
Zum Teil mehrere hundert Euro verlangten Parship und Elitepartner bisher von Kunden, die ihre Mitgliedschaft kurz nach der Anmeldung widerrufen hatten. Der Europäische Gerichtshof hat die Praxis von Parship jetzt für rechtswidrig erklärt. Die hohen Forderungen müssen Betroffene nicht zahlen. Und wer in der Vergangenheit gezahlt hat, kann Geld zurückfordern. Auch strenge Kündigungsregeln und automatische Vertragsverlängerungen der Singlebörsen wurden in vielen Fällen vom zuständigen Amtsgericht Hamburg für rechtswidrig erklärt.
Das Wichtigste in Kürze
Problem. Wer Parship oder Elitepartner nur kurz nutzt und dann seine Premium-Mitgliedschaft widerruft, soll einen Großteil des Mitgliedsbeitrags als „Wertersatz“ zahlen. Ein paar Chats mit Singles können mehrere hundert Euro kosten.
Klage. Die Forderungen des Hamburger Unternehmens PE Digital GmbH, Betreiber der Singlebörsen Parship und Elitepartner, sind rechtlich fragwürdig und vom Amtsgericht Hamburg in vielen Fällen für ganz oder zum überwiegenden Teil für unbegründet erklärt worden. Betroffene, die hohen Wertersatz zahlen mussten, haben mit einer Klage gegen die Singlebörse daher gute Chancen.
Verjährung. Kunden, die sich Geld zurückholen wollen, können das auch für die Vergangenheit noch tun. Die Ansprüche der Verbraucher verjähren erst nach drei Jahren. Wer etwa 2017 seine Parship-Mitgliedschaft widerrufen hat, kann seinen Anspruch gegen Parship noch bis Ende 2020 geltend machen.
Vertragsverlängerungen. Die Kündigungsregeln von Parship und Elitepartner sind streng. Ein 6-Monats-Premium-Paket, das der Kunde nicht rechtzeitig kündigt, verlängert sich automatisch um zwölf Monate – zu sehr hohen Preisen. Auch diese Praxis der Singlebörsen hat das Amtsgericht Hamburg schon mehrfach für unzulässig erklärt.
Vorgehen. Schreiben Sie Parship/Elitepartner zunächst selbst an. Nennen Sie eine Frist bis zu der Ihnen Ihr Geld erstattet werden soll. Haben Sie es mit einer ungewollten Vertragsverlängerungen zu tun: Kündigen Sie, sofern Sie es noch nicht gemacht haben sollten. Zahlt die Singlebörse nicht, sollten Sie einen Anwalt einschalten (Anwaltsliste siehe unten).
393 Euro für vier Tage Parship – ist das rechtens?
„Alle 11 Minuten verliebt sich ein Single über Parship“ – der Werbeslogan hat der Singlebörse schon viel Spott eingebracht. Viele Ex-Kunden von Parship können darüber nicht mehr lachen. Vor dem Europäischen Gerichtshof landete der Fall einer Parship-Kundin, die beim Partnervermittlungs-Unternehmen aus Hamburg eine einjährige Premium-Mitgliedschaft für 523,95 Euro abgeschlossen, aber den Vertrag nach vier Tagen enttäuscht widerrufen hatte. Das ist möglich, denn Paragraf 312 g des BGB sieht bei übers Internet abgeschlossenen Verträgen ein 14-tägiges Widerrufsrecht vor. Doch nach nach dem Widerruf kam die böse Überraschung: Parship verlangte für die viertägige Nutzung der Singlebörse 392,96 Euro von der Frau.
So kommt Parship auf die hohen Beträge
Der Wertersatz an sich ist keine Erfindung der Singlebörse Parship. Das Gesetz gibt Online-Dienstleistern tatsächlich das Recht, Wertersatz abzurechnen, wenn ein Kunde innerhalb von 14 Tagen widerruft (Paragraf 357 Absatz 8 Satz 1 des BGB). Kein Dienstleister soll 14 Tage lange umsonst arbeiten müssen.
