Deutsche Fondsanleger zahlen unbewusst Jahr für Jahr Riesensummen an Banken und Vermittler. Ein Skandal.
Schätzungsweise zwei bis drei Milliarden Euro fließen Jahr für Jahr aus deutschen Publikumsfonds an Banken und Vermittler. Sie werden einfach aus dem Fondsvermögen abgezweigt. Die genaue Summe ist nicht bekannt, denn das Geschäft mit den Bestandsprovisionen blüht weitgehend im Verborgenen. In den Jahresberichten von Fonds wird dieser Posten im Regelfall nicht eigens aufgeschlüsselt.
Kein Wunder, dass nur wenigen Anlegern die Zusammenhänge klar sind. Sie bezahlen für Kauf, Verwaltung und Lagerung von gemanagten Investmentfonds an verschiedenen Stellen (Checkliste: Fondskosten) und finanzieren unfreiwillig Provisionen, die Fondsgesellschaften für den Vertrieb ihrer Produkte bezahlen.
Fondskauf oft ohne Beratung
Das ist ein Skandal, meinen auch Verbraucherverbände, seit viele Sparkassen kürzlich ihre Geschäftsbedingungen geändert haben. Ihre Kunden sollen auf künftige Provisionen verzichten, die sie sonst möglicherweise zurückfordern könnten.
Oft fehlt jede stichhaltige Begründung, warum Fondsbesitzer überhaupt Provisionen zahlen sollen. Das gilt für all jene, die nicht mit irgendeiner Vertriebsstelle in Kontakt getreten sind, geschweige denn eine Beratung genossen haben.
Ein Beispiel sind Direktbankkunden, die ihre Fondsanteile an der Börse kaufen. Warum sollten sie Vermittler oder Filialbanken subventionieren, mit denen die Fondsgesellschaft zusammenarbeitet?
Aber auch ein Filialbankkunde, der für die Beratung beim Kauf stolze 5 Prozent Ausgabeaufschlag entrichtet hat, wird sich fragen, warum seine Bank zusätzlich jedes Jahr für diese Dienstleistung honoriert werden soll. Dafür, dass sie die Anteile verwahrt, gibt es schließlich Depotgebühren.
Wir haben ausgerechnet, wie viel einem Anleger bei einer Anlagesumme von 20 000 Euro auf lange Sicht verlorengeht, wenn aus dem Fonds nur eine Bestandsprovision von 0,4 Prozent abgezogen wird. Nach 20 Jahren wären das bei einer durchschnittlichen Fondsentwicklung von jährlich 5 Prozent rund 4 000 Euro. Dieses Geld bezahlt der Anleger ohne nachvollziehbare Gegenleistung.
In der Praxis entgehen Anlegern wahrscheinlich noch größere Summen. In unserer Tabelle zeigen wir, wie hoch bei ausgewählten Fonds die Provision ist, die von den Anbietern an Banken oder Vermittler gezahlt wird. Grundlage ist eine Datenbank des Verbunds der Honorarberater, der ein Interesse daran hat, die Provisionen offenzulegen.
Die Fondsgesellschaften zahlen nicht jedem Vertriebspartner gleich viel Provision. In der Tabelle nennen wir realistische Durchschnittswerte.
EU-weites Verbot gescheitert
Der Versuch von Verbraucherschützern, auf europäischer Ebene ein generelles Verbot von Bestandsprovisionen zu erreichen, ist gescheitert. In wenigen Ländern wie Großbritannien sind Provisionen für Finanzgeschäfte aber inzwischen untersagt.
Die Bestandsprovision ist nicht die einzige Gebühr, mit der Fondsanleger belastet werden, aber eine besonders unplausible. Obwohl sie sich nur als Entgelt für Beratung und Service rechtfertigen ließe, ist sie an keines von beiden geknüpft.
Vor 20 Jahren war der Fondskauf fast untrennbar mit dem sogenannten Ausgabeaufschlag verbunden. Beim Kauf von Aktienfonds zahlten Anleger üblicherweise 5 Prozent. Das hat sich gründlich geändert. Einerseits verkaufen zahllose Vermittler gemanagte Fonds ohne Ausgabeaufschlag, andererseits gibt es die wachsende Konkurrenz der börsengehandelten Indexfonds (ETF).
