Ein Mann kommt nicht in seine Wohnung und ruft den Schlüsseldienst. Der herbeigeeilte Mitarbeiter öffnet die Tür, ohne dass vorher über die Kosten gesprochen wird. Dann der Schock: Rund 308 Euro will der Dienstleister für seine Arbeit. Der Bewohner bezahlt zunächst, geht aber danach zum Anwalt, weil er die Rechnung für zu hoch hält.
Für einfache Türöffnung sind 112 Euro üblich
Vor dem Amtsgericht Lingen (Niedersachsen) klagt der Kunde gegen den Schlüsseldienst. Mit Erfolg: Weil vor der Türöffnung nicht über einen Preis gesprochen wurde, schulde der Bewohner nur die „übliche Vergütung“, so das Amtsgericht Lingen. Als üblich sah das Gericht in diesem Fall rund 112 Euro an. 196 Euro bekommt der Kunde zurück (Az. 4 C 529/16, Urteil im Volltext). Außerdem muss der Schlüsseldienst die Anwaltskosten des Ausgesperrten zahlen.
Fahrtkostenpauschale: 36 Euro
Um die „übliche“ Bezahlung für eine Türöffnung zu ermitteln, orientierte sich das Amtsgericht Lingen an der Preisempfehlung des Bundesverbandes Metall (BMV). Dessen Liste sah zum Zeitpunkt des Urteils (Oktober 2016) für eine 15-minütige Türöffnung im ländlichen Raum werktags zwischen 8 und 18 Uhr eine Pauschale von rund 76 Euro vor. Hinzu kommen pauschal 36 Euro für die Fahrtkosten. So kam das Amtsgericht auf insgesamt 112 Euro.
Bei Extras darf es etwas mehr sein
Hat der Schlüsseldienst Materialkosten, weil er zum Beispiel einen neuen Schließzylinder einbauen muss, darf die Rechnung höher ausfallen. Die Verbandsempfehlung sieht dann einen Zuschlag von 36 Euro vor. Und wenn die Türöffnung länger dauert als 15 Minuten, wird es noch mal teurer: Für jede weitere angefangene Viertelstunde fallen laut BVM-Empfehlung zusätzlich zur Pauschale von 76 Euro im ländlichen Raum weitere 18,90 Euro an.
Das gilt bei Wucherpreisen
Der Fall aus Lingen weicht von der üblichen Schlüsseldienst-Abzocke ab, weil Schlüsselfirma und Wohnungsbesitzer vor der Türöffnung nicht ausdrücklich über die Kosten gesprochen hatten. Haben Dienst und Kunde über den Preis gesprochen, ist die vereinbarte Summe grundsätzlich auch zu zahlen. Mit einer wichtigen Ausnahme: Handelt es sich um Wucher, ist die Preisvereinbarung unwirksam. Als Wucher gilt nach gängiger Rechtsprechung ein Preis dann, wenn jemand etwa das Doppelte des üblichen Preises oder mehr verlangt.
Beispiel: Sind für eine Türöffnung 100 Euro üblich, kann der Schlüsseldienst durchaus 130 Euro oder mehr vereinbaren. Verlangt er aber mehr als 200 Euro, ist der Vertrag nichtig. Der Kunde muss dann höchstens 100 Euro zahlen. In Einzelfällen entschieden Gerichte allerdings auch schon auf Wucher, wenn der geforderte den üblichen Preis um etwa die Hälfte übersteigt.
Verbraucherunfreundliches Urteil aus München
Tür auf nur bei Unterschrift. Wer sich gerichtlich gegen Wucherpreise wehren und per Klage Geld vom Schlüsseldienst zurückholen will, sollte wissen, dass ein solcher Prozess keine sichere Sache ist. So scheiterte im Januar 2020 zum Beispiel ein Mieter mit seiner Klage. Der Schlüsseldienst hatte dem Bewohner für eine Türöffnung plus Schlosswechsel an einem Sonntag um Mitternacht rund 860 Euro abgeknöpft. Bevor der Schlüsseldienst mit der Arbeit begann, forderte er den Mieter auf, ein Formular zu unterschreiben, in dem Arbeiten und Preise aufgelistet waren. Ohne Unterschrift werde er die Tür nicht öffnen, so der Schlüsseldienst.
Preise nicht sittenwidrig. Das Amtsgericht München wies die Klage des Mieters ab (Az. 171 C 7243/19). Es sah in dem Verhalten des Schlüsseldienstes weder eine unzulässige Ausbeutung einer Zwangslage, noch in der geforderten Summe einen sittenwidrigen Wucherpreis. Die Pressemitteilung des Amtsgerichts Münchens zitiert den Amtsrichter wie folgt: „In einer vom Grundsatz der Vertragsfreiheit geprägten freien Marktwirtschaft muss es grundsätzlich den Parteien überlassen werden, eine angemessene Vergütung für eine konkrete Leistung zu bestimmen. (…) Wenn ein Anbieter dauerhaft überteuerte Angebote macht, wird er entweder seine Preisvorstellungen reduzieren müssen oder aber vom Markt verschwinden.“
Wer den Preis kennt, muss zahlen. Im Klartext: Nach Ansicht dieses Richters müssen Verbraucher einen Schlüsseldienst wieder wegschicken, wenn dieser absurde Preise verlangt. Wer im Wissen um den Wucherpreis dennoch den Handwerker beauftragt, muss zahlen.
Berufung zurückgezogen. Interessant auch: Nach der Niederlage vor dem Amtsgericht legte der Mieter Berufung ein, weil er sich vom Landgericht München I ein anderes Urteil erhoffte. Es zeichnet sich aber auch dort ab, dass das Landgericht den Mieter nicht im Recht sieht. Bevor es zu einem Urteil kommen konnte, zog der Bewohner seine Berufung zurück.
