
Manche Neugeborene stellen ihre Eltern auf die Geduldprobe. Sie quengeln und schreien stundenlang, ohne sich beruhigen zu lassen. Lange galten sogenannte Dreimonatskoliken als Hauptursache für exzessives Schreien, neue Studien weisen aber auf andere Gründe hin. test informiert, wann ein Baby ein echtes Schreibaby ist und was Eltern dagegen unternehmen können.
Nicht jeder Schreihals ist ein Schreibaby
Wenn ein Baby viel schreit, können Wahrnehmung und Wirklichkeit auseinanderklaffen: Ein Fünftel der Eltern von zwei Monate alten Babys klagt darüber, dass ihr ansonsten gesundes Baby übermäßig schreit. Nach Einschätzung von Forschern schreit aber nur jedes siebte bis zehnte Kind deutlich mehr als Gleichaltrige. Ob ein Baby zu den Schreibabys gehört, lässt sich nach einer Dreier-Regel diagnostizieren: Es schreit mehr als drei Stunden am Tag, an mehr als drei Tagen in der Woche und während mehr als drei Wochen. Dabei lassen sich die Schreiattacken nicht stillen. Schreibabys haben oft typische Unruhezeiten, häufig am Tagesende von 17 Uhr bis Mitternacht.
Reifungsverzögerungen lösen Schreianfälle aus
Ein Bericht in der Ärztezeitschrift British Medical Journal fasst aktuelle Studien zum Thema Schreibabys zusammen. Die Forscher machen darin überwiegend vorübergehende Reifungsverzögerungen für das exzessive Schreien verantwortlich, das ab der zweiten Lebenswoche einsetzen kann. Die betroffenen Babys seien in den ersten drei bis vier Monaten besonders empfindlich für Reize, neigten zu intensiven und überschnellen Reaktion und könnten sich nur schlecht selbst beruhigen. Diese Babys brauchen nach Einschätzung der Forscher besonders viel Unterstützung von ihren Bezugspersonen, reichlich Körpernähe und einen regelmäßigen Tagesrhythmus.
Nahrungsprobleme spielen oft nur Nebenrolle
Früher hieß es, dass Dreimonatskoliken die Schreianfälle auslösen würden. Der Begriff fasst landläufig Verdauungsprobleme und Nahrungsunverträglichkeiten zusammen. Doch beides kommt seltener vor als vermutet – ebenso wie eine Kuhmilchallergie. Sie äußert sich meist auch nicht durch Brüllattacken, sondern durch trockene, gerötete und juckende Hautstellen. Anders als in der Vergangenheit schließen Experten heute auch einen Reflux als Ursache für exzessives Schreien aus, bei dem die Milch vom Magen wieder zurück in die Speiseröhre fließt. Wenn das Schreien aber immer in Zusammenhang mit einer Mahlzeit auftritt, kann zum Beispiel auch ein motorisches Problem die Ursache sein – etwa dass ein verkürztes Zungenbändchen das Saugen erschwert. Möglich ist auch, dass Babys wegen eines akuten Infekts wie einer Mittelohrentzündung unerbittlich weinen. Doch das klingt dann mit der Krankheit wieder ab. Nur in seltenen Fällen steckt eine ererbte Krankheit hinter dem intensiven Schreien. Ein Kinderarzt sollte abklären, ob Erberkrankungen wie zum Beispiel des Zentralnervensystems die Unruhe auslösen.
Meist hört das Schreien von selbst auf
Ein Trost für Eltern: Bei fünf von sechs Schreibabys enden die langen Schreistunden nach dem dritten Lebensmonat. Überdies hat es normalerweise keine Spätfolgen – aus Schreibabys werden also keine schwierigen Kinder. Ernster steht es um die Schreiprobleme von Kindern nach dem vierten und fünften Lebensmonat: Sie weinen, quengeln und jammern oft, um bestimmte Ziele zu erreichen. Auf Dauer können sich die Kleinen negativ entwickeln. Eltern, die das späte Schreien nicht stillen können, sollten sich von einem Arzt oder Familientherapeuten beraten lassen.
Erschöpfte Eltern
Ein ständig schreiendes Baby laugt viele Mütter und Väter aus. Manche leiden dann an Erschöpfungs-Zuständen, empfinden Frustration, Angst, Verunsicherung, Scham- und Schuldgefühle. Das Schreien ruft auch Wut hervor. Bei einer Befragung gaben 6 Prozent der betroffenen Eltern an, ihr Baby schon mal angeschrien oder härter angefasst zu haben. Die Gefahr: Die emotionale Einstellung oder die Zuwendungsbereitschaft gegenüber dem Kind kann sinken. Die Mütter und Väter finden dann Hilfe in Schreiambulanzen, die es bundesweit gibt.