Banken beugen Rückforderung vor
Die Bestandsprovision hat in vielen Fällen den Ausgabeaufschlag abgelöst und ist folglich in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Nicht selten sind diese Lasten inzwischen fast ebenso hoch wie die gesamten „echten“ Verwaltungskosten.
Der Bundesverband Verbraucherzentrale (vzbv) ist der Auffassung, dass das Geld den Anlegern zusteht (Interview mit Dorothea Mohn). Allerdings gibt es bisher kein höchstrichterliches Urteil zu diesem Thema.
Einige Banken wollen aber für den Fall vorbeugen, dass das Thema Bestandsprovision irgendwann zugunsten der Anleger entschieden wird. Die Deutsche Bank forderte ihre Depotkunden schon vor einigen Jahren dazu auf, die „Rahmenvereinbarung für Wertpapiergeschäfte“ zu unterschreiben, mit der sie ausdrücklich auf Provisionen verzichten.
Viele Sparkassen dagegen verlangten, wie in der Meldung Wertpapierdepot: Neue Klausel (Finanztest 4/2015) berichtet, für ihre geänderten Geschäftsbedingungen noch nicht einmal eine Unterschrift des Kunden. Er akzeptierte sie automatisch, wenn er ihnen nicht ausdrücklich widersprach. Die Frist ist Mitte April abgelaufen.
Auch andere Kreditinstitute haben ihre Geschäftsbedingungen bereits geändert, weitere dürften folgen. Betroffene Anleger sollten die Unterlagen gründlich lesen und kontrollieren, ob sie eine Verzichtserklärung enthalten (Unser Rat).
Wer sich darauf nicht einlassen will, sollte Widerspruch einlegen. Bankkunden müssen dann allerdings damit rechnen, dass ihr Depot gekündigt wird. Das mag zunächst ärgerlich sein, bietet aber auch Chancen.
Ein Wertpapierdepot zu einem anderen Anbieter zu übertragen, ist einfach. Der Übertrag des Inhalts zu einer neuen Bank ist kostenlos. Diese kümmert sich auch weitgehend um die Organisation, sodass sich der Aufwand für Anleger in Grenzen hält.
Wenn sich Anleger eine günstige neue Depotbank suchen, profitieren sie dauerhaft von dem Wechsel. Während Filialbanken und Sparkassen in aller Regel Geld für die Depotverwaltung verlangen, ist ein Depot bei Direktbanken oft kostenlos. Auch beim Kauf und Verkauf von Fonds und Wertpapieren kommen Anleger in der Regel viel günstiger weg, wenn sie ihrer Hausbank den Rücken kehren. Weitere Informationen im Test Depot: Viel sparen mit dem besten Wertpapierdepot (Finanztest 6/2013).
Einnahmequelle für Vermittler
Für Banken sind Bestandsprovisionen nur eine von vielen Einnahmequellen. Fondsvermittler im Internet sind dagegen in hohem Maße von diesen Zahlungen abhängig.
Üblicherweise erstatten Vermittler ihren Kunden nichts zurück. Diese sind meist voll damit zufrieden, dass sie den Ausgabeaufschlag sparen. Doch es gibt Ausnahmen. Im Kasten unten nennen wir Anbieter, die Provisionen teilweise oder in bestimmten Fällen an den Kunden zurückzahlen.
Honorarberatung als Alternative
Eine vollständige Erstattung von Bestandsprovisionen ist nur bei Honorarberatern möglich. Sie lassen sich ihre Beratungsleistung direkt bezahlen und verzichten dafür auf die Bezahlung durch Produktanbieter. Die Mitglieder des Verbundes deutscher Honorarberater verpflichten sich ausdrücklich dazu, sämtliche Provisionen an Anleger zurückzuzahlen.
Transparenter als das undurchsichtige Provisionsgeflecht ist die Beratung gegen Honorar allemal. Anleger können darauf hoffen, auf diesem Weg preiswerte und sinnvolle Produkte zu erhalten. Der Verkäufer hat kein Interesse daran, einen Fonds oder ein Zertifikat nur deshalb zu empfehlen, weil es ihm besonders lukrative Provisionen bringt.
Allerdings ist Honorarberatung kein Garant für eine bessere Rendite. Es gibt auch ziemlich teure Honorarberater. Anleger sollten Preise und Konditionen vergleichen, ehe sie einen Vertrag unterschreiben.
