Interview: Kein Geld für Angehörige

Angehörige von Todesopfern bekommen in Deutschland meist kein Geld. Professor Dr. Ansgar Staudinger von der Universität Bielefeld fordert neue Gesetze.
Warum ist es für Angehörige von Todesopfern in Deutschland schwer, Schmerzensgeld zu bekommen?
Staudinger: Das deutsche Recht spricht Geschädigten nur dann ein Schmerzensgeld zu, wenn sie selbst unmittelbar einen Schaden an Körper oder Gesundheit erlitten haben. Das ist beim Tod eines Angehörigen nur selten der Fall.
Um einen Anspruch geltend zu machen, muss der Hinterbliebene beweisen, dass er über das normale Maß hinaus trauert.
Wer bestimmt das normale Maß des Trauerns?
Staudinger: Das liegt in der Hand des jeweiligen Richters. Es gibt zwar Schmerzensgeldtabellen, aber diese Tabellen dienen nur zur Orientierung. Der Richter muss bei jedem Fall neu prüfen und entscheiden, ob der Tatbestand eines Schockschadens gegeben ist.
Was ist ein Schockschaden?
Staudinger: Ein Schockschaden liegt vor, wenn der Hinterbliebene durch den Tod des Angehörigen selbst krank wird. Er muss dann zum Beispiel vor Gericht nachweisen, dass er dauerhaft therapeutische Hilfe benötigt und mit Medikamenten behandelt wird.
Wie ist der Anspruch von Hinterbliebenen in anderen Ländern geregelt?
Staudinger: In England bekommen Hinterbliebene eine pauschale Summe, je nach Verwandtschaftsgrad. In anderen europäischen Rechtssystemen ist ein Nachweis erforderlich, dass tatsächlich Kontakt zum Opfer bestand. So schwer wie in Deutschland ist es allerdings in keinem der anderen 26 Länder in der Europäischen Union. Die Anpassung an EU-Recht ist deshalb längst überfällig. Hier ist neben den verantwortlichen Richtern vor allem das Bundesjustizministerium gefragt.