Smart TV und Daten­schutz Was der Fernseher heimlich sendet

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Smart TV und Daten­schutz - Was der Fernseher heimlich sendet

Was passiert im Hintergrund, wenn ich diese App ansteuere? Meist wird der Nutzer darüber im Unklaren gelassen. © Fotolia / A. Mattiacci

Gut jeder zweite Fernseher ist fit fürs Internet. Und viele Zuschauer nutzen die Smart-Funk­tionen ihres Fernsehers auch: Sie sehen über die Mediatheken der Sender fern, rufen Video­clips ab und nutzen Online-Video­theken wie Netflix & Co. Doch wo „Smart“ drauf­steht, gehen immer auch Daten raus. Schon 2014 bemängelten unsere Prüfer unnötigen Daten­verkehr und fehlende Trans­parenz für den Nutzer. Hat sich seitdem etwas verbessert? Unser Nachtest zeigt es.

Smart ist in

Wie der Branchen­verband gfu im Juli 2016 mitteilte, ist mehr als die Hälfte der Fernseher fit fürs Internet. In fast jedem dritten Haushalt nutzen die Zuschauer die Smart-Funk­tionen ihres Fernsehers tatsäch­lich auch: Sie sehen vor allem über die Mediatheken der Sender fern, rufen aber auch Video­clips ab und und nutzen Online-Video­theken. Doch dabei fällt auch Daten­verkehr an.

Daten­lecks entdeckt

Smart TV und Daten­schutz - Was der Fernseher heimlich sendet

© Stiftung Warentest

Vor zwei Jahren prüften wir den Daten­verkehr von Fernsehern der Marken Grundig, LG, Loewe, Panasonic, Philips, Samsung, Sony, TechniSat und Toshiba – und stellten fest, dass der neue Stan­dard für inter­aktives Fernsehen, HbbTV, die Geräte zu wahren Daten­schleudern machte (siehe Spion im Wohnzimmer – wenn der Fernseher zurückschaut). Die privaten Sender Kabel1, ProSieben, RTL und Sat1 veranlassten den Fernseher sogar, Google über den Programm­wechsel zu informieren. Google sammelt mannigfaltige Daten über Nutzer seiner Dienste. Samsung, Sony und Technisat markierten die Daten­pakete sogar mit der Gerätekennung des Fernsehers. Darüber lassen sich alle vom Fernseher ins Internet gesendeten Daten verknüpfen. Hintergrund: HbbTV bietet unter anderem einen einfachen Zugriff auf die Mediatheken der Fernsehsender. Dafür sendet der Fernseher bei jedem Sender­wechsel eine Anfrage an den Server der gewählten Station. Der Server über­trägt darauf­hin die Start­seite seiner Mediathek zum Fernseher.

Alles beim Alten im Nachtest 2016

Hat sich diese Praxis zum Besseren verändert? Leider nein. Unser aktueller Test zeigt, dass LG, Samsung, Sony und Philips schon bei der Erstein­richtung unter anderem Informationen an Google senden, Panasonic kontaktiert Microsoft. Kritisch: Alle über den heimischen Router mit dem Internet verbundenen Geräte wie Smartphone und PC benutzen die gleiche Internet­adresse.

Google kann Daten über den Fernseh­konsum sammeln ...

Wird auf einem dieser Geräte ein anmelde­pflichtiger Dienst wie Google Gmail genutzt, sind die über diese Internet­adresse vom Fernseher gesendeten Daten auf einzelne Haushalte bezieh­bar. Die kontaktierten Firmen wie Google und Microsoft können dadurch auch Angaben zum Fernseh­konsum erhalten und konkreten Nutzern zuordnen. Darüber informieren die Fernsehgeräte-Anbieter bis heute kaum oder gar nicht. Daten­schutz sieht anders aus.

... aber der Nutzer kann den Daten­verkehr nicht unterbinden

Der Daten­verkehr läuft im Hintergrund, er ist für Fernsehnutzer nicht sicht­bar. Sie können ihn auch nicht unterbinden – beispiels­weise mit einer Firewall, die bei trag­baren und stationären PCs üblich ist. Die Daten sind inzwischen über­wiegend sehr gut verschlüsselt. Wir erfassten aber die Ziel­adressen. Sie weisen auf Daten­verkehr etwa zum Abrufen neuer Betriebs­software oder aktueller Angebote von Online-Video­theken hin.

Hierhin gehen die Daten

Wir registrierten Verbindungen mit Servern von:

  • TV-Herstel­lern
  • Cloudanbietern wie Amazon
  • Microsoft
  • diversen Diensten von Google.

