
ETF sind eine Erfolgsgeschichte. Doch es gibt auch Kritik an den börsengehandelten Indexfonds. Sie könnten Crashs verstärken, heißt es etwa. Was ist wahr und was nur Nörgelei?
Können ETF Crashs verstärken?
Wenn bei einem Kurssturz viele ETF-Anleger auf einmal ihre Anteile verkaufen, kommen schlagartig viele Aktien auf den Markt. Gibt es mehr Verkäufer als Kaufinteressenten da sind, verstärkt sich der Abwärtstrend tatsächlich. Das ist allerdings nicht nur bei ETF, sondern auch bei gemanagten Fonds der Fall.
Hinter der Annahme, dass ETF Crashs verstärken würden, steckt oft ein Denkfehler. Manche Anleger nehmen nämlich an, dass ETF in Aktien investieren, wenn die Kurse steigen, und sie wieder verkaufen, wenn die Kurse fallen. Doch das stimmt so nicht: ETF kaufen nur dann Aktien, wenn Anleger neues Geld einzahlen – und verkaufen sie nur, wenn Anleger ihre Anteile zurückgeben.
Halten sich Käufe und Verkäufe die Waage, wirkt sich das nicht auf die Kurse aus. Der Wert der ETF-Anteile steigt oder sinkt mit dem Preis der gehaltenen Aktien.
Leisten ETF dem Herdentrieb Vorschub?
Laut Bundesbank könnten die „überwiegend passiv ausgestalteten Anlagestrategien prozyklisches Verhalten der Anleger“ befördern – und zwar sowohl bei starkem Kursverfall als auch bei Kursanstiegen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) ist der Frage nach dem Herdentrieb vor ein paar Jahren nachgegangen, fand aber keine Anzeichen dafür, dass ETF eine stärkere Wirkung auf Kursstürze haben als gemanagte Fonds. „Wir haben derzeit keine eindeutigen Hinweise darauf, dass es durch ETF zu einer erhöhten Kursreaktion oder Preisverzerrung bei Aktienkursen gekommen ist“, hieß es dazu die deutsche Finanzaufsicht Bafin.
Machen ETF den Markt kaputt?
Die Preise für Aktien werden durch Angebot und Nachfrage ermittelt. Anders als aktiv gemanagte Fonds picken ETF sich nicht einzelne Titel heraus, die sie für vielversprechend halten, sondern kaufen alle in einem Index gelisteten Wertpapiere. Einige Anleger treibt die Sorge um, dass es keine richtigen Kurse mehr gibt, wenn keiner mehr aktiv handelt. Richtig ist: Würden irgendwann alle nur noch ETF kaufen, könnte der Markt nicht mehr richtig funktionieren. Die Preisfindung wäre gestört. Experten glauben aber nicht, dass das passiert. Es wird immer Menschen geben, die den Ehrgeiz haben, den Markt zu schlagen und in aus ihrer Sicht unterbewertete Aktien investieren.
Haben aktiv gemanagte Fonds noch eine Chance?
ETF folgen dem Gedanken, dass niemand dauerhaft den Markt schlagen kann, weil sich jede Information sofort in den Kursen widerspiegelt. Der Markt – das sind die Anleger, die kaufen und verkaufen. Vereinfacht gesagt: Je weniger Teilnehmer den Markt analysieren und aktiv handeln, desto weniger effizient geht es zu. Führt der Handel der passiven ETF jedoch tatsächlich eines Tages dazu, dass die Preise einzelner Aktien zu hoch oder zu niedrig sind, lohnt sich aktives Management wieder. Dann ist die Chance umso höher, unterbewertete Aktien zu finden.
Unser Rat
- Geldanlage.
- ETF sind eine bequeme und günstige Art, Geld in Fonds anzulegen. Mit den börsengehandelten Fonds sind Sie so erfolgreich wie der Markt, in den Sie investieren. Dagegen können Fonds, bei denen ein Fondsmanager die Wertpapiere aussucht, besser oder schlechter als der Markt laufen – die Spannweite ist groß.
- Risiken.
- Das bedeutendste Risiko von ETF stellen die an der Börse üblichen Kursschwankungen dar.
- Erste Wahl.
- Wählen Sie möglichst breit gestreute Fonds. In unserem großen Fondsvergleich zeichnen wir ETF, deren Index markttypisch ist, als „1. Wahl“ aus. Für den Weltaktienmarkt ist so ein Index zum Beispiel der MSCI World. ETF auf ausgefallene Indexkonstruktionen können höhere Risiken bergen.
