
Gutes Sonnenblumenöl muss nicht teuer sein. Geschmacksneutral und reich an Vitamin E hat das Allzwecköl seinen Platz in jeder Küche verdient.
Einer der letzten warmen Septembertage, ein Feld im brandenburgischen Oderbruch kurz vor der polnischen Grenze: Vor einigen Wochen standen hier die Sonnenblumen in schönster Blüte. Jetzt sind sie fast schwarz. „Wenn die Berliner hier rauskommen, fragen sie, warum wir die Sonnenblumen vertrocknen lassen. Aber erst dann sind sie erntereif“, sagt Enrico Krüger, Chef der Agrargenossenschaft Oderbruch Zechin.

Reifeprüfung. Erst wenn Sonnenblumen fast schwarz sind, werden sie geerntet.

Ernte. Der Mähdrescher drischt die Kerne auf dem Feld aus den Blütenkörben.
Weniger als 9 Prozent Feuchtigkeit hat er heute Mittag in den Pflanzen gemessen. Morgens, als der Tau über dem Feld hing, waren sie noch zu feucht. Jetzt steigt Staub hinter dem brummenden Mähdrescher auf. Vorn schneidet er die Blumen etwa einen Meter über dem Boden ab. Über eine Förderschnecke gelangen sie ins Innere des Ackergeräts, wo die Sonnenblumenkerne in einer Dreschtrommel aus den Köpfen gelöst und in den Korntank befördert werden. Die Genossenschaft verkauft sie an einen Händler, der sie reinigt, eventuell nachtrocknet, bis zu einem Jahr lagert und dann an eine Ölmühle oder Speiseölraffinerie liefert. Dort entsteht je nach Herstellungsverfahren (siehe „kaltgepresstes Öl“ und „raffiniertes Öl“) ein fast farbloses oder gelbes Öl.
Für die kalte und warme Küche
Etwa jedes vierte verkaufte Speiseöl in Deutschland ist ein Sonnenblumenöl. Damit liegt es leicht vor Oliven- und Rapsöl sowie einfach als Pflanzenöl angebotenen Produkten. Als praktisches Allzwecköl eignet es sich für die warme und kalte Küche: für Salatdressings, zum Backen und Dünsten. Auch zum Braten, wie es auf vielen Flaschen steht? Der Test zeigt: Nur 6 der 28 geprüften Sonnenblumenöle haben gute Brateigenschaften. Generell eignen sich Raps- und Olivenöl besser für die Pfanne. Die beiden sind auch für eine gesunde Ernährung im Vorteil. Das liegt an ihrer FettsäurezusammensetzungAber auch Sonnenblumenöl hat seine Stärken. So punktet es mit deutlich mehr Vitamin E. Die beliebte raffinierte Variante kostet zudem wenig und schmeckt neutral. Es gibt also viele Gründe, neben Raps- und Olivenöl ein gutes Sonnenblumenöl in der Küche zu haben.
Native Öle mit sensorischen Fehlern

Kaltpressung. Ölmühlen gewinnen das Öl mechanisch mit Schneckenpressen.
Die Auswahl ist groß: 13 der 28 Testkandidaten schneiden gut ab – vor allem raffinierte, günstige Öle. Bei den kaltgepressten, die im Vergleich fast alle deutlich teurer sind, stellten die Tester sehr viel häufiger Fehler beim Verkosten fest. Typisch für sie ist ein deutlich nussiges, kerniges Aroma. Fünf hatten aber einen leicht schalig-modrigen, holzigen oder verbrannten Geruch und Geschmack und sie waren unausgewogen. Ursache dafür kann ein Qualitätsmangel bei den Sonnenblumenkernen sein. Im Vergleich zu raffinierten Ölen macht sich die Güte der Rohstoffe bei nichtraffinierten in der Qualität des Öls noch bemerkbar. Der Grund: Natives Öl wird nach dem Kaltpressen nicht weiter bearbeitet. Aromafehler, die etwa durch zu feucht geerntete oder gelagerte Kerne entstehen, lassen sich nicht korrigieren. Einfach gesagt, bedeutet „nativ“ unverändert, naturbelassen.
Vitaquell ranzig und schlierig
Es gibt einige Öle im Test, die laut Etikett zwar kalt gepresst, aber nicht nativ sind – darunter auch das mit 8,50 Euro pro Liter teure Vitaquell Bio-Sonnenblumenöl. Auf der Flasche steht, dass es mild gedämpft, schonend mit Wasserdampf behandelt ist. Dabei wird ein Teil der Geschmacksstoffe entzogen, um es milder schmecken zu lassen. Aber: Das Öl riecht und schmeckt stark ranzig, oxidiert und alt. Es ist nicht klar, sondern schlierig. Auch chemisch zeigt es bereits durch Luftsauerstoff verursachte oxidative Veränderungen – obwohl es noch bis Mai nächsten Jahres haltbar sein soll. All das brachte ihm die Note mangelhaft ein.
Basic-Bioöl mit Transfettsäuren
Leicht ranzig und oxidiert schmeckte auch das raffinierte Basic-Bio-Sonnenblumenöl. Das war nicht sein einziges Manko: Es hatte die meisten ungesunden Transfettsäuren. Sie erhöhen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. In nativen Ölen kommen sie kaum vor, können sich aber bei hohen Raffinationstemperaturen bilden.
Schadstoffe aus der Raffination
Bei der Raffination können auch Schadstoffe entstehen: an Fettsäuren gebundenes 3-Monochlorpropandiol, kurz 3-MCPD, und Glycidylester. Die Wirkung dieser Verbindungen im menschlichen Körper ist nicht abschließend geklärt. Wissenschaftler gehen davon aus, dass bei der Verdauung „möglicherweise krebserregendes“ 3-MCPD und „wahrscheinlich krebserregendes“ Glycidol frei werden. Für freies 3-MCPD haben sich Experten international auf eine tolerierbare Aufnahmemenge von 2 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag verständigt. Für Glycidol gibt es so einen Wert nicht. Die Hersteller sind aufgerufen, die Belastung in Lebensmitteln so niedrig wie möglich zu halten.
Bei allen raffinierten Ölen im Test wiesen wir diese Schadstoffe nach. Im Basic-Öl war die Belastung mit Glycidol besonders hoch. Frisan von Norma hatte den höchsten Gehalt an 3-MCPD: Mit 40 Gramm dieses Öls, das sind vier Esslöffel, schöpft man die tolerierbare Aufnahmemenge pro Tag für 3-MCPD zu etwa 50 Prozent aus. Da es auch in anderen raffinierten Ölen und Fetten sowie damit hergestellten Produkten steckt, ist eine Gesundheitsgefährdung langfristig nicht auszuschließen.
Keine Weichmacher, aber Mineralöle
Die gute Nachricht: Weichmacher, Lösemittel, Schwermetalle und Arsen fanden die Prüfer nicht. Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) und Pestizide haben die Hersteller im Griff. In einigen Ölen wiesen die Tester aber Mineralöle nach – den höchsten Gehalt im nativen Bio-Sonnenblumenöl der VPV (Vereinigte Pflanzenöl Vertriebsgesellschaft). Mineralöle belasten als Verbrennungsprodukte fossiler Brennstoffe die Umwelt. Aber es ist noch nicht abschließend geklärt, ab welcher Menge die Aufnahme gesundheitsschädlich ist.
Rapsöl eignet sich besser zum Braten

