Sensorische Tests Wie testet man Geschmack?

6
Sensorische Tests - Wie testet man Geschmack?

Als Zahl getarnt. Die Prüfer verkosten Produkte anonymisiert und in zufäl­liger Reihen­folge. © Stiftung Warentest

Ob Schokolade, Orangensaft oder Fisch­stäbchen – schme­cken soll es. Das ist eines der wichtigsten Kriterien für ein Lebens­mittel. Seine Qualität lässt sich also nur bewerten, wenn die Stiftung Warentest auch seinen Geschmack beur­teilt. Aber wie lässt sich das testen – und wie in Worte fassen? Das weiß Gabi WiIlging. Für die Markt­forschung lässt sie Lebens­mittel von geschulten und von ungeschulten Personen testen. Hier erklärt sie, wie so eine Verkostung funk­tioniert.

Die Beur­teilung von Geschmack – die Grund­lagen

Wenn die Stiftung Warentest Lebens­mittel testet, geht es nicht um die Frage, ob ein Produkt schmeckt – sondern wie es schmeckt.

So verkosten die Experten. Meist verkosten fünf bis sieben geschulte Prüf­personen alle Lebens­mittel eines Tests. Für jedes beschreiben sie Aussehen, Geruch, Geschmack und Mund­gefühl. Auf Basis dieser Beschreibungen bewerten wir die Produkte. Hat eine Milch­schokolade eine kräuter­artige Fremdnote oder fühlt sie sich im Mund pulv­rig und bröckelig an, sind das Fehler, die zu Minus­punkten in der sensorischen Beur­teilung führen. Ist eine Schokolade dagegen sehr cremig und eine andere sehr knackig, sind das keine Fehler. Würden wir Verbraucher fragen, welche Tafel sie bevor­zugen, würden Fans von zart-schmelzender Schokolade die knackige aufgrund ihrer persönlichen Vorliebe schlechter bewerten. Gerade bei Genuss­mitteln wie Schokolade sind hedo­nische Prüfungen – so werden Verbrauchertests in der Fach­sprache genannt – schwierig umzu­setzen.

In der Regel keine Verbrauchertests. Vor einigen Jahren – etwa beim Test von Orangensaft 2006 – haben wir auch Konsumenten befragt, aber stets zusätzlich zu den Prüfern. Oft stimmten ihre Urteile über­ein. Heute machen wir in der Regel keine Verbrauchertests. Das hat mehrere Gründe. Zum einen beant­worten Konsumentenbefragungen nur die eine subjektive Frage: Schmeckt oder schmeckt nicht. Zum anderen sind sie sehr teuer, weil man viele Verbraucher und Prüf­muster braucht. Außerdem kann eine hohe Testerzahl logistisch heraus­fordernd sein, wenn etwa für alle Fisch­stäbchen gebraten oder Nudeln gekocht werden müssen.

Dem Geschmack von Lebens­mitteln auf der Spur

Sensorische Tests - Wie testet man Geschmack?

Gabi Will­ging arbeitet als Sensorik-Expertin am Markt­forschungs­institut SAM in München. © THORSTEN JOCHIM

Es gibt zwei grund­legende Vorgehens­weisen: Entweder verkosten Verbraucher ein Produkt oder aber geschulte Prüf­personen, Prüfer genannt. Die Stiftung Warentest setzt auf Prüfer für ihre Lebens­mittel­tests. Gabi Will­ging vom Markt­forschungs­institut SAM, Sensory and Marketing Interna­tional, arbeitet mit geschulten Prüf­personen und betreut auch Beliebt­heits­tests mit Konsumenten. Hier antwortet sie auf die wichtigsten Fragen rund um die Verkostung.

Geschmack ist sehr subjektiv. Lässt er sich denn über­haupt objektiv testen?

Mit geschulten Personen geht das. Sie haben gute bis über­durch­schnitt­liche sensorische Fähig­keiten und können die Eigenschaften eines Produkts beschreiben. Da gehen vielen Konsumenten meist die Worte aus.

Worin unterscheidet sich die sensorische Analyse von subjektiven Konsumententests?

