Schulterschmerzen Eigentherapie

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Überlastung, Muskelschwäche, Gelenk­­verschleiß – Schulterschmerzen haben viele Ursachen. Die Patienten selbst sind in all diesen Fällen oft die besten Therapeuten.

Die Schulter ist das beweglichste Gelenk des Körpers. Muskeln, Sehnen, Bänder, ein großer Schleimbeutel und eine stabile Gelenkkapsel machen das Kugelgelenk beweglich und sorgen gleichzeitig für den sicheren Halt des Oberarms in der Gelenkpfanne. Das macht sie aber auch besonders empfindlich und verletzungsanfällig. Außerdem ist die Schulter im Alltag und beim Sport hohen Belastungen ausgesetzt.

Viele Menschen leiden unter Schulterschmerzen, ab Mitte 30 nimmt ihre Zahl rapide zu. In jüngeren Jahren sind es eher Sportler wie Basketballer oder Schwimmer, deren Schultern das wiederholte Hochreißen der Arme nicht bekommt. Auch Verletzungen – Stürze, Schläge, Knochenbrüche – oder Verrenkungen können zu Schulterproblemen führen. Häufiges Über-Kopf-Arbeiten wie Anstreichen, einseitige Haltung am Computer, Zwangshaltungen von Musikern oder Zahnärzten haben im Lauf der Jahre ebenfalls Schädigungen und Einschränkungen zur Folge.

Ab etwa 40 Jahre finden sich außerdem häufig Kalkeinlagerungen in den Sehnen, ab 50 nimmt die Abnutzung des Knorpels zu. Die Schmerzen treten vor allem auf, wenn man den Arm anhebt, besonders zur Seite, oder wenn man nach hinten greift, zum Beispiel, um den Mantel anzuziehen. Auch schweres Tragen kann unangenehm sein. Nachts ist der Schmerz manchmal besonders intensiv und allein das Liegen auf der Schulter verschlimmert das Problem. Manch einer quält sich monate- oder sogar jahrelang mit den Schmerzen und verschiedenen Therapieversuchen, wird häufig krankgeschrieben und landet schließlich auf dem Operationstisch.

Aktiver Einsatz der Patienten

Doch bevor es so weit kommt, ist für viele Schulterkranke Besserung durch eine relativ einfache und preisgünstige Vorgehensweise möglich. Das zeigte jetzt ein Ärzte- und Physiotherapeutenteam um den Düsseldorfer Orthopäden Dr. Andreas Werner. Die Behandlung erfordert allerdings den aktiven, nahezu täglichen Einsatz der Patienten selbst, denn im Grunde sind sie ihre eigenen Therapeuten.

Die Schulterspezialisten der Unikliniken Düsseldorf und Würzburg überzeugten für ihre Studie Patienten, die sich schon zur Operation entschlossen hatten, noch einmal einen konventionellen Therapieversuch zu unternehmen, nämlich wichtige Schulter- und Rückenmuskeln zu kräftigen. Ursache der Schmerzen war bei allen ein Engpass unter dem Schulterdach. Allerdings kamen für die Studie nur Patienten ohne schwerwiegende Sehnen-, Muskel-, Knorpel- oder Knochenschäden infrage.

Im Durchschnitt plagten sich die Studienteilnehmer seit rund zwei Jahren mit ihren Schulterproblemen, einzelne sogar schon zwischen fünf und zehn Jahre. Behandlungen wie Krankengymnastik, Massagen, Stromanwendungen, Spritzen und Tabletten hatten nicht zum Erfolg geführt.

Die Forscher teilten die Patienten in zwei Gruppen ein: Der einen verordneten sie reguläre Krankengymnastik mit dem Zusatz „zentrierendes Training für die Rotatoren“. Die andere Gruppe sollte selbstständig mit dem Theraband trainieren. Die Patienten bekamen Illustrationen und schriftliche Anleitungen für die Übungen. Eingeübt und kontrolliert wurde das Programm von einem Physiotherapeuten in maximal vier Sitzungen. In den folgenden drei Monaten trainierten sie fünfmal in der Woche jeweils zehn bis fünfzehn Minuten.

Weniger Schmerzen

Vor Beginn des Programms untersuchten die Mediziner ihre Patienten – auch mithilfe von Ultraschall und Röntgenaufnahmen. Außerdem befragten sie sie zu ihrem Schmerzempfinden, prüften ihre Beweglichkeit und Muskelkraft. Diese Untersuchungen wurden nach sechs Wochen und drei Monaten wiederholt. Die Ergebnisse beider Übungsgruppen waren ähnlich gut: Die Schmerzen waren zurückgegangen und im täglichen Leben waren die Patienten aktiver geworden.

Auch wenn ihre Kraft und Beweglichkeit in diesem Zeitraum noch nicht wesentlich zugenommen hatte – ihre Zufriedenheit mit den Kräftigungsübungen war hoch. Die Schulterkranken, die in Eigenregie trainierten, vergaben mit 1,9 dafür sogar noch eine bessere Durchschnittsnote als die Krankengymnastik-Gruppe mit 2,8.

Zeitalter der Schulter

Studienleiter Dr. Andreas Werner ist zufrieden mit dem Resultat. Schon andere Forscher waren zuvor zu ähnlichen Ergebnissen gekommen. Sogar Operationen sind nicht unbedingt erfolgreicher als das gezielte Muskeltraining. Bei entsprechend motivierten Patienten hält er ein selbstständiges und kostengünstiges Übungsprogramm nach vorheriger Anleitung für sinnvoller, als konventionelle Krankengymnastik zu verordnen.

Einziges Problem: Bisher spielt die Eigentherapie in Deutschland, anders als zum Beispiel in Nordamerika, noch keine wesentliche Rolle. In Zeiten klammer Kassen könnte das anders werden. „Im Übrigen“, so Dr. Andreas Werner, „ist jetzt nach intensiver Beschäftigung mit Hüfte und Knie das Zeitalter der Schulter angebrochen.“

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