Keine Klarheit für den Kunden

Über die Art der erhobenen Daten, die Empfänger und den Grund für die Daten­über­tragung sollten eigentlich Daten­schutz­erklärungen informieren. Die fanden wir aber schon 2014 intrans­parent, insbesondere bei Samsung. Das bestätigte aktuell das Land­gericht Frank­furt am Main im Juni 2016 nach einer Klage der Verbraucherzentrale NRW (Az.: 2–03 O 364/15, nicht rechts­kräftig). Demnach sind die Daten­schutz­erklärungen bei Samsung keine geeignete Grund­lage für eine Einwilligung in die Daten­erhebung und -verwendung. Immerhin schrumpfte die auf dem Fernseher ange­zeigte Daten­schutz­erklärung von rund 120 auf 56 Seiten. Sonst hat sich freilich recht wenig geändert.

Vor Kamera und Mikrofon

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Voice-Funk­tion. Geht nur mit aktiver Internet­verbindung. © Stiftung Warentest

Auffällige Daten­sendungen mit Bezug auf Kamera und Mikrofon fanden wir nicht. Allerdings funk­tioniert die Sprach­steuerung prinzipiell nur mit aktiver Internet­verbindung. Für die Sprach­erkennung werden die Kommandos zu einem Internet­server gesendet, der das gesprochene Wort in Kommandos „über­setzt“ und an den Fernseher zurück­sendet. Biome­trische Daten im Internet bergen Schad­potenzial: Ein gehacktes Pass­wort können Nutzer ersetzen, doch ihre Stimme ist unver­änderlich. Bleibt nur die Hoff­nung, dass Sprach­erkennungs­server gut vor Kriminellen geschützt sind. Immerhin werden Features wie die Sprach­erkennung nicht mehr so häufig in Fernsehern verbaut.

Wenig Schutz

Nutzer können bei ihren Fernsehern allenfalls rudimentär den Umgang mit Cookies einstellen – gegen Schadsoftware gibt es indes gar keinen Schutz. Fatal ist in diesem Zusammen­hang der Trend zu offenen Betriebs­systemen. Sie lassen sich leichter hacken als die früher üblichen, proprietären Fernseher-Betriebs­systeme. Google-Android läuft bereits auf vielen Fernsehern. Hacker konnten Fernseher mit integrierter Kamera und Mikrofon bereits zur Wanze umpro­grammieren. Dazu mussten sie allerdings noch das Gerät selbst manipulieren. Doch schon heute werden Notebooks mittels Schadsoftware aus der Ferne zu Über­wachungs­kameras umpro­grammiert. Da ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch Fernseher per Schadsoftware zur Wanze umpro­grammiert werden.

Stecker ziehen

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Tracking ausschalten. Einfach Mediathek übers Notebook ansteuern. © Stiftung Warentest

Wünschens­wert im Sinne des Verbraucher­schutzes wäre das so genannte Opt-In-Verfahren, bei dem der Fernseher so lange nichts sendet, bis der Nutzer ihm dies konkret gestattet. Das bietet kein Fernseher. Tatsäch­lich können TV-Nutzer derzeit die Daten­über­tragung zu Werbenetz­werken nicht einfach unterbinden. Damals wie heute müssen sie beispiels­weise dem Tracking (Verfolgen der Nutzung) bei HbbTV separat für jeden Sender einzeln wider­sprechen. Teil­weise müssen Nutzer bis zu drei verschiedene Tracking-Verfahren je Sender einzeln deaktivieren. Wer dem Fernseher miss­traut, könnte beispiels­weise ein Notebook via HDMI mit dem Fernseher verbinden und darüber Internet­funk­tionen wie Mediatheken und Video-Portale nutzen – mit etwas mehr Daten­schutz als beim Zugang über den Fernseher. Allerdings sollte die Firewall streng einge­stellt sein. Sonst sendet der Computer genau die gleichen Daten wie der Fernseher.

Tipp: LCD? Plasma? OLED? Reichen 105 cm Bild­diagonale oder müssen 165 cm her? Und wie smart darf das Gerät sein? Test­ergeb­nisse für 853 Fernseher zeigt unser Produktfinder Fernseher. Informationen zum neuen Stan­dard für Antennen­fernsehen finden Sie in unseren FAQ DVB-T2 HD.

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Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 13.04.2017 um 09:53 Uhr
    Datensendeverhalten + Gerätekennung

