
Nicht selten in der Frühschwangerschaft: Das Gefühl, sich übergeben zu müssen. © mauritius images / Alamy / Andriy Popov
In den ersten Schwangerschaftswochen ist den meisten Frauen oft schlecht. Ihr Körper reagiert damit auf hormonelle Umstellungen. Bei vielen Betroffenen sind die Beschwerden harmlos und klingen nach dem dritten Monat ab. 2 Prozent der Schwangeren leiden aber so gravierend, dass Risiken für Mutter und Kind bestehen und ein Arzt sie behandeln sollte. Hier erfahren Sie, was gegen leichte und schwere Übelkeit hilft und ob von den Medikamenten Risiken ausgehen.
Morgens wird vielen schlecht
Der Beginn einer Schwangerschaft kündigt sich oft mit Übelkeit an: In der vierten bis siebten Schwangerschaftswoche wird 70 bis 90 Prozent der Frauen immer wieder schlecht – vor allem morgens. Einige müssen sich übergeben, andere nicht. Die Beschwerden empfinden die Betroffenen in der Regel als leicht bis moderat. Mit der Übelkeit reagiert der Körper auf die hormonellen Veränderungen. 60 Prozent der Betroffenen sind das Leiden am Ende des dritten Schwangerschaftsmonats wieder los, am Ende des fünften Schwangerschaftsmonats sind es 90 Prozent. Für Mutter und Kind sind leichte bis mittlere Beschwerden normalerweise harmlos, sie lassen sich häufig mit Hausmitteln lindern (siehe unten). Schwangere mit schweren Symptomen sollten aber zum Arzt gehen.
2 Prozent der Schwangeren erbrechen sich häufig und heftig
Etwa 2 Prozent der Schwangeren müssen sich auffallend häufig und heftig übergeben. Die Beschwerden können so stark ausgeprägt sein, dass die Frauen weder flüssige noch feste Nahrung bei sich behalten. Sie verlieren Flüssigkeit, Elektrolyte wie Natrium und Kalium und sind allgemein von Mangelernährung bedroht – gefährlich für die Gesundheit der Mutter und des ungeborenen Kindes. Für das Kind vergrößert sich dann das Risiko, zu früh oder mit wenig Gewicht auf die Welt zu kommen. Unaufhörliches Erbrechen kann auch auf die Psyche schlagen: Forscher berichten von enormen seelischen Belastungen für die werdende Mutter und ihre Familien. Einige verspürten sogar den Wunsch, die Schwangerschaft zu beenden. Immerhin verschwindet diese schwere Ausprägung der Übelkeit in den meisten Fällen nach dem ersten Schwangerschaftsdrittel.
Bei schwerem Erbrechen zum Arzt gehen
Bei Frauen mit schweren Symptomen sollte ein Arzt abklären, ob eventuell andere Erkrankungen vorliegen – wie eine Leber- oder Bauchspeicheldrüsenentzündung oder eine Stoffwechselerkrankung. Wenn er eine schwere Schwangerschaftsübelkeit (Hyperemesis gravidarum) diagnostiziert, müssen einige Patientinnen ins Krankenhaus. Dort bekommen sie dann Infusionen, um Flüssigkeitsverluste auszugleichen. Anderen Frauen kann der Arzt gängige Medikamente gegen Übelkeit und Erbrechen verordnen. Allerdings sind diese mit einer Ausnahme – dem Kombi-Präparat mit Doxylamin plus Pyridoxin – in Deutschland nicht ausdrücklich zur Behandlung von Übelkeit und Erbrechen in der Schwangerschaft zugelassen. Für einige Mittel liegen immerhin Erfahrungen zum Einsatz in dieser sensiblen Phase vor.
Hier ein Überblick:
Mittel gegen Allergien können schlimme Symptome lindern
Als Medikamente gegen starke Schwangerschaftsübelkeit kommen Antihistaminika in Frage. Üblicherweise nutzen sie Allergiker, aber etliche Wirkstoffe helfen auch gegen Übelkeit und Erbrechen. Der Grund: Sie behindern Nervenschaltungen, die Impulse – etwa vom Gleichgewichtsorgan im Innenohr zum Brechzentrum – weiterleiten. Bislang liegen nur wenige Studien zum Nutzen von Antihistaminika gegen Schwangerschaftsübelkeit und -erbrechen vor.
Wichtig: Schwangere sollten diese nur in Rücksprache mit einem Arzt einnehmen und nur in den ersten sechs Schwangerschaftsmonaten. Im letzten Schwangerschaftsdrittel können die Wirkstoffe vorzeitige Wehen auslösen.
