Verstößt der Solidaritätszuschlag, den alle Steuerzahler leisten müssen, gegen die Verfassung? Ja, sagt der 7. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts, und hat die Frage dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Im Interview mit Finanztest erklärt Pressesprecher Thomas Keß die Hintergründe.
Niedersächsische Richter heben Steuerbescheid auf
Um welche Entscheidung geht es?
Keß: Der 7. Senat hat unter der Vorsitzenden Richterin Georgia Gascard die Vollziehung eines Bescheides über den Solidaritätszuschlag für das Jahr 2012 aufgehoben. Das heißt, dass der Kläger seinen in 2012 gezahlten Solidaritätszuschlag vorläufig vom Finanzamt zurückbekommt.
Warum muss das Finanzamt den Solidaritätszuschlag zurückzahlen?
Keß: Der 7. Senat hält den Zuschlag für verfassungswidrig und hat ihn bereits im Jahr 2013 in einem anderen Verfahren dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt. Eine nach Überzeugung eines Gerichts verfassungswidrige Steuer brauche der Bürger nicht zu zahlen.
Solidaritätszuschlag nur für Notlagen vorgesehen
Wieso soll der Solidaritätszuschlag verfassungswidrig sein?
Keß: Nach Ansicht der Richter ist der seit 1995 geltende 5,5-prozentige Aufschlag auf die Einkommensteuer nur für „Notlagen“ vorgesehen und damit zeitlich begrenzt. Außerdem verstoße der Soli gegen den Gleichheitsgrundsatz.
Können Finanzrichter über die Verfassungsmäßigkeit entscheiden?
Keß: Über die Verfassungsmäßigkeit des Soli kann letztlich nur das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Es muss sich mit dieser Frage aufgrund der Vorlage des 7. Senats befassen (BVerfG, Az. 2 BvL 6/14).
Bundesverfassungsgericht soll entscheiden
Bekommt jetzt jeder Bürger seinen gezahlten Soli zurück?
Keß: Nein. Der Soli wird jedenfalls bis zu einer Entscheidung des Verfassungsgerichts von den Finanzämtern weiter normal erhoben. Wer ihn partout nicht zahlen möchte, kann auf eigenes Risiko versuchen, das erst beim Finanzamt, dann beim Finanzgericht durchzusetzen. Sollte das Verfassungsgericht den Soli allerdings für verfassungsgemäß erachten, muss der ausgesetzte Betrag zuzüglich 6 Prozent Zinsen nachgezahlt werden.
Wann wird mit einer Entscheidung des Verfassungsgerichts gerechnet?
Keß: Nach unseren Informationen in diesem Jahr eher nicht mehr. Wir werden frühestens im nächsten Jahr Näheres erfahren.
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