
Deutsche Einheit. Die Skulptur „Balanceakt“ von Stephan Balkenhol erinnert in Berlin an Wiedervereinigung und Mauerfall. © picture alliance / SZ Photo / Olaf Schülke
Seit 2021 ist ein Großteil der Steuerpflichtigen vom Soli befreit. Vor allem die übrigen Zahlenden fragen sich, ob die Steuer noch in Einklang mit der Verfassung steht.
Der Solidaritätszuschlag sorgt seit Jahren immer wieder für Diskussionen und Streit. Seit seiner Einführung gab es diverse Veränderungen und Gerichtsurteile zum Soli, zuletzt Anfang 2023 eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs. Dieser hält die Abgabe in der aktuellen Form für noch verfassungskonform. Aber die grundsätzliche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, ob der Solidaritätszuschlag seit 2007 verfassungsgemäß ist (Az. 2 BvL 6/14), steht noch aus. Steuerbescheide erhalten an dem Punkt seit Jahren einen Vorläufigkeitsvermerk. Die Stiftung Warentest fasst die Entwicklung der letzten Jahre zusammen und gibt einen Überblick über den aktuellen Stand.
Was ist der Solidaritätszuschlag?
Der Solidaritätszuschlag ist eine Ergänzungsabgabe, die zusätzlich zur Einkommenssteuer und Körperschaftssteuer anfällt. Seit 1998 beträgt der Solidaritätszuschlag 5,5 Prozent der jeweiligen Steuer. Er sollte ursprünglich vor allem die Wiedervereinigung finanzieren. Mehr als 30 Jahre später sind mehr als 90 Prozent der Bürgerinnen und Bürger von der Zusatzabgabe befreit. Für alle mit einer Einkommenssteuer über 17 543 Euro – bei zusammenveranlagten Ehepaaren 35 086 Euro – bleibt die Abgabe allerdings erhalten. Auch Kapitalanlegerinnen und -anleger müssen den Solidaritätszuschlag weiterhin unvermindert auf die Kapitalertragssteuer etwa für Zinseinkünfte leisten. Diese Ungleichbehandlung führte neuerdings wieder zu vermehrtem Streit mit dem Finanzamt. Doch der Bundesfinanzhof hält den Solidaritätszuschlag bislang für verfassungsgemäß: Noch sei die „Generationenaufgabe“ der Wiedervereinigung nicht abgeschlossen und die Zusatzsteuer deshalb angemessen.
Blick zurück: Warum es den Soli brauchte
Der Solidaritätszuschlag wurde zunächst 1991 für ein Jahr eingeführt und ab 1995 unbefristet erhoben, um die Mehrkosten der Wiedervereinigung aufzufangen. Seitdem zahlten Bürgerinnen und Bürger in den neuen und den alten Bundesländern die Zusatzabgabe. Davon blieben nur diejenigen verschont, deren Einkommenssteuer maximal 972 Euro betrug (bei Zusammenveranlagung 1 944 Euro).
2021 hob der Staat diesen Freibetrag deutlich an. Davon profitieren vor allem Gering- und Mittelverdienende. Laut Bundesfinanzministerium entlastet das Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags etwa 90 Prozent aller Steuerzahlenden.
Wo das Geld hingeht
Der Name Solidaritätszuschlag deutet darauf hin, dass das Geld solidarisch verteilt wird, um einen bestimmten „aufgabenbezogenen Mehrbedarf“ zu decken. Zunächst Zweiter Golfkrieg, später die Kosten der deutschen Einheit – diese Zwecke nannten die Gesetzesbegründungen. Dennoch fließt das Geld nicht automatisch in neue Straßen, Schulen und andere Projekte in den ostdeutschen Bundesländern. Der Soli ist – wie alle Steuereinnahmen – nicht zweckgebunden, sondern die Einnahmen fließen in die allgemeine Haushaltskasse des Bundes. Dieser kann die Soli-Mittel also auch anderweitig verwenden.
Eine spezielle Finanzspritze für die ostdeutschen Bundesländer begründeten dagegen die Solidarpakte. Sie wurden geschlossen, um gleichwertige Lebensverhältnisse in Ost und West zu schaffen. Zu den Maßnahmen der Solidarpakte gehörten vor allem Transferleistungen im Rahmen des Länderfinanzausgleichs. Der Solidarpakt II lief 2019 aus.
So wird der Soli berechnet
- 1991 und 1992: Bei seiner ersten Einführung betrug der Soli 7,5 Prozent pro Jahr der Einkommen- beziehungsweise Körperschaftssteuer. Mit der Zusatzabgabe sollte das Geld wieder reingeholt werden, das Deutschland zum Zweiten Golfkrieg beigesteuert hatte: knapp 17 Milliarden D-Mark. Da der Soli 1991 und 1992 jeweils für sechs Monate galt, wurden in beiden Jahren 3,75 Prozent erhoben.
- 1995 bis 1997: Drei Jahre später griff der Staat den Solidaritätszuschlag wieder auf, diesmal als Instrument zur Finanzierung der deutschen Einheit. Auch dafür wurde der Soli mit 7,5 Prozent veranschlagt.
- Seit 1998: Ab 1998 reduzierte sich die Zusatzabgabe zur Einkommens- und Körperschaftssteuer auf 5,5 Prozent.