Dünne Flaschen. An Verpackungsmaterial zu sparen, hat Grenzen. Diese Flasche ist instabil, reißt, Öl läuft aus.
Verglichen mit Rapsöl eignet sich Sonnenblumenöl weniger gut zum Braten: Es spritzt mehr und ist instabiler bei Hitze. Auch bei dieser Öluntersuchung haben wir alle Öle einem Härtetest unterzogen – unabhängig von den angegebenen Verwendungsempfehlungen. Wir erhitzten sie über einen längeren Zeitraum und analysierten danach bestimmte unerwünschte Abbauprodukte. Im Sonnenblumenöl entstehen davon mehr als im Rapsöl, weil es einen höheren Gehalt an mehrfach ungesättigten Fettsäuren hat. Diese bewirken, dass sich beim wiederholten Frittieren mit demselben Öl zunehmend Oxidationsprodukte bilden, die sich negativ auf den Geschmack auswirken können. Zudem kann es zu harzartigen, braunen Ablagerungen an Heizstäben und Wänden der Fritteuse kommen.
Zum Frittieren geeignet ist das ölsäurereiche Bioöl der Teutoburger Ölmühle – vorausgesetzt, der für native Sonnenblumenöle typische Geschmack passt zur Speise. Es erwies sich als hitzestabilstes Öl und spritzte wenig beim Hackfleischbraten.
Rapsöl verliert im Vitamin-E-Vergleich

Schutz vor Licht. Lichtkontakt kann Öle schneller ranzig werden lassen. Dunkle Flaschen schützen besser als helle.
Das Bioöl der Teutoburger Ölmühle gehört auch zu denen im Test, die besonders gut mit Vitamin E versorgen. Die kaltgepressten Sonnenblumenöle enthalten im Schnitt etwas mehr davon als die raffinierten. Aber auch die bieten im Vergleich zu Raps- und Olivenöl viel mehr Vitamin E
Vitamin E ist ein wichtiges Antioxidans: Es schützt das Öl vor Verderb durch Sauerstoff. Beim Menschen wirkt es Gefäßablagerungen entgegen. Es verhindert Zellschäden durch freie Radikale – instabile Sauerstoffverbindungen, die als Mitverursacher von Krebserkrankungen, Demenz und Falten gelten. Je nach Geschlecht und Alter sollte jeder Erwachsene 11 bis 15 Milligramm Vitamin E pro Tag aufnehmen. Diese Mengen erreichen fast die Hälfte aller deutschen Männer und Frauen nicht. Ein echter Mangel an Vitamin E ist das noch nicht, aber ein Grund, es im Blick zu behalten. Studien zeigen, dass dies insbesondere für Ein- bis Zwölfjährige und Pflegeheimbewohner gilt. Sonnenblumenöl kann einen wichtigen Beitrag für eine ausreichende Versorgung leisten.
Deutsche Sonnenblumen sind rar
Nur wenige Anbieter geben auf der Flasche an, woher ihre Kerne kommen: bei Alnatura und Bio Planète aus Frankreich, bei Kunella Feinkost und Rapunzel aus Deutschland. Die meisten Anbieter verarbeiten Saat verschiedener Herkünfte. Häufig nannten sie uns neben Deutschland süd- und südosteuropäische Länder, die Ukraine, Russland und Argentinien.
Sonnenblumen mögen es warm, feucht von April bis Juni, aber trocken vor der Ernte im Herbst – so ist es bei uns nicht immer. Wenige deutsche Landwirte bauen Sonnenblumen an. Die Agrargenossenschaft im Oderbruch wird sie im nächsten Jahr wohl nicht mehr säen. Der aktuelle Ertrag ist zu gering. „Im Vergleich zu Raps mit höheren Erträgen und Erzeugerpreisen lohnt sich der Sonnenblumenanbau nicht mehr“, bedauert Genossenschaftschef Krüger. Er mag die gelben Köpfe im Landschaftsbild.