Die Heran­gehens­weise an die Verkostung ist eine andere. Geschulte Prüf­personen beschreiben bewusst neutral, was sie riechen und schme­cken. Ungeschulte Konsumenten sollen dagegen spontan entscheiden, ob ihnen ein Produkt schmeckt oder nicht.

Wie aussagekräftig ist so ein Konsumtentest?

Die Auswahl der Test­personen ist wichtig, um das Ergebnis auf die große Gruppe der Konsumenten zu über­tragen. Mindestens 60 Verbraucher sind nötig, um eine Aussage zur Akzeptanz eines Produkts machen zu können. Möchte man wissen, ob etwa Männer anders urteilen als Frauen, braucht es zwei Gruppen von je 60 Männern und Frauen – also mindestens 120 Personen. Wichtig ist, dass die Verbraucher das Produkt auch verwenden. Wenn ich Kaffee teste, sollte ich keine Teetrinker einladen.

Für wen sind Verbrauchertests interes­sant?

Vor allem für die Industrie, zum Beispiel bei einem neuen Lebens­mittel. Es lohnt sich nur, ein Produkt auf den Markt zu bringen, wenn die Zielgruppe es auch mag.

Und wofür sind dann Tests mit Prüfern nötig?

Jeder kann ganz schnell sagen, mir schmeckt dieses Produkt und das andere schmeckt mir nicht. Aber nicht warum. Dafür nimmt man die Brücke über die trainierten Prüf­personen. Sie sind wie ein menschliches Mess­instru­ment. Es lässt sich vergleichen mit einem Thermo­meter, das ich in einen Kuchen stecke. Das Thermo­meter sagt mir nicht, wie gut oder schlecht der Kuchen ist, sondern einfach nur, wie viel Grad der Kuchen hat.

Welche Eigenschaften braucht ein Prüfer?

Er oder sie muss sensorisch sensitiv sein, also empfindlich riechen und schme­cken können. Es ist gar nicht mal so einfach, die Grund­geschmack­sarten süß, sauer, bitter, salzig und umami richtig zuzu­ordnen. Das kann nicht jeder. Auch Kreativität und ein gutes Erinnerungs­vermögen sind wichtig, um die sensorischen Wahr­nehmungen beschreiben zu können.

Wie wird man Prüfer?

Wir machen einen Auswahl­test, bei dem die sensorischen Fähig­keiten über­prüft werden. Dann bilden wir eine Gruppe von Personen, die auf ein Produkt trainiert wird, zum Beispiel Schokolade. Und dann müssen diese Personen einen ganz wichtigen Schritt machen. Sie müssen lernen, nicht hedo­nisch zu denken, sondern analytisch.

Was bedeutet hedo­nisch?

Aus dem Bauch heraus etwas bewerten. Die Verknüpfung – das mag ich oder das mag ich nicht – sollten Prüfer komplett ausschalten. Riecht eine Schokolade etwa muffig, müssen sie das ganz neutral als Produkt­eigenschaft auffassen und beschreiben.

Können Prüfer über­haupt noch normal essen?

Geschulte Personen, die das jahre­lang machen, können eigentlich nichts mehr naiv essen oder trinken. Sie beschäftigen sich auf eine intensi­vere Art mit Produkten, werden zum Analytiker. Sie können nicht anders, als auch im Alltag erst an allem zu riechen.

Jeder hat Vorlieben und Abneigungen. Können Prüfer das ausblenden?

Ja, sie versuchen es zumindest. Man braucht den Menschen als Mess­instru­ment. Ein Beispiel: Wird in einer Schokolade der Zucker­gehalt gesenkt, kann ich mit chemisch-analytischen Methoden nach­weisen, dass weniger Zucker drin ist. Ich weiß aber nicht, wie der Mensch diese Veränderung wahr­nimmt. Was passiert mit der Schokolade auf der Zunge? Schmeckt sie nur weniger süß oder kommt die leicht malzige Note deutlich mehr hervor? Das kann ich nur über­prüfen, indem ein Mensch die Schokolade wirk­lich in den Mund nimmt.

