Das war der Gipfel: Am 15. Januar beschloss die Schweizer Nationalbank, den Wechselkurs des Schweizer Franken freizugeben. Der Schritt löste heftige Turbulenzen auf Währungs- und Aktienmärkten aus. Der Handel mit Schweizer Aktien wurde zeitweise eingestellt. Der Kurs des Franken schnellte nach oben. test.de skizziert die Folgen für Anleger, Urlauber – und Schweizer.
Die Kehrseite der Stärke
Der Schweizer Franken galt schon seit je als Fluchtwährung in Krisenzeiten. Nicht von ungefähr wertete er in den Jahren der Finanzkrise und der sich anschließenden Eurokrise immer weiter auf. Mitte August 2011 schließlich lag der Kurs nahe der Parität – ein Euro gleich ein Franken. Am 6. September 2011 setzte die Schweizer Nationalbank (SNB) der wochenlangen Jagd auf ihre Währung ein jähes Ende und verkündete einen Mindestkurs von 1,20 Franken pro Euro. Teurer sollte die Schweizer Währung nicht mehr werden, zum Schutz der heimischen Wirtschaft, deren Waren auf dem Weltmarkt immer mehr kosteten. Um ihre Währung auf einem günstigen Niveau zu halten, musste die SNB Franken auf den Markt werfen und Euro aufkaufen. Je stärker der Franken zu werden drohte, desto größer – und teurer – wurden diese Stützungskäufe. Nun zogen die Notenbanker die Reißleine und beendeten ihr Stützungsprogramm. Außerdem berechnen sie künftig auf Einlagen über 10 Millionen Franken einen Negativzins von 0,75 Prozent pro Jahr. Das soll Großinvestoren von Anlagen in Schweizer Franken abhalten.
Der Franken-Euro-Kurs schlägt aus
Kurz nachdem die Nationalbank ihren Entschluss verkündet hatte, schlugen die Währungskurse Kapriolen. Plötzlich gab es für einen Euro nicht mehr 1,20 Franken, sondern nur noch 86 Rappen. Schließlich pendelte sich der Kurs bei 1,02 Franken je Euro ein. Auch der Preis des Euro in Dollar gab nach und fiel auf unter 1,16 Dollar je Euro. Der Dax brach zeitweise um 2 Prozent ein, erholte sich aber schnell wieder und knackte erneut die 10 000-Punkte-Marke.
Schweizer Leitindex verliert neun Prozent an einem Tag
Das gab es noch nie: Seit Jahrzehnten gehört der Schweizer Aktienmarkt zu den erfolgreichsten und stabilsten der Welt, doch am 15. Januar verlor der Leitindex SMI an einem einzigen Handelstag fast 9 Prozent. Der Grund: Die starke Aufwertung des Schweizer Frankens macht eidgenössische Produkte für ausländische Käufer deutlich teurer. Das trübt ihre Exportchancen. Zu den größten Verlierern gehörten die Uhrenmarke Swatch und der Luxusgüterkonzern Cie Financière Richemont, bekannt zum Beispiel für Cartier-Schmuck und Montblanc-Füller. Nur ein Indexmitglied blieb von dem Crash fast unberührt: Die Telefongesellschaft Swisscom verdient ihr Geld weitgehend innerhalb der Schweiz.
Crash ohne Folgen für deutsche Anleger
Für deutsche Anleger, die Schweizer Aktien besitzen, hatte der Crash bisher keine negativen Folgen. Im Gegenteil: Bei den drei größten Titeln Nestle, Novartis und Roche waren die Währungsgewinne deutlich größer als die Kursverluste. Aus Euro-Sicht erreichten die Aktien sogar neue Höchststände. Auch bei künftigen Dividendenzahlungen würden deutsche Aktionäre vom starken Schweizer Franken profitieren. Grundsätzlich sind Unternehmen, die Produktionsstätten rund um den Globus haben, nicht so stark von den Wechselkurswirren betroffen. Das trifft auf Nestle als weltgrößten Lebensmittelkonzern ebenso zu wie auf die Pharmariesen Novartis und Roche.
Tipp: Für Fondsanleger spielt der Schweizer Aktienmarkt nur eine Nebenrolle. Im Weltaktienindex MSCI World ist er mit 3,5 Prozent vertreten. Auch hier profitierten Euro-Anleger vom starken Franken, aber noch viel stärker vom starken US-Dollar. Allerdings sollten sie nicht darauf spekulieren, dass diese Entwicklung immer so weitergehen wird. In der Vergangenheit gab es auch schon längere Zeiträume, in denen Kursgewinne ausländischer Aktien durch einen starken Euro geschmälert wurden. Wer langfristig in internationale Aktienmärkte investiert, muss Wechselkursschwankungen keine große Beachtung schenken. Anlegern, die die Entwicklung von Aktienfonds Welt und Aktienfonds Schweiz beobachten wollen, hilft ein Blick in den Produktfinder Fonds. Dort finden sie Bewertungen für rund 3 500 aktiv gemanagte Fonds und ETF aus 41 Fondsgruppen – von Aktienfonds Welt bis Rohstofffonds.
Einmal Käsefondue für die Familie – macht 99 Euro
Wer hingegen in der Schweiz seinen Urlaub verbringen will, muss nun tiefer in die Tasche greifen – oder vielleicht sogar absagen. Ein 6-Tages-Skipass rund um Zermatt, dem Skigebiet am Matterhorn, kostet für Erwachsene 380 Franken, für Kinder die Hälfte. Eine Familie mit zwei Kindern zahlt jetzt 1120 Euro statt 950 Euro, einmal Käsefondue essen gehen kostet 99 Euro statt 83 – und da sind die Getränke noch gar nicht mit drin. Die Schweiz war schon seit Jahrzehnten ein teurer Urlaubsspaß, jetzt können ihn sich noch weniger leisten. Entsprechend entrüstet sind die Reaktionen aus der Tourismusbranche.
„20 Prozent auf alles“
Der kleine Grenzverkehr Richtung Deutschland profitiert allerdings von dem starken Franken: Für alle Schweizer, die in der Nähe zur Grenze leben, lohnt sich die Einkaufstour zum Nachbarn jetzt noch mehr. „20 Prozent auf alles“, freute sich die Neue Zürcher Zeitung für die Schweizer Konsumenten: Lebensmittel, Kleider, bis hin zum Autokauf – günstiger war’s nie.