Sind ETF schlechter handelbar als Einzelpapiere?
Oft heißt es, ETF würden Handelbarkeit nur vortäuschen – gerade wenn sie in illiquide, also schlecht handelbare Papiere investieren. Doch ETF sind häufig besser handelbar als die Wertpapiere, die sie kaufen. Das gilt etwa für ETF, die in hoch verzinste Anleihen investieren. Solche Anleihen werden nämlich nicht regelmäßig gehandelt – es kann daher passieren, dass Kaufinteressenten schlechte Preise bekommen (oder gar keine). Hier haben es ETF-Anleger leichter. Der ETF kann den Besitzer wechseln, ohne dass eine einzige Anleihe gehandelt werden muss.
Kommt es hart auf hart, kann ein Fonds aber nicht liquider sein als die Werte, in die er investiert. Anleger kennen das von offenen Immobilienfonds, die im Normalfall besser handelbar sind als die Gebäude, in denen ihr Geld steckt. In der Finanzkrise, als zu viele Investoren auf einen Schlag ihr Geld abzogen, gerieten einige Fonds jedoch in die Bredouille und mussten schließen.
Der Flashcrash 2015 und die Folgen
Auch ETF können in Krisen anders reagieren als üblich. Im August 2015 kam es an der Wall Street zu einem Kurseinbruch, einem Flashcrash bei Aktien. In der Folge brachen auch die Kurse der ETF ein, teils stärker als die des Aktienindex – was nicht sein dürfte, denn ETF zeichnen den Index ja nach. Als Ursache galten die Handelsregeln der US-Börsen. Zeitweise wurden Aktien, aber auch ETF vom Handel ausgesetzt. Die Mechanismen, die dafür sorgen, dass ein ETF so viel wert ist wie sein Index, haben für ein paar Stunden versagt. In Deutschland gab es an jenem Tag im August 2015 nur kleinere Irritationen. Wer im Crash nicht panisch verkauft, sondern abgewartet hat, verlor kein Geld.
Stopp-Kurse setzen? Lieber nicht!
Der Flashcrash zeigt übrigens auch, warum wir ETF-Anlegern keine Stop-Loss-Limits empfehlen. Dabei wird eine automatische Verkaufsorder ausgelöst, wenn der ETF einen bestimmten Kurs erreicht. Verkauft wird allerdings nicht zu diesem, sondern erst zum nächsten Kurs, der weit darunter liegen kann. Für langfristig orientierte Anleger sind kurzfristige Marktverwerfungen kein Problem.
Swaps sind kein Teufelszeug
Viele Anleger meiden ETF, die die Titel aus dem Index nicht kaufen, sondern ihn per Tauschgeschäft (Swap) abbilden (Was ist eigentlich ein Swap-ETF?). Manche halten sie gar für gefährlich. Bei ETF mit Swaps sorgt der Swap dafür, dass sich der ETF so wie der Index entwickelt. Das ist manchmal günstiger und genauer als der Direktkauf der Indextitel.
Physisch replizierende Fonds kaufen zwar die Titel aus dem Index, verleihen aber einen Teil davon wieder – etwa an Hedgefonds, die damit auf fallende Kurse spekulieren. Die Leihe bringt den ETF zusätzliche Erträge. Swap- oder Leihpartner könnten allerdings ausfallen, die Anbieter müssen diese Risiken absichern. Dazu gibt es Regeln der Aufsichtsbehörden. Unterm Strich sind die Vor- und Nachteile von Swap-ETF vergleichbar mit denen physisch replizierender Fonds. Der Trend geht aber immer mehr zu physisch replizierenden ETF.
Tipp: In unserem großen Fondsvergleich finden Sie Bewertungen von fast 10 000 ETF und aktiv gemanagten Fonds.
Dieses Special ist erstmals am 11. September 2018 auf test.de erschienen. Wir haben es am 20. Juli 2021 aktualisiert.
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Ich finde ihr Argument im Abschnitt „Haben aktiv gemanagte Fonds noch eine Chance?” zu stark vereinfacht, da Sie hier ignorieren dass aktives Management ein Nullsummenspiel ist. Denn alle Marktteilnehmer sind zwangsläufig im Schnitt „so gut wie der Markt“ und „den Markt schlagen“ (genauer das Generieren von Alpha) ist ein Nullsummenspiel.