Auch Direktbanken wie Comdirect und die Consorsbank bieten alternativ zum Fonds- und Wertpapierkauf ohne Beratung eine kostenpflichtige Honorarberatung an. Der Preis richtet sich nach dem Depotvolumen. Vorreiter auf diesem Gebiet war aber die Quirin Bank. Ihre Kunden zahlen einen bestimmten Prozentsatz ihres Depotvolumens, im Durchschnitt sind es 1,2 Prozent pro Jahr.
Bei ihren Fondsempfehlungen setzt die Quirin Bank stark auf Indexfonds (ETF) und vergleichbare preiswerte Fondslösungen des US-Anbieters Dimensional.
Keine Provision bei Indexfonds
Anleger können provisionsfreie Depots aber auch in Eigenregie zusammenstellen. Unsere Pantoffelportfolios sind eine ideale Grundlage (Test Geldanlage im Zinstief). Da sie nur aus Indexfonds (ETF) bestehen, umschiffen Anleger damit den provisionsbelasteten Vertrieb über Banken oder Vermittler und erhöhen dauerhaft ihre Renditechancen.
Für ETF zahlen sie beim Kauf nur die Gebühren, die ihre Bank für diese Dienstleistung erhebt, sowie die Börsenspesen.
Auch die laufenden Kosten sind bei ETF deutlich niedriger als bei gemanagten Fonds: Während Anleger bei Aktienfonds Welt für ein aktives Management in der Regel zwischen 1,2 und 2 Prozent pro Jahr zahlen (Produktfinder Fonds, Filter „Aktienfonds Welt“), kommen sie bei ETF, die den Weltaktienindex MSCI World widerspiegeln, mit weniger als 0,5 Prozent pro Jahr davon.
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- Wer oft aktiv gemanagte Fonds kauft, sollte sich eine günstige Quelle suchen. In Fondsshops werden Sparfüchse fündig.
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- Neue Features für unseren Fondsvergleich mit 23 000 Fonds und ETF: Wir haben das Fondsrating verschärft – und präsentieren neue, erfolgreiche Anlagestrategien.
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- Monat für Monat in den breiten Aktienmarkt zu sparen, ist sehr sinnvoll. Unser ETF-Sparplan-Vergleich zeigt, bei welchen Banken und Brokern das besonders günstig geht.
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@KrBauer: Ich kann deinen Beitrag aus vollstem Herzen nachvollziehen. Ich habe auch eine sehr lange Zeit den Ausgabeaufschlag vollkommen ignoriert. Und als ich mich irgendwann mit dieser Gebühr auseinander gesetzt habe, begann ich mich ziemlich darüber zu ärgern, wie viel Geld diese Ausgebe verschlucken kann. Besonders ärgerlich finde ich den Ausgabeaufschlag, wenn man gar keine Leistung der Beratung in Anspruch genommen hat. Ich würde jedem zu eiem Vermittlerwechsel raten, der keine Beatung benötigt und wenn die Gebühren zu sehr Ausufern – schließlich sind einmalige und laufende Kosten gegen die Erträge eines Fonds zu rechnen. Daher kann der Wechsel des Vermittlers ein echter Segen sein, wenn man die best möglichen Erträge aus seinen Fondsanlagen heraus holen möchte. Die Bonusleistungen eines Fondsvermittlers, sind ein nicht zu unterschätzender Faktor im Bereich der Fondsanlagen.
Für mich ist dieser Artikel bares Geld wert, danke test.de. Bisher habe ich noch gar nicht so genau auf alle relevanten Kosten wie zum Besipeil den Ausgabeaufschlag geachtet. Wenn ein Fondsvermittler 96% der Provision erstattet, so scheint sich ein Vermittlerwechsel echt auszahlen zu können. Bisher habe ich schon ein kleines Vermögen für Ausgabeaufschläge verbrannt, da ich recht häufig die Fonds wechsel. Und das man sogar etwas von den Bestandsprovisionen zurück bekommt, das ist für mich Neuland.
.. also verfolgen Sie es doch bitte weiter im Rahmen Ihrer redaktionellen Arbeit.
@Taxator: Vielen Dank für Ihre Anregung. Aktuellere Informationen liegen uns nicht vor. (PK)
Das von Finanztest aufgegriffene Thema ist für viele Leser sehr relevant.
Frage: gibt es zu diesen Informationen eine Aktualisierung?
Wenn nicht, betrachten Sie diese Frage bitte als Anregung.