiko
Wo verläuft die Grenze zwischen Geldanlage und Spekulation? Ein wesentlicher Aspekt ist der Zeithorizont. Mit einer weltweit gestreuten Aktienanlage, etwa einem ETF auf den MSCI World, setzen Anleger auf die langfristige Entwicklung zahlreicher Börsenunternehmen. Kurzfristige Kursschwankungen sind ihnen egal.
Der Spekulant dagegen will am Hin und Her der Märkte verdienen. Damit sich das lohnt, bedient er sich oft sogenannter Hebel und vervielfacht die Wirkung des eingesetzten Geldes. Wer mit dreifachem Hebel auf den Aktienindex Dax wettet, kann ein Kursplus von 2 Prozent in einen 6-prozentigen Gewinn verwandeln – wenn seine Wette aufgeht.
Solche Anleger haben allerdings ein enormes Risiko, das mit größer werdendem Hebel steigt. Bei manchen Spekulationsgeschäften beschränkt es sich nicht auf den eingesetzten Geldbetrag. Dann muss der Kunde, wenn er sich verzockt hat, Geld aus seinem Privatvermögen nachschießen und kann schlimmstenfalls Hab und Gut verlieren.
Deshalb hat die Finanzaufsichtsbehörde Bafin den Vertrieb von CFDs (Contracts for Difference) mit Nachschusspflicht verboten. Auch eine andere Hebelvariante, sogenannte binäre Optionen, dürfen Anlegern nicht mehr verkauft werden (CFDs mit Nachschusspflicht und binäre Optionen).
Ersatz gibt es reichlich. Wer für sein Wertpapierdepot die höchste Risikostufe hat, kann über seine Bank zum Beispiel Optionsscheine, Knock-out-Zertifikate oder Hebel-ETF kaufen und auf die Entwicklung von Aktien, Indizes, Rohstoffen oder Währungen wetten – wahlweise auf steigende (Long-Produkte) oder fallende Kurse (Short-Produkte).
Nur mit Spielgeld einsteigen
Hebelprodukte sind sehr riskant und nur etwas für Anleger, die den Verlust des eingesetzten Geldes wegstecken können. Bei einem Knock-out-Zertifikat kann das ruckzuck passieren: Wird die festgelegte Knock-out-Schwelle durchbrochen, erlischt das Zertifikat und der Anleger ist in der Regel seinen Einsatz los. Je größer der Hebel, desto näher liegt die Knock-out-Schwelle am aktuellen Kurs des Basiswerts.
Beispiel: Bei einem Knock-out-Zertifikat, das mit einem extremen Hebel von 65 auf steigende Dax-Kurse setzt, ist der Knock-out greifbar nah: Der Dax muss nur von 12 750 auf 12 600 Punkte fallen. Ein Zertifikat mit einem Hebel von zwei würde erst verfallen, wenn der Dax auf etwa 6 500 Punkte abstürzte.
Das Angebot an Knock-out-Zertifikaten ist unüberschaubar, große Anbieter haben Zigtausend Varianten. Einen umfangreichen Knock-out-Produkte-Finder bietet unter anderen die Stuttgarter Börse (euwax.de).
Hebel-ETF mit Sondervermögen
Knock-out-Zertifikate, Optionsscheine und andere Hebelprodukte sind Schuldverschreibungen. Falls die Bank, die das Produkt herausgibt, pleitegeht, können Anleger ihren Einsatz selbst dann verlieren, wenn sich das Zertifikat prächtig entwickelt hat.
Eine Ausnahme bilden nur Hebel-ETF. Wie bei allen börsengehandelten Indexfonds (ETF) steht im Hintergrund ein Sondervermögen, das vor dem Zugriff von Gläubigern geschützt ist. Hebel-ETF sind selbstverständlich viel riskanter als herkömmliche ETF, aber ein vollständiger Kapitalverlust ist eher unwahrscheinlich.
Kein Verlass auf festen Hebel
In der Tabelle Nur für kurze Anlagedauer geeignet haben wir in Deutschland gehandelte Hebel-ETF auf bekannte Indizes zusammengefasst. Anleger können damit ganz nach Wunsch auf steigende oder fallende Märkte wetten. Alle aufgeführten ETF haben einen zweifachen Hebel, aber bringen langfristig kaum die doppelte Wertentwicklung. Das liegt vor allem daran, dass der Hebel fest ist und ununterbrochen angewendet wird.
