Die süße Schokolade hat eine bittere Seite: Nach Medienberichten stammt der Kakao oft von Bauern, die für ihre Ernte nicht genug Geld bekommen und am Existenzminimum leben. Auch ausbeuterische Kinderarbeit wird dabei häufig kritisiert. Die Stiftung Warentest hat die Anbieter der Nussschokoladen im Test gefragt, wie sie sich für nachhaltigen Kakaoanbau engagieren. Alle haben ihren Einsatz beschrieben – er fällt unterschiedlich aus. test.de stellt die Anbieterangaben vor, allerdings ohne jegliche Kontrolle vor Ort.
Teufelskreis in Westafrika

Woher der Kakao stammt. © Stiftung Warentest

Das passt nicht zusammen: Während ein Bundesbürger für manche Tafel Nussschokolade nur 39 Cent zahlt, können viele Kakaobauern von ihrer Ernte kaum leben. Schlechte Bezahlung, Leben an der Existenzgrenze, ausbeuterische Kinderarbeit – seit 2001 berichten Medien über eklatante Missstände im Kakaoanbau. Als besonders schlimm gilt die Lage in Westafrika. Von dort stammt der Großteil des Kakaos für Deutschland, vor allem aus dem Land Elfenbeinküste (siehe Grafik). Der Kakaoanbau erfolgt zu 90 Prozent bei Kleinbauern, auf Flächen bis zu 7 Hektar in teils entlegenen Gebieten. Die Armut der Bauern hat einen Teufelskreis in Gang gesetzt: Sie können nur wenig in die Pflege der Kakaobäume investieren, die anfälligen Früchte schlecht vor Krankheiten und Parasiten schützen. Auch Geld für Dünger und technische Hilfsmittel fehlt, vor allem aber das Basiswissen für einen produktiveren und nachhaltigeren Kakaoanbau. Das alles drückt den Lebensstandard weiter, kann aber auch die Erträge und die Qualität des Kakaos verringern.
Die Interessen der Schokoladenindustrie
Die Schokoladenindustrie hat die Missstände im Kakaoanbau in den vergangenen Jahren erkannt. Schließlich sind die Hersteller auf immer größere Mengen aromatischen und schadstofffreien Kakaos angewiesen, denn die Nachfrage steigt: Von 1970 bis heute hat sich allein die Schokoladenproduktion in Deutschland vervierfacht. „In den vergangenen Jahrzehnten ist der reale Preis von Kakao gesunken. Im gleichen Zeitraum ist in Deutschland gemessen an der Kaufkraft Schokolade immer billiger geworden“, erklärt Friedel Hütz-Adams vom Institut für Ökonomie und Ökumene Südwind. Fünf große Schokoladenproduzenten dominierten 2011 den Weltkakaomarkt und damit die Preise: Kraft Foods/Cadbury, Mars, Nestlé, Hershey’s und Ferrero.
Ziel 2020: 50 Prozent Kakao zertifiziert
„Nachweislich nachhaltig erzeugter Kakao ist derzeit nur in geringen Mengen auf dem Weltmarkt verfügbar“, erklärt der Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI). Der Anteil betrage nur etwa 5 Prozent. Drei Organisationen zertifizieren den Großteil dieses Kakaos: Fairtrade, Utz und Rainforest Alliance. Hinzu kommen noch kleinere Zertifizierer wie Naturland Fair oder das Markenprogramm von Rapunzel Hand-in-Hand Fairtrade. Die Süßwarenhersteller haben angekündigt, den Anteil von nachhaltig erzeugtem Kakao in der deutschen Schokoladenproduktion bis 2020 auf 50 Prozent zu steigern. Um dieses Ziel zu erreichen, hat sich die Industrie mit der Politik und Nichtregierungsorganisationen 2012 zum Forum nachhaltiger Kakao zusammengeschlossen. „Bisher sind die Fördermaßnahmen weitgehend unkoordiniert und dadurch nur begrenzt wirksam“, bekennt das Forum. Demnächst sollen europäische Nachhaltigkeitsstandards entwickelt werden.