Aber wie hoch darf der Wertersatz sein? Parship kommt unter anderem deshalb auf so hohe Summen, weil Premium-Mitglieder sofort nach der Anmeldung ein umfangreiches computergeneriertes „Persönlichkeitsgutachten“ erhalten. Diese Leistung, so die Argumentation von Parship, habe der Kunde im Moment seines Widerrufs schon erhalten, also müsse der Wert des „Gutachtens“ beim Wertersatz berücksichtigt werden. Auch die Anzahl der Kontakte, die ein Premium-Mitglied bis zum Widerruf mit anderen Singles über Parship hatte, spielt nach Ansicht von Parship eine wichtige Rolle. Bereits eine kleine Anzahl von Kontakten innerhalb weniger Tage reichte bislang aus, und Parship verlangte bis zu 75 Prozent eines Jahresmitgliedsbeitrags.
Das für Klagen gegen Parship und Elitepartner zuständige Amtsgericht Hamburg hat diese Berechnungsweise zwar schon in vielen Gerichtsverfahren verworfen (siehe Liste der Verbraucherzentrale Hamburg). Parship zeigte sich bisher jedoch von den Urteilen unbeeindruckt und forderte die hohen Summen einfach weiter.
EuGH: So viel Wertersatz ist angemessen
Das Amtsgericht Hamburg hat den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gefragt, wie der Wertersatz zu berechnen ist – und er entschied die Frage am 8. Oktober 2020 kundenfreundlich (Urteil vom 8. Oktober 2020, EU gegen PE Digital GmbH, Az. C-641/19). Für bisher widerrufene Premium-Verträge von Parship gilt nun: der Wertersatz muss zeitanteilig berechnet werden. Das bedeutet im konkreten Fall: Da die Frau im EuGH-Verfahren einen Jahresvertrag (365 Tage) zum Preis von 523,95 Euro nach vier Tagen widerrufen hatte, muss sie als Wertersatz nur vier 365stel des Jahrespreises zahlen – als nur 5,74 Euro statt 392,96 Euro.
Wie wird Parship reagieren?
Eine kleine Zahl von Rechtsanwälten hat sich darauf spezialisiert, Kunden gegen Parship und Elitepartner zu helfen. Dazu zählt etwa der Berliner Thomas Meider-Bading, aus dessen Kanzlei auch der EuGH-Fall kommt, und Andreas Huettl aus Leipzig. Obwohl der EuGH erst einmal zugunsten der Kunden entschieden hat, rechnen beide Anwälte nicht damit, dass die Streitigkeiten mit Parship und Elitepartner nun erledigt sind.
Der EuGH hat in seinen Urteilsgründen einen Weg aufgezeigt, wie die Betreiber der beiden Singelbörsen künftig doch einen höheren Wertersatz verlangen könnte, der dann etwa auch den Wert des Persönlichkeitsgutachtens umfasst. Dafür müsste die PE Digital GmbH ihre Verträge aber zunächst etwas umformulieren.
Ex-Kunden von Parship können Geld zurückfordern
In der Vergangenheit haben sich längst nicht alle Parship-Kunden gegen hohe Wertersatzforderungen zur Wehr gesetzt. Viele haben aus Angst vor den Gerichtskosten gezahlt. Da die Rechtslage aber nun zumindest für alle bis zum 8. Oktober 2020 geschlossenen Verträge geklärt ist, können sich Betroffenen nun Geld zurückholen – wenn ihr Fall noch nicht verjährt ist.
Kundenforderung erst nach drei Jahren verjährt
Verjährung tritt bei solchen Rückforderungen erst nach drei Jahren ein. Die Frist beginnt erst nach dem Jahr zu laufen, in dem der Widerruf erfolgt war.
Beispiel: Ein Mann hat im Jahr 2017 seine Premium-Mitgliedschaft bei Parship widerrufen und hohen Wertersatz bezahlt. Ab 2018 beginnt die Verjährungsfrist für den Rückforderungsanspruch zu laufen. Bis Ende 2020 kann er gegen Parship bzw. Elitepartner auf Rückzahlung klagen. test.de empfiehlt Betroffenen, sich für eine solche Klage an einen Anwalt aus unserer Anwaltsliste zu wenden.