Wenn nun vor allem jene Marktteilnehemer, die schlecht im „den Markt schlagen” sind auf passive Geldanlage umschwenken (was nicht besonders unrealistisch klingt), wird der Markt sogar – dank ETFs – effizienter und das „Markt schlagen” schwieriger (was wiederum immer mehr Investoren zu passivem Geldanlegen bewegen dürfte bis nur noch ein unbelehrbarer Rest und die aktiven Investoren, die das Alpha von dem unbelehrbaren Rest abgraben, übrig sind).
@guru52: Ob ein Fonds Wertpapierleihe macht oder nicht, fließt nicht in die Fondsbewertung ein (es geht bei diesem Thema nicht nur um ETF). Für Gegenpartei-Risiken, die sich aus solchen Geschäften ergeben, müssen Sicherheiten hinterlegt werden und es gibt weitere Anforderungen an solche Geschäfte um die – eh eher kleinen – Risiken weiter zu minimieren. Im Fondsprospekt kann man in der Tat erfahren, ob Wertpapierleihe gemacht wird (und im Jahresbericht sieht man, was der Fonds damit verdient hat). Manche ETF-Anbieter zeigen das auch zeitnah und detailliert auf Ihrer Website. Einige Fonds schließen Wertpapierleihe im Prospekt nicht aus, machen es in der Praxis aber nicht, könnten damit aber jederzeit anfangen. Machen Fonds schließen Wertpapierleihe auch im Prospekt aus, könnten ihn aber jederzeit ändern (der Anleger würde informiert werden) und dann damit anfangen. Deshalb ist die Wahl eines Fonds, der Wertpapierleihe betreibt, keine Garantie, dass dies so bleibt. HSBC zum Beispiel hatte bei seinen ETF Wertpapierleihe ausgeschlossen und inzwischen wieder zugelassen...
Zur Einordnung: Wertpapierleihe gehört zu den kleinen Restrisiken (im Prospekt werden Risiken ja seitenweise aufgezählt). Sie sind aber so klein und selten, dass sie sich nicht quantifizieren lassen. Und im Gegensatz zu manch anderen Risiken steht diesen auch ein kleiner Ertrag gegenüber.
In dem zuvor zitierten Beitrag heißt es:
"Also gilt auch hier der Rat: Achten Sie auf Transparenz und prüfen Sie unbedingt die Richtlinien zur Wertpapierleihe der ETF-Anbieter um sicherzustellen, dass diese Ihrem eigenen Risikoprofil entsprechen. Neben dem KIID eignen sich der Verkaufsprospekt, die Halbjahres- und Jahresberichte der Fonds als Informationsquellen. Schauen Sie dabei bitte genau hin."
Wird das beim Finanztest-Rating der ETFs berücksichtigt, oder sollte ich mich da selber einlesen?
Ich weise auch höflich auf den sehr fundierten Gastbeitrag von Frau Professor Dr. Stefanie Hehn hin https://schliesslich-ist-es-ihr-geld.de/wie-sicher-ist-ihr-geld-in-etfs-gastbeitrag-prof-dr-stefanie-hehn/ – mit den Stichworten Ausfallrisiko, Replikationsmethode und Wertpapierleihe. Es ist alles sehr gut verständlich von ihr erklärt. Danke auch an das test.de-Team für die gute Arbeit!
@Nedland4: Das gehört zum täglichen Geschäft, dass Aktien aus einem Index fliegen und andere reinkommen. Eigentlich werden solche Wechsel einige Tage im Voraus angekündigt. Zur Schlussauktion am Tag X fliegt dann eine Aktie raus und später kommt dann eine andere Aktie rein - zum Gegenwert, der für den Aussteiger erlöst wurde. Es muss also keiner innerhalb von Stunden oder gar Minuten reagieren. Aber in der Tat könnte es so zu einem so hohen Angebot oder einer so hohen Nachfrage kommen, die auch in der Schlussauktion zu ungewöhnlichen Preisen führen könnten. Oder andere Marktteilnehmer antizipieren das und können einen Profit draus schlagen. Wir können nicht ausschließen, dass das auch passiert. Aber im Prinzip lässt sich auch so ein Problem lösen, zum Beispiel durch angepasste Indexregeln. Und uns ist nicht bekannt, dass solche Effekte im Börsenalltag eine Rolle spielen (auch nicht in den USA, wo ETF noch bedeutender sind). (PK)