6

Mehr zum Thema

6 Kommentare Diskutieren Sie mit

Nur registrierte Nutzer können Kommentare verfassen. Bitte melden Sie sich an. Individuelle Fragen richten Sie bitte an den Leserservice.

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

Stef76 am 07.01.2021 um 23:23 Uhr
Differenzieren

Naja, subjektive Geschmackserlebnisse kann man nicht normieren, das ist richtig. Dennoch können Tester neutrale Beschreibungen anfügen, wie sie etwa bei Wein gängig sind (schmeckt nach Beeren, Säure, etc.). Anschließend kann sich der Nutzer überlegen oder ausprobieren, wie das bei ihm ankommt. Interessant wäre allerdings bei einer Bewertung durch Experten, wie groß die Streuung der Urteile ist. Die Erfahrung von Weinverkostungen zeigt, dass auch Experten abweichende Urteile fällen.

Gelöschter Nutzer am 04.12.2018 um 06:53 Uhr
@Stiftung_Warentest

@GuessWhat hat eigentlich bereits alles geschrieben, was ich jetzt auch antworten würde. Wenn die Stiftung einen selbst definierten "Normgeschmack" festlegt und anhand diesem dann eine Testnote vergebt, kann man das natürlich machen. Rechtlich ist daran sicherlich nichts auszusetzen (was auch niemand behauptet hat). Aber auch ich finde es anmaßend und vollkommen weltfremd und damit für mich ohne jeden Wert, wenn irgend jemand einen ihm genehmen "Normgeschmack" festlegt und behauptet, dies sei "DER" Geschmack und alles was anders schmeckt sei schlecht. Lächerlich.

halsbandschnaepper am 04.12.2018 um 05:15 Uhr
Troll-Geschmack..

Sicherlich hat jeder einen anderen Geschmack was ein Troll ist. Aber die meisten (99,9%) halten sich an die gängige Definition. Für Mehrheit ist ein Troll so einer wie Remember_Carthage und GuessWhat. Genauso wie für die Mehrheit eine gute Schokoloade nach Schokolade schmeckt und nicht nach Fehlaromen.

Gelöschter Nutzer am 03.12.2018 um 19:36 Uhr
@Stiftung_Warentest

Ihre Antwort bestätigt doch exakt die Kritik von @Remember_Carthage. Er (oder sie) kritisiert das Fehlen eines allgemeinverbindlichen Normgeschmacks. Sie antworten darauf, dass sie selbst einen solchen festlegen.
Was soll diese Antwort? Sie legen aus eigenem Ermessen heraus einen "allgemeinverbindlichen" Geschmack fest. Schmeckt ein Produkt anders, wird es abgewertet.
Daraus spricht für mich eine nicht akzeptable Überheblichkeit und Anmaßung. Mit welchem Recht glaubt die Stiftung_Warentest Normgeber für Geschmack sein zu können? Wieso ist ihr Geschmack "richtiger" als meiner oder der eines jeden anderen Menschen?
Testen sie Inhaltsstoffe, Haltbarkeit, Funktion, meinetwegen auch Umwelteigenschaften, aber maßen sie sich nicht an, ihren Lesern zu erklären, was ihnen zu schmecken hat oder nicht. Oder wann bewerten sie Kunst? Dafür können sie doch sicher auch "Normkriterien" entwickeln, oder?

Profilbild Stiftung_Warentest am 03.12.2018 um 15:14 Uhr
Sensorik Milch

@Remember_Carthage: Für Milch gilt folgende „neutrale“ Beschreibung (= Normalgeschmack): Aussehen: milchigweiß, homogen, frei von Fettschlieren; Geruch: frisch, rein, deutliche Milchnote; Geschmack: frisch, rein, sehr leicht süß. Weist Milch einen Kochgeschmack auf, wird dieser vom Prüfer als Fehlgeschmack beschrieben. Eine derartige Milch ist somit nicht fehlerfrei und würde in unserem sensorischen Urteil mit Punktabzug bewertet. (bp)