Die Stiftung Warentest hat die Anbieter befragt
Die Stiftung Warentest hat alle Anbieter der Nussschokoladen im Test schriftlich befragt: Wie kaufen Sie die Kakaobohnen ein? Welche Nachhaltigkeitsinitiativen ergreifen Sie? Setzen Sie sich für soziale Mindeststandards ein? Ergreifen Sie Maßnahmen, um ausbeuterische Kinder- und Zwangsarbeit zu verhindern? Die Antworten der Anbieter sind unterschiedlich ausführlich; sie zeigen, dass eine Auseinandersetzung mit dem Thema stattfindet. Die Stiftung Warentest stellt die Anbieterangaben vor, auch wenn sie diese nicht überprüft hat. Die Anbieter von fünf Nussschokoladen möchten ihre Antworten vertraulich behandelt wissen, so dass test.de nur auf deren Websites recherchieren konnte.
Bio- und Fairtradeprodukte: Kakao von Kooperativen
Genauere Angaben zur Herkunft des Kakaos machen die sechs Anbieter, deren Nussschokoladen die Siegel Fairtrade, Naturland Fair, Rapunzel Hand-in-Hand Fairtrade und/oder Bio tragen. Die Label Fairtrade und Naturland-Fair bieten einen Transparenz-Bonus: Sie benennen den konkreten Anteil an fair gehandelten Zutaten. Bei Gepa sind das 74 Prozent, bei Naturata 52,4 Prozent und bei Swiss + Confisa 58,8 Prozent.
- Gepa. Das Unternehmen gibt konkret an, dass die Kakaobutter von der Kleinbauernkooperative „El Naranjillo“ in Peru weiterverarbeitet werde. Der Rohkakao komme von demokratisch organisierten Kleinbauerngenossenschaften in der Dominikanischen Republik, in Bolivien und Peru.
- Naturata. Der Anbieter gibt auf seiner Website an, dass der Kakao von dem Kleinbauern-Projekt Yacao in der Dominikanischen Republik stamme.
- Rapunzel. Die Firma verweist auf Kooperativen als Handelspartner sowie auf firmeneigene Inspektionen vor Ort.
- Rossmann. Die Drogeriemarktkette verweist für seine Schokolade EnerBio auf einen Importeur. Die Kakaofarmen würden im Ursprungsland besucht, um sicherzustellen, dass die Kakaoerzeugung der Nachhaltigkeitspolitik des Herstellers entspricht.
- Swiss + Confisa. Der Hersteller Chocolats Halba betont, direkt mit Kooperativen in Peru, Honduras, Ghana und Ecuador zusammenzuarbeiten.
- Vivani. Der Anbieter arbeitet mit einem Importeur zusammen und besucht seine Kakaofarmen. So soll sichergestellt werden, dass der Kakaoanbau der Nachhaltigkeitspolitik des Hauses entspricht.