Einen seriösen Schlüsseldienst finden
Wenn Sie einen Schlüsseldienst brauchen, sollten Sie ein Unternehmen in Ihrer Nähe anrufen, damit die Anfahrtkosten nicht allzu hoch ausfallen. Fragen Sie nach dem Preis für die Türöffnung. Tagsüber sollte eine einfachen Türöffnung nicht teurer als ungefähr 100 Euro sein. Wird die Preisauskunft verweigert, sollten Sie andere Firmen anrufen (siehe unten: Gewusst wie).
Verbraucherschützer: „Überhöhte Anfahrtskosten nicht zahlen“
100 Kilometer Anfahrt. Wenn es schnell gehen muss, sind betrügerische Notdienste nicht weit. Sie stehen mit der Ortsvorwahl im Telefonbuch. Doch es dauert ewig, bis der Monteur eintrifft. „Klar“, sagt er, „unter der Vorwahl ist nur ein Callcenter.“ Er musste mehr als 100 Kilometer anfahren. Das macht seine Rechnung teuer. Vor Kurzem schaltete die Bundesnetzagentur unglaubliche 5 100 Ortsnummern einer Entrümpelungsfirma ab: Sie war gar nicht vor Ort.
Im Zweifel die Polizei rufen. „Überhöhte Anfahrtskosten müssen Kunden nicht bezahlen“, sagt Josina Starke, Juristin der Verbraucherzentrale Niedersachsen. Die Notdienste müssen schon am Telefon sagen, welche Anfahrtskosten entstehen. Auf keinen Fall sofort zahlen, allenfalls einen Teil. So bleibt Zeit, die Rechnung zu prüfen, etwa bei einer Verbraucherzentrale. Einige Monteure drohen schon mal mit der Faust. Dann sollten Kunden die Polizei rufen.
Achtung: Gaunerfirmen nennen im Branchenverzeichnis oft nur ihre Rufnummer, keine Adresse. Einige schieben sich dort mit Namen, die mit AAA beginnen, weit nach vorn. Wählen Sie nur Firmen, die Sie kennen. Oder sehen Sie im Internet bei der Handwerkskammer nach.
Kommentarliste
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Der vom ADAC vermittelte Schlüsseldienst hatte einen Festpreis von 179.00 Euro. Das habe ich akzeptiert. Allerdings forderte der Inhaber vor Ort nochmals 179.00 Euro für den Schliesszylinder, per EC-Karte. Eine Rückfrage bei ABUS ergab, dass die Händler in der Preisgestaltung für sog. "Eigenprofile" frei seien. Auf die besondere Wertigkeit der "Eigenprofile" wurde ich nicht hingewiesen. Es gibt auch keine Hinweise auf der Quittung des Schlüsseldienstes, welcher Art der Schliesszylinder für die codierte Einzelschliessung ist. Damit ist keine Vergleichbarkeit gegeben. Im Netz habe ich auch keine ABUS-Schliesszylinder in dieser hohen Preisklasse gefunden.
Also als Tipp: Vorher klären, ob der Schlüsseldienst ein Eigenprofil einbauen will.
Der Schlüsseldienst kam, in der Zwischenzeit waren wir schon wieder ohne die Tür aufzubrechen in der Wohnung, somit fielen nur die ausgemachten 49 EUR Anfahrtskosten an. Der Mann bestand auf EC Kartenzahlung, meine Frau hat sich dazu hinreißen lassen. Das Display des Geräts war kaputt - wie sich herausstellte wohl mit Absicht, denn es wurden ca. 1300 EUR abgebucht. Ich war in der Zeit nicht dabei. Eine Rechnung gibt es nicht. Wie kriegen wir das Geld wieder zurück?
Fam. Schenke
@AOS-Schlüsseldienst-Hamburg: Bei den im Text dargestellten Preisen handelt es sich nicht um Testergebnisse, sondern um Orientierungswerte des Unternehmerverbandes Metall Baden-Württemberg. Wir haben die Preise abgedruckt, weil solche Preislisten in der Vergangenheit von Gerichten bei der Beurteilung von Wucher-Rechnungen herangezogen wurden. Es steht grundsätzlich jedem Schlüsseldienst frei, andere Preise (insbesondere günstigere Preise) zu verlangen. Wir freuen uns, dass es bei Ihnen offensichtlich so ist." (PH)
Wir, als Vertragspartner der Polizei Hamburg können nur raten, etwas sensibler mit Schlüsselnotdienst anrufen umzugehen. Die Polizei darf nicht empfehlen, jedoch raten!
Grossstädte MAX 60€
Ausserhalb bei den günstigen aus den Grossstädten anfragen.
Schliessung ca. 60€
Wer auch immer diese Preise hier getestet hat, diese sind viel zu hoch.
Es sollte mal jemand mal auf die Idee kommen, in jeder Region einen Schlüssel-Aufbahrungsdienst - zertifiziert von der Polizei - zu eröffnen, wo man einen Mehrschlüssel sicher hinterlegen kann. Im Notfall fährt man dann mit dem Taxi dorthin und holt ihn ab. Ausweis per Fingerandruck oder Gesicht. Alternativ sollte man als normal Bürger irgendwo die in Banken genutzten Sicherheitsbeutel bekommen, die man nicht zerstörungsfrei öffnen kann. Dann kann man damit bei Nachbarn einen Schlüssel rel. sicher - auch für die Nachbarn sicher! - hinterlegen.