Interview: „Kinder genießen das Allmachtsgefühl“
Wolfgang Bergmann, selbst Vater, zum Thema Kindersoftware
test: Sollte man Kindern erlauben, am PC zu spielen?
Bergmann: Grundsätzlich ist nichts dagegen zu sagen. Immerhin müssen sie ihren Kopf so viel mehr anstrengen als beim Fernsehen. Eltern sollten aber ein Auge auf das Spiel und ihr Kind haben.
test: Welche Fähigkeiten trainieren Computerspiele?
Bergmann: PC-Spiele fördern die kognitive Intelligenz: Beim Flug über das „Traumschloss“ wechselt das Kind die Perspektive, beim Ritterturnier lernt es schnell zu reagieren. Und um eine Aufgabe zu lösen, muss es sich oft mitten im Spiel plötzlich an einen Gegenstand aus dem Spielablauf erinnern, ihn aus dem Zusammenhang isolieren und neu einordnen.
test: Faszinieren sie Kinder deshalb so?
Bergmann: Kinder ab 7 Jahren genießen in erster Linie das Allmachtsgefühl im PC-Spiel: Sie sind der Retter, können Welten entstehen lassen und zerstören. Ihr „Ich“ steht im Zentrum der virtuellen Welt, durch ihre Funktionsgeschicklichkeit beherrschen sie diese.
test: Klingt irgendwie gefährlich.
Bergmann: Im PC-Spiel ist das Kognitive, anders als im Leben, nicht an soziale oder Körper-Erfahrungen gebunden. Trainiert wird intellektuelle Funktionstüchtigkeit, emotionale Intelligenz fällt fast ganz aus. Das ist ein Problem. Meist kann ein Kind, das auch in der realen Welt spielt und Kontakt mit Kindern hat, damit gut umgehen. Hat es aber Lernprobleme oder Schwierigkeiten mit anderen, flüchtet es sich gern in die virtuelle Welt.
test: Was sind die Alarmsignale?
Bergmann: Wenn das Selbstbild meines Kindes irreale übersteigerte Züge annimmt, es sich etwa für den tollsten Torwart hält, obwohl es keinen Ball hält. Oder wenn ich es nur noch erreiche, indem ich es nach seinem neuesten Computerspiel frage. Dann sollten Eltern Rat bei Erziehungsberatungsstellen suchen.
test: Was kann ich tun, um vorzubeugen?
Bergmann: Mich vor dem Kauf über das Spiel informieren, meinem Kind auch mal dabei über die Schulter schauen. Und: ein Zeitlimit vorgeben.
test: Wie lange dürfen 8-Jährige spielen?
Bergmann: 6 Stunden in der Woche. So können sie sich die Zeit frei einteilen. Denn 30 Minuten sind schnell vorbei, wenn ein größeres Spielszenarium aufzubauen ist. Wer sie als Tageslimit vorschreibt, zwingt sein Kind zu „Ballerspielen“, die schnell installiert sind und kurzzeitigen Erfolg bringen.