Wer den Soli zahlt
Bis einschließlich 2020 wurden Steuerzahlende zur Kasse gebeten, sobald ihre Einkommenssteuer mehr als 972 Euro oder bei Zusammenveranlagung mehr als 1 944 Euro betrug.
Seit 2021 zahlen nur noch Spitzenverdienende den Soli. Die Zusatzabgabe wurde erst erhoben, wenn die Einkommenssteuer bei mehr als 16 956 Euro im Jahr lag oder bei Zusammenveranlagung bei mehr als 33 912 Euro. Das waren alle mit einem Jahreseinkommen von rund 63 000 Euro (Ehepaare etwa 125 000 Euro). Laut Angaben des Bundesfinanzministeriums waren noch etwa 10 Prozent der Steuerpflichtigen von der Abgabe betroffen. Im Jahr vor der Regeländerung spülte der Soli noch rund 19 Milliarden Euro in den Bundeshaushalt. Mit der Anhebung des Freibetrags standen dem Bund ab 2021 noch etwa 11 Milliarden jährlich durch den Solidaritätszuschlag zur Verfügung.
2023 wurde der Freibetrag erneut angepasst, um die Inflation abzufedern: Nun erhebt der Staat den Solidaritätszuschlag erst, wenn die zu zahlende Einkommenssteuer 17 543 Euro übersteigt. Das entspricht einem zu versteuernden Einkommen von 65 516 Euro im Jahr. Diese Beträge verdoppeln sich bei Ehepaaren.
Weiterhin unverändert zahlen Kapitalanlegerinnen und -anleger den Solidaritätszuschlag. Die Banken führen den fälligen Betrag zusammen mit der Abgeltungssteuer an das Finanzamt ab, bevor sie Kapitalerträge auszahlen.
Warum ist der Soli umstritten?
Darf eine Ergänzungsabgabe, die für einen bestimmten Zweck eingeführt wurde, unbefristet sein und für andere Bedarfe verwendet werden? An diesen Fragen entzünden sich die meisten Diskussionen um den Solidaritätszuschlag. Diese gehen so weit, dass regelmäßig die Verfassungsmäßigkeit der Zusatzsteuer infrage gestellt wird. Immer wieder müssen Gerichte entscheiden, ob der Soli im Einklang mit der Verfassung steht oder nicht.
Der Soli steht regelmäßig vor Gericht
So hatte bereits 2006 der Bund der Steuerzahler das Bundesverfassungsgericht angerufen. Auch das niedersächsische Finanzgericht hält den Solidaritätszuschlag für verfassungswidrig: Ein langfristiger finanzieller Bedarf dürfe nach Ansicht der Richterinnen und Richter nicht durch eine Ergänzungsabgabe ausgeglichen werden (Niedersächsisches Finanzgericht, Az. 7 K 143/08). Sie reichten die Klage 2009 an das Bundesverfassungsgericht weiter. Das Verfahren mit dem Aktenzeichen 2 BvL 6/14 ist seit Februar 2014 anhängig und bis heute nicht entschieden.
Die Gründe für die Klage erklärte der Pressesprecher des niedersächsischen Finanzgerichts, Thomas Keß, Finanztest schon in einem Interview im Jahr 2015: „Nach Ansicht der Richter ist der seit 1995 geltende 5,5-prozentige Aufschlag auf die Einkommenssteuer nur für Notlagen vorgesehen und damit zeitlich begrenzt. Außerdem verstoße der Soli gegen den Gleichheitsgrundsatz.“
Bundesfinanzhof hält Abgabe noch für verfassungsgemäß
Auch der Bundesfinanzhof – das oberste deutsche Gericht für Steuersachen – hält den Soli bislang für verfassungsgemäß. Das entschieden die Richterinnen und Richter bereits etwa für die Steuerjahre 2005, 2007 und 2011. Auch Anfang 2023 beschäftigte sich der BFH erneut mit dem Solidaritätszuschlag. Dabei entschied das Gericht, dass der Soli auch in den Jahren 2020 und 2021 noch verfassungsgemäß war, obwohl in diese Zeit die Gesetzesänderung gefallen war, seit welcher nur noch Besserverdienende zur Kasse gebeten werden (Az. IX R 15/20).
Geklagt hatte ein Ehepaar, weil der Solidaritätszuschlag ihrer Ansicht nach für diese Jahre gegen das Grundgesetz verstoße. Der Bund dürfe die Ergänzungsabgabe nur erheben, um einen Sonderbedarf zu decken. Eine fortdauernde Erhebung sei verfassungswidrig. Da die Ausnahmesituation der Wiedervereinigung bewältigt sei, gehöre die Zusatzsteuer abgeschafft. Das sah das Gericht anders: Es erkenne weiterhin einen wiedervereinigungsbedingten Finanzbedarf. Diese „Generationenaufgabe“ zu bewältigen, könne sich über einen sehr langen Zeitraum ziehen. Andererseits merkten die Richterinnen und Richter an, dass die Verfassungsmäßigkeit wegfallen könnte, sollte der Bedarf zurückgehen. Der Soli eigne sich nicht, dauerhafte Finanzlöcher zu stopfen. Der Zank um den Soli wird sich also weiter ziehen.
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