- Dimenhydrinat und Diphenhydramin. Bei Beobachtungen von vielen tausend Schwangeren, die Dimenhydrinat oder Diphenhydramin gegen Schwangerschaftsübelkeit eingenommen hatten, fielen keine gravierenden Risiken für Mutter oder Kind auf. Allerdings zeigten einige Neugeborene Anpassungsstörungen und Entzugssymptome wie Zittrigkeit und Durchfall, wenn die Mutter den Wirkstoff in der Schwangerschaft dauerhaft angewendet hatte.
- Doxylamin plus Pyridoxin. Die Kombination aus dem Antihistaminikum Doxylamin und Vitamin B6 (Pyridoxin) ist derzeit in Deutschland das einzige zugelassene Arzneimittel für Schwangerschaftserbrechen. Allerdings gilt es nicht als besonders wirksam. Zudem ist nicht ausreichend nachgewiesen, dass die Kombination wirksamer ist als die Einzelwirkstoffe. Hinzu kommt, dass unerwünschte Wirkungen auftreten können: Schläfrigkeit, trockener Mund, Sehstörungen, Magen-Darm-Störungen, Herzrhythmusstörungen. Mehr Infos im Online-Portal der Charité Universitätsmedizin Berlin: embryotox.de
- Meclozin. Dieses Antihistaminikum macht nur leicht müde. Aus Beobachtungen von vielen tausend Schwangeren, die Melcozin genutzt hatten, ergaben sich keine Hinweise auf Risiken für Mutter oder Kind – so steht es im Onlineportal embryotox.de. Allerdings ist das Mittel nur noch im Ausland und über Auslandsapotheken erhältlich. Bis 2007 war es als Fertigarzneimittel Postadoxin auf dem deutschen Markt erhältlich. Der Hersteller stellte den Vertrieb aus wirtschaftlichen Gründen hierzulande ein.
Wenn nichts anderes mehr hilft: Spezielle Wirkstoffe gegen Erbrechen
Der Arzt kann einer Schwangeren auch Mittel mit Wirkstoffen verordnen, die sonst gegen Erbrechen in anderen Zusammenhängen eingesetzt werden – zum Beispiel bei Migräne oder Krebsbehandlungen.
- Metoclopramid. Der Wirkstoff ist vor allem dann angebracht, wenn noch Magensäure in die Speiseröhre zurückfließt. Metoclopramid regt die Magenbewegungen an und hilft, dass die Nahrung schneller in den Darm gelangt. Aus umfangreichen Erfahrungsberichten lassen sich zwar keine Risiken für das ungeborene Kind ausmachen, aber für die Mutter: Bei ihr überwindet der Wirkstoff die Blut-Hirn-Schranke und kann im Gehirn schwere Nebenwirkungen verursachen – etwa Bewegungsstörungen wie Muskelkrämpfe oder unwillkürliches Zucken der Muskeln an Hals, Nacken oder Gesicht. Das Risiko dafür steigt mit der Dosis und Anwendungsdauer. Schwangere sollten den Wirkstoff daher nur für kurze Zeit – maximal fünf Tage – einnehmen. Mehr Infos: Medikamente im Test und embryotox.de
- Ondansetron. In der Schwangerschaft kommt dieser Wirkstoff erst in Frage, wenn andere Mittel nicht mehr helfen. Normalerweise erhalten ihn Krebspatienten, wenn Strahlentherapie oder Krebsmedikamente (Zytostatika) schlimme Übelkeit und Erbrechen auslösen. Ondansetron besetzt als Gegenspieler zum Nervenbotenstoff 5-Hydroxytryptamin-3 (abgekürzt 5-HT3 oder Serotonin-3) dessen Bindestellen im Brechzentrum des Gehirns. Übelkeit und Erbrechen bleiben dadurch aus. Laut Studienlage wirkt das Medikament zwar sehr gut gegen Übelkeit und Erbrechen, aber eine Untersuchung mit Schwangeren liefert Hinweise auf ein leicht erhöhtes Risiko für Lippen-Kiefer-Gaumenspalten beim ungeborenen Kind. Statt 11 von 10 000 Kindern seien nach Einnahme des Mittels im ersten Schwangerschaftsdrittel 14 von 10 000 Kindern von dieser Fehlbildung betroffen. Die Datenlage ist allerdings widersprüchlich, andere Studien finden diesen Zusammenhang nicht. Das Risiko müssen die Schwangere und der Arzt mit den negativen Auswirkungen eines schweren, nicht anders behandelbaren Erbrechens für Mutter und Kind abwägen. Bei etwa jeder dritten Schwangeren führt Ondansetron zu Verstopfung, Präparate mit Laktulose oder Macrogol können dann gegensteuern. Mehr Infos: Medikamente im Test und embryotox.de
Bei leichten bis mittleren Beschwerden: bewusst essen und entschleunigen
Schwangere, die nur an leichter Übelkeit leiden, sollten möglichst auf Medikamente verzichten. Eine bewusste Ernährung, Entlastungen und Hausmittel können das Wohlbefinden verbessern. Hier einige Tipps:
- Alle zwei Stunden ein Häppchen. Nehmen Sie regelmäßig kleine, kohlenhydrat- und proteinreiche Mahlzeiten zu sich. Probieren Sie, alle ein bis zwei Stunden eine kleine Portion zu essen, da ein leerer Magen die Übelkeit verstärken kann. Essen Sie langsam.
