Interview: Neuland für Juristen

Markus Artz ist Professor an der Universität Bielefeld Mietrecht und arbeitet mit seiner Forschungsgruppe zu Rechtsfragen rund ums Smart Home.
Das Thema Smart Home stellt auch Juristen vor Herausforderungen. Geltendes Recht stößt bei smarten Produkten teilweise an Grenzen – vieles ist einfach noch nicht geregelt. Aber einiges ist jetzt schon klar. Im Interview mit test.de beantwortet Juraprofessor Markus Artz die wichtigsten Fragen.
Wenn die Kaffeemaschine automatisch Bohnen nachbestellt
Wie viel Smart Home ist gesetzlich schon geregelt?
Vieles ist noch offen. Bei neuen Produkten orientieren sich Juristen an bestehenden Gesetzen. Bei Smart Home stößt dieses Vorgehen an Grenzen. Wir wissen etwa noch nicht genau, wie wir mit der Kaffeemaschine umgehen sollen, die automatisch Bohnen nachbestellt oder mit der Waschmaschine, die selbst neues Waschpulver ordert. Denn das bestehende Recht geht nur von Menschen aus, der einem Kaufvertrag einwilligt.
Was Mieter und Vermieter dürfen
Darf ich gemietetes Wohneigentum smart machen?
Ohne die Erlaubnis vom Vermieter dürfen sie keine baulichen Veränderungen vornehmen, auch nicht für Smart Home-Anwendungen. Eine Ausnahme besteht dann, wenn Mieter auf eigene Kosten Barrierefreiheit herstellen. Das muss der Vermieter dulden. Im Smart Home ist in diesem Zusammenhang zum Beispiel die automatische Öffnung einer Tür denkbar, wenn sich eine Person nähert. Außerdem wird momentan ein Gesetzesentwurf diskutiert, der es Mietern zukünftig auch gegen den Willen den Vermieters erlauben soll, Ladesäulen für E-Autos zu errichten.
Was darf der Vermieter?
Mieter müssen Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen dulden. Ausnahme: Es gibt einen sogenannten Härteeinwand. Will der Vermieter smart aufrüsten, halte ich es für möglich, dass die feinsinnige Aufzeichnung der Lebensgewohnheiten und damit verbundene Sorgen um die Privatsphäre, künftig einen solchen Härteeinwand darstellen könnten. Wenn ein Vermieter derartige Renovierungen ankündigt, müssen Sie ihn rechtzeitig über den Einwand informieren. Sie sollten sich aber darüber im Klaren sein, dass es zum Rechtsstreit kommen kann.
Wer für Schäden haftet
Verbraucher sorgen sich, für Schäden durch technische Defekte der smarten Geräte haften zu müssen. Wie ist hier die Rechtslage?
Hier sind verschiedene Szenarien denkbar, etwa: Der Rasenroboter verletzt ein Kind beim Kindergeburtstag oder das smarte Türschloss öffnet sich, während ich weg bin und es wird eingebrochen. In solchen Fällen haben Sie verschiedene Ansprüche. Besteht der Defekt von Anfang an, haftet der Verkäufer im Sinne des Kaufrechts. Entdecken Sie einen Mangel, sollten Sie diesen zeitnah nach dem Kauf reklamieren. Durch die Produkthaftung wird daneben außerdem der Hersteller in die Pflicht genommen. Sie selbst machen sich nur dann schadensersatzpflichtig, wenn der Defekt bekannt war und Sie keine Sicherheitsvorkehrungen getroffen haben, indem Sie den Rasenmäher beispielsweise während des Kindergeburtstages einsperren. Juristen nennen das Verkehrssicherungspflicht.
Anderer Fall: Das smarte Heizkörperthermostat ist defekt und die Stromrechnung ist zu hoch. Wie sieht es mit den Kosten aus?
In diesem Fall können Sie beim Anbieter Schadenersatz dafür beanspruchen. Allerdings ist es oft schwer, den technischen Defekt zu beweisen. Und das müssen sie als derjenige, der den Schadensersatzanspruch stellt.
Updates sind ein kaufrechtliches Problem
Wo ist es noch schwierig?
Weitestgehend ungeklärt ist auch, wie im Kaufrecht mit Geräten umgegangen werden soll, deren Funktion und Substanz sich durch Updates auch nach dem Kauf verändern kann. Das sind zum Beispiel Smartphones, Computer und eben auch Smart Home Geräte. Bisher orientiert sich das Kaufrecht am Moment des Kaufs in dem die Gefahr eines Schadens zum Käufer wechselt. Für Geräte, bei denen Updates aufgespielt werden, reicht diese Betrachtung eigentlich nicht aus. In der Vergangenheit hatten beispielsweise bei Apple etliche Smartphones nach einem Update Probleme.
Eine Garantie für Updates oder für die Instandhaltung der technischen Infrastruktur müssen Hersteller nicht geben?
Nein, das ist bisher nicht verpflichtend. Dabei wäre es insbesondere im Hinblick auf Investitionskosten und auch auf Sicherheitslücken sowie den Schutz der vielen erhobenen Daten im Smart Home wichtig.
Umgang mit Nutzerdaten
Sie sprechen die Nutzungsdaten an. Habe ich einen Anspruch darauf Sie wie bei Google löschen zu lassen?
Wie ein Anbieter mit den Nutzungs- und Kundendaten umgeht, kann er selbst entscheiden. Ein Modell ist, die Daten bei Vertragsende oder Auflösung eines Kundenkontos zu löschen. Interessieren Sie sich für ein bestimmtes System, sollten Sie sich konkret informieren, wie der Anbieter mit ihren Daten umgeht und ob die Möglichkeit besteht, Daten löschen zu lassen.
Dürfen Nutzungsdaten meines Smart Homes auch eingezogen werden, um eine Straftat aufzuklären? Auch gegen mich?
Wenn es um schwere Straftaten wie Mord und Totschlag geht, ist das wahrscheinlich. In den USA musste Amazon jüngst die Audiodaten des Sprachassistenten Alexa als Beweismittel in einem mutmaßlichen Mordfall herausrücken. Aber auch in weniger gravierenden Fällen ist das denkbar: Wenn es wegen Schimmel in einer smarten Mietwohnung zum Streitfall kommt, könnten Daten von Fensterkontakten oder Heizkörpersthermostaten verwendet werden, um zu prüfen, ob der Mieter richtig gelüftet und geheizt hat. Oder ob der Schimmel auf bauliche Mängel zurückgeht.
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