„Opioide weder verharmlosen noch verteufeln“

Christoph Maier ist Experte für die Diagnostik und Behandlung von Schmerzen.
Millionen von US-Amerikanern sind opioidabhängig. Warum es dazu kam und wie die Situation hierzulande ist, erläutert Schmerzmediziner Professor Christoph Maier.
Wie konnte es zur Opioidkrise in den USA kommen?
Ärzte haben Opioide insgesamt zu leichtfertig verordnet. Zeitlich begann die Entwicklung vor mehr als 20 Jahren, als die Firma Purdue das Präparat Oxycontin auf den Markt brachte und bei Ärzten und Patienten massiv beworben hat. Dabei wurden Risiken systematisch verharmlost.
Opioide sind vor allem für schwerste Schmerzen, etwa durch Krebs, gedacht ...
Ja, aber in den USA verlagerte sich der Großteil der Verordnungen auf leichtere Beschwerden wie Rücken- oder Gelenkschmerzen, teils über lange Zeit. Natürlich bekommt dann nicht jeder Anwender Probleme – aber schätzungsweise bis zu jeder Zehnte.
Was sind die Folgen?
Die Zahl der Opioid-Süchtigen in den USA ist dramatisch gestiegen. Die Betroffenen leiden schrecklich. Sie haben Nebenwirkungen, kommen im Alltag nicht mehr klar, verwahrlosen. Viele wechseln im Lauf der Zeit zu illegaler Ware, bis hin zu Heroin. Etwa hundert Menschen täglich sterben an einer Überdosis.
Wie beurteilen Sie die Situation in Deutschland?
Eine vergleichbare Katastrophe wie in den USA halte ich bei uns für ausgeschlossen. Hier gelten weit strengere gesetzliche Regeln, was die Verordnung und Bewerbung von Opioiden betrifft. Und es gibt eine ganz andere Kultur im Umgang mit Arzneimitteln. Bei uns steht eher die Angst vor Risiken im Vordergrund. In den USA ist die Bereitschaft, Medikamente zu nehmen, insgesamt viel höher.
Aber auch in Deutschland verordnen Ärzte häufiger Opioide als vor 20 Jahren.
Das stimmt. Vor allem bei nicht-tumorbedingten chronischen Schmerzen müssen Ärzte immer gut abwägen, ob die Mittel wirklich nötig sind. Zumal der Nutzen der Langzeitbehandlung für viele Einsatzgebiete gar nicht gut durch Studien belegt ist.
Was müssen Ärzte beachten, wenn sie eine Opioid-Behandlung machen?
Sie müssen regelmäßig mit Patienten besprechen, ob die Therapie ausreichend wirkt und verträglich ist. Nur so können Ärzte nachjustieren, also beispielsweise Nebenwirkungen behandeln oder die Dosis vorsichtig anpassen. Entgegen der weitverbreiteten Meinung können übrigens auch Tumorpatienten und Sterbende abhängig werden. Wir müssen aber aufpassen, dass es nun infolge der Opioidkrise nicht zu einem Rollback kommt.
Was meinen Sie?
Geschichtlich gab es schon mehrmals Wellenbewegungen – hin zu Verharmlosung oder Verteufelung der Opioide. Wenn jetzt die Angst wieder die Oberhand gewinnt, bringen wir viele Patienten um wichtige Therapien. Bei Schmerzen durch Krebs, in der Akut- und Notfallmedizin und für schmerzarmes Operieren sind Opioide oft unverzichtbar.
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