    @alle: Die hier genannten Fernseher senden eine Gerätekennung. Das ist weit mehr als die Modellbezeichnung. Die Gerätekennung ist individueller als Ihr Vor- und Nachname, weil es die Gerätekennung tatsächlich nur einmal gibt.
    Mit einem Hinweis auf nicht betroffene Geräte tun wir uns schwer. Zwar fanden wir auch Geräte, die die keine Gerätekennung versandten, doch das lässt weder den Rückschluss auf das Datensendeverhalten aller Geräte des Herstellers / der Produktfamilie zu, noch dass von den Geräten jetzt oder auch in Zukunft keine Gerätekennung versandt wird. Bedenken Sie bitte, dass sich das Verhalten des Fernsehers bereits mit einem Firmware-Update völlig ändern kann. Ein heute unauffälliges Modell kann über Nacht zur Datenschleuder mutieren. Bei unseren Untersuchungen änderte sich das Datensendeverhalten schon mal radikal von einem Softwarestand auf den anderen.
    Verbraucher, die ganz sicher gehen wollen, dass von ihnen keine Daten vom Gerät versandt werden, bleibt nur der Weg, auf die mit dem Fernseher nutzbaren Internetinhalte wie HbbTV oder Videostreaming zu verzichten (und den Internetzugang des Fernsehers zu kappen).
    Letztendlich hat der Verbraucher hier nur die Wahl zwischen dem Komfort und der Hoheit über seine Daten. (maa)

  • zielonyw am 11.04.2017 um 14:08 Uhr
    Und es geht noch schlimmer ..

    Unser Samsung KS7090, den wir nach dem Test im Dezember gekauft haben, konfrontiert uns seit dem letzten Update (1168) mit Werbung. Der Kontakt mit dem Samsung-Support war da wenig hilfreich.
    Zusammenfassung des Telefonkontakts:
    - liegt im ermessen von Samsung und Bedarf keiner Zustimmung durch den Eigentümer des Geräts !!!
    - lässt sich nicht abschalten
    - ist zeitgemäß und wird in naher Zukunft noch mehr
    Werde versuchen das Gerät an den Händler zurück zu geben, wg. versteckter Mängel! Ich hoffe, das Recht ist auf meiner Seite!

  • sk78 am 06.04.2017 um 13:48 Uhr
    "Gerätekennung" ?

    Es wäre hilfreich zu wissen was mit der im Text erwähnten "Gerätekennung" gemeint ist:
    "Samsung, Sony und Technisat markierten die Daten­pakete sogar mit der Gerätekennung des Fernsehers. Darüber lassen sich alle vom Fernseher ins Internet gesendeten Daten verknüpfen."
    Handelt es sich hierbei "nur" um die Modellbezeichnung der Geräte im HTTP User-Agent beim Aufruf von Online-Inhalten, oder eine einmalige Kennung mit der das Gerät bzw. der Nutzer eindeutig identifiziert bzw. wiedererkannt werden kann, wie etwa die Seriennummer oder die MAC-Adresse des Geräts mit der ausgehende Pakete markiert werden? Der Begriff Gerätekennung ist hier m. E. relativ uneindeutig und schwammig.
    Wünschenswert aus Verbrauchersicht wäre es ansonsten, wenn eine unabhhängige Organisation wie die Stiftung Warentest nicht nur auf das Vorhandensein dieses Datenschutz-Problems hinweisen würde, sondern einem durch die Tests auch ermöglichen würde ein Gerät zu kaufen das dieses Problem eben nicht mit sich bringt!

  • KDK am 12.01.2017 um 17:00 Uhr
    @Stifung Warentest: Datenschutz bitte in die Tests

    Ich kann dem Vorschlag des vorherigen Kommentars "Datenschutz als Info oder Kriterium in die Tests!" nur zustimmen und Stifung Warentest darum bitten, diesen wichtigen Punkt als Kriterium in die Tests mit auf zu nehmen.
    Allein der Datenschutz-Punkt schreckt mich derzeit vor dem Kauf eines neuen Fernsehers, und der Punkt ist mir wichtiger als die meisten technischen Eigenschaften. Es wäre wirklich enorm hilfreich, wenn man diese Infos zum Datenschutz zusammen mit den technischen Eigenschaften verläßlich in der Übersicht sehen kann, anstatt mühselig und dann mangels Testgerät oft ungeprüft(!) die Informationen selbst sammeln zu müssen.

  • ulicgn am 02.01.2017 um 00:05 Uhr
    Datenschutz als Info oder Kriterium in die Tests!

    Allein schon daß das Thema hier wiederholt aufgegriffen wird ist sehr lobenswert - viele Leute sehen da, siehe Kommentare, gar kein Problem ....
    Schade ist jedoch, daß dann in den Tests der Fernseher keinerlei Informationen dazu vorhanden sind, darüber war ich nach Erwerb des Fernsehertests sehr enttäuscht.
    Wenn schon nicht als hartes Kriterium, so wenigstens als Ausstattungsmerkmal sollte aufgeführt sein, ob die Schnüffelfunktionen abgeschaltet werden können.
    Da ich mich u.a. für einen Loewe-Fernseher interessiere, habe ich dort nachgefragt. Man teilte mir detailliert mit, dass die HBB-Funktionen so umgestellt werden können, dass sie nur auf Knopfdruck bei Bedarf aktiviert werden. Gute Sache, aber um herauszufinden ob das andere Geräte evtl auch können, müßte man viel Aufwand betreiben. Aufnahme in die Tests wäre sehr hilfreich ...