- Kleine Bettmahlzeit. Essen Sie am Morgen noch vor dem Aufstehen eine Kleinigkeit im Bett.
- Extreme meiden. Meiden Sie stark zuckerhaltige Nahrungsmittel, ebenso stark gewürztes, gebratenes und sehr fettreiches Essen.
- Neutrale Speisen probieren. Greifen Sie zu wenig intensiv schmeckenden, trockenen, salzigen Snacks wie Crackern, Nüssen, Brezeln, Toast.
- Genug trinken. Trinken Sie mindestens 1,5 Liter am Tag. Vielen Schwangeren tun zwischendurch kalte, klare, kohlensäurehaltige Getränke gut und nach dem Essen ein Pfefferminztee.
- Auf Mundhygiene achten. Putzen Sie sich nach dem Essen die Zähne oder spülen Sie den Mund gut aus.
- Auslöser meiden. Vielen Schwangeren wird schlecht, wenn sie bestimmte Gerüche wahrnehmen oder besondere Nahrungsmittel essen. Auch stressige Situationen, Hitze, laute Geräusche, Licht und Fahrten in schwankenden Fahrzeugen wie dem Bus können Übelkeit fördern.
- Nach Entlastung suchen. Es kann sich positiv auf die Beschwerden auswirken, wenn die Schwangere sich medizinisch gut betreut fühlt und die Familie sie gut unterstützt – zum Beispiel bei der Betreuung älterer Kinder oder im Haushalt.
Rezeptfreies Ingwerpulver und Vitamin B6
In Apotheken und Drogeriemärkten finden Schwangeren rezeptfreies Ingwerpulver und Vitamin B6. Beides kann gegen leichte Übelkeit helfen, aber nicht gegen Erbrechen.
- Pulverisierte Ingwerwurzel. Damit die erwünschte Wirkung eintritt, muss das Ingwerpulver hoch genug dosiert werden (1 bis 1,5 Gramm während 24 Stunden). Die Qualität der Studien reicht aber für eine sichere Empfehlung nicht aus, die therapeutische Wirksamkeit sollte noch besser belegt werden. Mögliche harmlose Nebenwirkung: Einige Schwangere müssen sauer aufstoßen oder bekommen Sodbrennen. Eine kurzzeitige Anwendung erscheint vertretbar. Ob auch Ingwertee oder größere Mengen an Ingwer im Essen positive Effekte habe, ist noch unklar.
- Vitamin B6 (Pyridoxin). Die Vitamin-Präparate sollen das Hormonungleichgewicht im Körper regulieren und so die Schwangerschaftsübelkeit angehen, beschreiben Wissenschaftler in einer Studienauswertung des wissenschaftliches Netzwerks Cochrane. Das wasserlösliche Vitamin B6 ist in jeder Körperzelle an unzähligen Prozessen beteiligt, besonders am Stoffwechsel von Aminosäuren und Proteinen. Wenden Sie B6 nur in Rücksprache mit Ihrem Arzt an. Mehr Infos auf embryotox.de
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@Thorsten.Maverick: Welche Vitalstoffe Schwangere tatsächlich benötigen, erläutern wir im Test: "Nahrungsergänzungsmittel für Schwangere", den wir im Sommer 2019 durchgeführt haben: www.test.de/Nahrungsergaenzungsmittel-fuer-Schwangere-Gut-versorgt-ab-7Cent-5473688-0/ (bp)
Leider wird viel zu wenig beachtet, daß die meisten Frauen bereits vor der Schwangerschaft bei vielen Vitalstoffen Mängel haben. Wenn dann auch noch das Kind mitversorgt werden muß, gibt es Probleme. Die Referenzwerte sind meist auch zu niedrig. Frau sollte folgendes testen: Vitamin D (60 ng im Serum sind gut), Vitamion B12 (unbedingt Holo-tc testen), Ferritin, die Schilddrüsenwerte (fT3, fT4, reverses T3,TPO, TRAK etc., TSH allein reicht nicht). Jod ist besonders kritisch, ohne Substitution schafft niemand die guten 150 µg pro g Kreatin im Spontanurin. Hier sollte man zuerst langsam die Joddosis hochfahren und dann testen, ob es reicht. Eine gute Jodversorgung erleichtert die Empfängnis und steigert den IQ des Kindes. Die Schwangerschaft verläuft dann auch meist ohne Probleme. Eine höhere Dosis im mg-Bereich vor und in der Schwangerschaft ist in Japan üblich und hat normal keine negativen Konsequenzen.