Rechtsanwaltsliste – diese Anwälte können helfen
test.de nennt im Folgenden Rechtsanwälte, die Verbrauchern im Streit mit Parship oder Elitepartner bereits erfolgreich helfen konnten:
Thomas Rader, Bonn
Thomas Meier-Bading, Berlin
Kanzlei Bruckner & von Willmann, Herrenberg - Gültstein (nahe Tübingen)
Andreas Huettl, Leipzig
Matthias Bartel, Wiesbaden
Juliane Hilbricht, Solingen
Alexander Hufschmid, Germering (nahe München)
Jürgen Niebling, Olching (nahe München)
Astrid Müller-Katzenburg, Berlin
Sven M. Kockel, Timmendorfer Strand (nahe Lübeck)
Dragisa Andjelkovic, Stuttgart
Jörg Schaller, Köln
Anwälte, die in die Liste aufgenommen werden möchten und einen Erfolg gegen Parship oder Elitepartner nachweisen können, melden sich bitte per Mail an die Adresse m.sittig@stiftung-warentest.de.
Singlebörse zunächst selbst per Einschreiben anschreiben
Damit Kunden, die gegen Parship klagen wollen, im Erfolgsfall auch sämtliche Anwaltskosten erstattet bekommen, müssen sie folgende zeitliche Abfolge beachten:
- Zunächst müssen sie Parship selbst anschreiben und zur Erstattung des zu viel verlangten Wertersatzes auffordern – am besten per Einschreiben mit Rückschein.
- Erst wenn das Unternehmen auf dieses Schreiben ablehnend oder gar nicht reagiert, sollte der Kunde einen Anwalt einschalten. Die ab dann entstehenden außergerichtlich entstehenden Anwaltskosten sind rechtlich sogenannte Verzugskosten und von Parship zu erstatten, wenn der Verbraucher seine Klage gewinnt.
- Gut zu wissen: Selbst Kunden ohne Rechtsschutzversicherung haben im Erfolgsfall also keine Restkosten zu tragen (zum Vergleich Rechtsschutzversicherung der Stiftung Warentest).
Ärger mit Partnervermittlern? Betroffene gesucht!
Beschwerden über fragwürdige Geschäftspraktiken von Online-Partnervermittlungen häufen sich. Oft geht es dabei um Gebühren, automatische Vertragsverlängerungen und Probleme beim Widerruf. Vor Kurzem hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, welche Gebühren im Falle eines Widerrufs zulässig sind. Unabhängig davon prüft der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) gerichtliche Schritte gegen Partnerbörsen – und ist dabei auf Fallschilderungen angewiesen. Dafür wurde eine eigene Website eingerichtet. Dort können Verbraucherinnen und Verbraucher Ihre Unterlagen hochladen. Wer sich an der Umfrage beteiligt, geht keinerlei Verpflichtung ein, es entstehen keinerlei Kosten, alle Daten werden vertraulicht behandelt. Die VZ bietet auch individuelle Beratung zu diesem Thema an.
Ungewollte Vertragsverlängerung unwirksam
Der Wertersatz ist allerdings nicht das einzige Thema, worüber Kunden und die PE Digital GmbH streiten. In mehreren Verfahren hat das Amtsgericht Hamburg bereits auch über eine Klausel entschieden, wonach sich ein kostenpflichtige Mitgliedschaft nach Ablauf der ersten Vertragslaufzeit von zum Beispiel sechs oder zwölf Monaten automatisch um zwölf Monate verlängert.
So erklärte das Gericht etwa im Dezember 2018 die Verlängerungsklausel nach Paragraf 307 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches für unwirksam, da sie Verbraucher unangemessen benachteilige (Az. 20a C 281/18). Im gleichen Sinn entschied es in Januar 2019 (Az. 32 C 102/18). Der Amtsrichter kritisierte die Kombination aus der strengen Kündigungsfrist von zwölf Wochen zum Vertragsende und der automatischen Verlängerung um zwölf Monate, sofern der Kunde nicht rechtzeitig kündigt.
Da das Gericht die automatische Verlängerung für unwirksam erklärte, musste der betroffene Kunde die von Parship für das zweite Vertragsjahr geforderte Summe in Höhe von 598,80 Euro nicht zahlen. Das Gericht entschied auch, dass Parship den Anwalt bezahlen muss, den sich der Kunde zur Wahrnehmung seiner Rechte genommen hatte.
Diese Meldung ist erstmals am 15. Juni 2017 auf test.de erschienen. Sie wurde seitdem mehrfach aktualisiert, zuletzt am 23. Dezember 2020.