Interview: Das reicht noch nicht aus

Seit Juli 2011 gilt die neue Spielzeug-Richtlinie. test befragt dazu Dr. Bärbel Vieth, Expertin vom Bundesinstitut für Risikobewertung.
Wird Spielzeug durch die neue Richtlinie sicherer?
Die neue Richtlinie ist noch nicht vollständig anzuwenden, die chemischen Anforderungen gelten erst ab Juli 2013. Positiv ist, dass die Verantwortlichkeiten für die gesamte Produktions- und Handelskette jetzt klar geregelt sind. Die Hersteller müssen die Sicherheit eines Spielzeugs analysieren und bewerten, bevor sie es auf den Markt bringen. Warnhinweise müssen gut zu sehen und verständlich sein. Die Händler müssen Spielzeug richtig lagern und darauf achten, dass es keine offensichtlichen Mängel hat.
Was ändert sich mit den neuen chemischen Anforderungen?
Es sind jetzt mehr Stoffe geregelt als vorher. Es sind vor allem solche Stoffe geregelt, die langfristig die Gesundheit des Kindes beeinträchtigen können. Das ist gut. Allerdings reichen die neuen Anforderungen noch nicht aus. Hier sind Nachbesserungen notwendig.
Was fordern sie?
Vom Spielzeug darf keine Gesundheitsgefahr ausgehen. Zum Beispiel reichen die Anforderungen für CMR-Stoffe (CMR: carcinogen, mutagen, reproduktionstoxisch) nicht aus. Das sind Stoffe, die Krebs erzeugen, das Erbgut verändern oder die Fortpflanzung beeinträchtigen können. Da die gesundheitlichen Wirkungen erst viele Jahre später auftreten, muss hier das Vorsorgeprinzip angewendet werden.
CMR-Stoffe dürfen eigentlich in Spielzeug nicht verwendet werden. Eine Ausnahmeregelung erlaubt aber, dass trotzdem für viele Stoffe, die beim Menschen wahrscheinlich krebserzeugend sind, Gehalte bis zu 1 000 Milligramm pro Kilogramm zulässig sind. Diese Grenzwerte wurden ursprünglich für den Arbeitsschutz festgelegt. Das ist nicht adäquat für Kinder, die wesentlich empfindlicher auf gefährliche Stoffe reagieren können als Erwachsene. Die Grenzwerte für fünf Schwermetalle, die bereits in der alten Richtlinie geregelt waren, liegen jetzt für bestimmte Spielzeugmaterialien höher als vorher. Blei kann die Intelligenzentwicklung von Kindern selbst in sehr niedriger Dosis negativ beeinflussen. Es sollte nicht in Spielzeug enthalten sein.
Wird es Nachbesserungen geben?
Wir hoffen darauf vor Juli 2013. Es gibt innerhalb der EU Diskussionen zu CMR-Stoffen, Schwermetallen und anderen chemischen Stoffen.
Sollen die Hersteller für die Spielzeugsicherheit verantwortlich sein?
Das ist nicht anders zu regeln. Die Hersteller müssen ihren Produktionsprozess so gestalten, dass zum Beispiel Grenzwerte eingehalten werden. Wichtig ist auch, dass sie Stoffe, die als gesundheitsschädlich bekannt sind, durch unbedenkliche Stoffe ersetzen.
Sollte es einen Spielzeug-Tüv geben?
Das wäre gut. Deutschland hatte eine unabhängige Sicherheitsprüfung gefordert. Mit dem CE-Zeichen erklärt der Hersteller, dass sein Produkt die Sicherheitsanforderungen erfüllt. Das reicht nicht aus. Hersteller können ihre Produkte freiwillig untersuchen und von einem zertifizierten Prüfinstitut mit einem Siegel auszeichnen lassen.
Was raten Sie Eltern?
Riecht ein Spielzeug unangenehm, sollten Sie es liegen lassen. Fragen Sie sich, ob Sie Duftstoffe für Ihr Kind möchten. Möglicherweise können sie Allergien auslösen oder unangenehme Materialgerüche überdecken. Achten Sie auf Prüfsiegel, Warnhinweise und Altersempfehlungen.