Viele konventionelle Anbieter setzen auf Zwischenhändler
Etliche Anbieter geben nicht an, woher der Kakao für ihre Nussschokolade genau stammt und pflegen auch keinen direkten Vorort-Kontakt. Aldi (Nord) und Aldi Süd schreiben, den Großteil ihres Kakaos über Zwischenhändler zu beziehen, die sich an der Kakaobörse in London orientieren. „Eine individuelle Zuordnung des Kakaos zu einzelnen Plantagen können wir noch nicht vornehmen“, heißt es bei Aldi (Nord). Auch Stollwerck (Alpia, Sarotti, Karina) nennt keine konkrete Einkaufstelle. Der Kakao werde „ausschließlich über europäische Zwischenhändler“ bezogen. Gleiche Angaben liegen den Testern für die Eigenmarken Real/Tip, Netto Supermarkt, Netto Marken-Discount und Edeka/Gut&Günstig vor. Feodora und Hachez, die beide zum dänischen Konzern Toms gehören, erklären auf der Website: „Wir beziehen keinerlei Kakao aus der Elfenbeinküste, das Land, in dem das Problem der Kinderarbeit besonders ausgeprägt vorkommt.“ Der Kakao für die Schogetten von Trumpf sowie für die Eigenmarke von Norma stammt laut Anbieter aus drei Quellen: von Zwischenhändlern, der Börse und von Kooperativen. Kaufland gibt an, dass die Kakaobohnen über Kakaobörsen und Zwischenhändler eingekauft werden. Elf Anbieter berufen sich darauf, Utz-zertifizierten Kakao für ihre Nussschokolade zu verwenden. Lidl und Aldi Süd schreiben explizit, dass der Anteil davon 100 Prozent in der Kakaomasse ausmache. Die Rewe Group weist auf ihrer Website auf eine eigene Leitlinie für Kakaoerzeugnisse hin, die damit auch für ihre Nussschokoladen Rewe/ja! und Penny gilt. Zudem erklären viele Anbieter ergänzend, sich über ihre Mitgliedschaft beim Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie und beim Kakaoforum zu engagieren.
Firmeneigene Vorzeigeprojekte
Viele konventionelle Anbieter verweisen auf firmeneigene Vorzeigeprojekte, in die sie Geld investieren. Wie viel Prozent Kakao von dort in die Schokoladenproduktion gehen und damit in der Nussschokolade landen, bleibt allerdings unklar. Ritter Sport verweist auf sein Projekt Cacaonica in Nicaragua. Dort arbeiteten mittlerweile etwa 2 700 Bauern, die einen Abnahmepreis deutlich über dem Weltmarktpreis erhielten. Lindt hält sich allgemeiner: Das Unternehmen habe mehrere Millionen US-Dollar in die Infrastruktur und in soziale Projekte gesteckt und könne seit 2008 den Kakao aus Ghana bis zum Dorf zurückzuverfolgen. Bis 2020 solle das auch für den Kakao aus anderen Regionen möglich sein. Und Lidl schreibt, eine landwirtschaftliche Schule in der Elfenbeinküste ins Leben gerufen zu haben – gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ). Dort würden jährlich etwa 1000 Trainer ausgebildet. Auch Stollwerck gibt an, seit Januar 2012 ein Trainingsprogramm für Kakaobauern in der Elfenbeinküste zu unterstützen. Insgesamt sollen an dem Projekt zwei Kakaokooperativen mit jeweils 400 bis 500 Kakaofarmern beteiligt sein. Trumpf und Norma verweisen darauf, ein Projekt in diesem Land zu fördern. Mondelez International, der Konzern hinter der Marke Milka, hat 2012 eine Nachhaltigkeitsinitiative angekündigt. Über das Projekt Cocoa Life in der Elfenbeinküste, in Ghana, Indonesien, Indien, Brasilien und der Dominikanischen Republik sollen sich die Lebensumstände von mehr als 200 000 Kleinbauern und einer Million Menschen im Kakaoanbau verbessern. Die Projekte der Anbieter können das Firmenimage polieren, aber auch ein Anfang für sozial und ökologisch verbesserte Bedingungen im Kakaoanbau sein. Zurzeit stellen die Initiativen nur einen Tropfen auf den heißen Stein dar. Auch erfassen sie nur einen kleinen Anteil der Menschen im Kakaoanbau: Weltweit sollen 14 Millionen dort arbeiten und mehr als 40 Millionen davon leben.
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Finde ich super, dass es solche Artikel gibt!
Dazu erschien vor Kurzem auch auf der Schokoladen-Webseite Chclt.net ein interessanter Artikel. Die Geschäftsführerin einer Fairtrade-Schokoladenfirma vertrat dort die Stellung, dass die 'fairsten' Bedingungen gar nicht mit Fairtrade-Siegeln, sondern in direkter Zusammenarbeit mit den Bauern, im Idealfall sogar vor Ort erzielt werden. Aber für 39 Cent sind solche Schokoladen sicher nicht erhältlich.