Nur wenn ein Index über längere Zeit stetig nach oben oder unten läuft, sind Anleger mit einem Hebel-ETF gut bedient. Doch wann ist das an den Börsen schon mal der Fall? Häufiger entwickeln sich die Märkte in wilden Zick-Zack-Mustern „seitwärts“.
Wenn ein Index nach sechs schwankungsreichen Wochen wieder zu seinem Ausgangswert zurückkehrt, ist eigentlich nicht viel passiert. Beim Hebel-ETF können derartige Schwankungen dagegen deutliche Kursverluste mit sich bringen.
Die Wirkung von Hebel-ETF ist unberechenbar
Der LevDax-ETF von Lyxor mit zweifacher Hebelwirkung funktionierte nur auf Fünfjahressicht einigermaßen so, wie sich Anleger das vorstellen. Die genaue Hebelwirkung ist nicht vorhersehbar. Auf Zehnjahressicht erzielten Anleger mit der gehebelten Variante sogar ein schlechteres Ergebnis als mit einem normalen Dax-ETF. Das lag vor allem an der Finanzkrise im Jahr 2008. Der Börsenabsturz hatte den zweifach gehebelten ETF so weit nach unten gerissen, dass er die Verluste erst 2015 aufholte.

Quelle: Thomson Reuters, eigene Berechnungen. Stand: 30. April 2018
Ob long, ob short, das Geld ist fort
Das gleiche Problem wie bei Hebel-ETF gibt es bei gehebelten ETC (Exchange Traded Commodities). Anleger setzen damit auf die Preisentwicklung von Rohstoffen, zum Beispiel Gold, Silber oder Rohöl. Die Variante ohne Hebel ist okay, aber gehebelte ETC brachten auf längere Sicht oft horrende Verluste. So verloren zwei- bis vierfach gehebelte Silber-ETC in den vergangenen fünf Jahren zwischen 66 und 97 Prozent. Der Silberpreis ging aus Euro-Sicht nur um etwa 18 Prozent nach unten.
Ein gefundenes Fressen für Short-Wetten auf einen fallenden Silberpreis? Auch das ging gründlich schief. Ein zweifach gehebelter Silber-ETC liegt nach fünf Jahren mit etwa 8 Prozent im Minus, ein vierfach gehebelter sogar mit fast 80 Prozent. Nur mit einem Silber-Short-ETC ohne Hebel konnten Anleger knapp 15 Prozent verdienen.
Zur Absicherung bedingt geeignet
Hebelprodukte dienen vor allem der Börsenspekulation. Man kann sie aber auch zur Absicherung eines Wertpapierdepots einsetzen. Für Normalanleger mit breit gestreuten Depots ist das unnötig. Sie können Kursrückschläge aussitzen, selbst ein Börsencrash ist keine Katastrophe.
Zielgruppe für eine Absicherung sind eher Anleger, die hohe Summen in Aktien und Fonds investiert haben und das Marktgeschehen ständig beobachten. Manche wünschen sich ein Sicherheitsnetz, zum Beispiel wenn sie für längere Zeit in den Urlaub fahren.
Zwar könnten sie einen Teil der Aktien und Fonds veräußern oder sie mit Stop-Loss-Aufträgen versehen. Dann würden die Papiere beim Unterschreiten bestimmter Kurse verkauft. Beide Varianten sind nicht verlockend.
Eine Alternative ist ein Hebelprodukt, das von fallenden Kursen profitiert. Der Anleger lässt seinen Depotbestand unberührt und schafft durch den Zukauf ein Gegengewicht. Wenn seine Aktien und Fonds an Wert verlieren, sorgt der Kursgewinn des Hebelprodukts für einen gewissen Ausgleich.
Es wäre zu teuer, das Depotvermögen komplett zu versichern. Aber besorgte Anleger können erreichen, dass ein Börsencrash sie nicht voll treffen würde. Für eine kurze Anlagedauer kommt ein Short-Hebel-ETF (Tabelle Nur für kurze Anlagedauer geeignet), aber auch ein Short-Knock-out-Zertifikat infrage. Solche Produkte sollten aber nicht dauerhaft im Depot bleiben.
Auf lange Sicht machen sich die Kosten stärker bemerkbar. Hebel-ETF sind mit 0,3 bis 0,7 Prozent pro Jahr relativ günstig. Bei anderen Hebelprodukten müssen Anleger oft mit mehr als 3 Prozent pro Jahr rechnen.