Zehntausende Anleger von Schiffsfonds fürchten um ihr Geld. Nachzahlen sollten sie ohne juristischen Rat nicht.

Leere Schiffe, leere Kassen: Die Frachter Jork Reliance und Skirner warten in Hamburg auf Aufträge. Sie gehören zu den Dachfonds „HCI Euroliner I und II“.
Der Markt für Schiffsfonds ist fast zusammengebrochen. Das bekennen Reeder, Fondsvorstände, Banker und Anlegeranwälte nahezu einmütig. Hunderte von Schiffsfonds sind in finanzieller Not, brauchen Geld oder ihre Anbieter müssen die Schiffe notverkaufen.
Mehr als 180 Anlegerschiffe sind schon pleite. Experten meinen, dass im Jahre 2013 hunderte weitere Schiffe untergehen werden und zehntausende Anleger viel Geld verlieren. „Wir stehen vor massenhaften Pleiten“, sagt Helge Petersen, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht aus Kiel.
Petersen vertritt 320 überwiegend ältere Anleger, deren Fonds mittlerweile insolvent oder in Not sind. Vermittler der Postbank-Finanzberatung haben ihnen die riskanten, über viele Jahre laufenden Schiffsbeteiligungen als sichere Anlage empfohlen. Viele dieser Kunden wollten mit den Erträgen aus den Fonds ihr Alter absichern (siehe Aktienfonds Welt).
Seine Rente aufbessern wollte auch Axel Mehring (Name von der Redaktion geändert). Ein Großteil seiner Ersparnisse steckt in verschiedenen Schiffsfonds, die ihm die Commerzbank vermittelt hat. Sie sollten ihm attraktive jährliche Renditen von 7 Prozent und mehr bescheren. Doch statt auszuschütten brauchen die meisten seiner Fonds Geld.
Ruheständler Mehring befindet sich in großer Gesellschaft. Zehntausende deutsche Schiffsanleger haben ähnliche Probleme. Sie haben in den vergangenen 20 Jahren rund 30 Milliarden Euro in Schiffsfonds investiert. Sie wussten nicht, dass deutsche Reeder mithilfe von Banken und Anlegergeld wesentlich mehr Tonnage finanzierten, als der Markt brauchte.
Schiffe versenken hat Konjunktur
Anleger wie Mehring erhalten komplizierte, oft mehr als hundert Seiten dicke Sanierungskonzepte von ihrer Fondsgesellschaft. Darin fordert die Gesellschaft sie auf, für die Sanierung des Fonds Geld nachzuschießen oder Ausschüttungen zurückzuzahlen. Andernfalls drohe dem Fonds die Pleite und das Geld der Anleger sei verloren.
Die Anleger sollen meist schriftlich ihre Zustimmung geben. Doch die Schreiben sind oft so kompliziert, dass sie einfach den Kopf in den Sand stecken und gar nichts tun. So wie Kerstin Wilke (Name von der Redaktion geändert): „Ich habe das ellenlange Schreiben einfach ignoriert, weil ich mich völlig überfordert fühlte“, sagt sie.
Wilke hatte 2004 auf einen Berater des Finanzvertriebs AWD aus Hannover gehört und 10 000 Euro in den HCI Schiffsfonds VIII gesteckt. Der Dachfonds hat insgesamt acht Schiffe finanziert. Zwei von ihnen sind schon pleite, ein weiteres, die „Lake Erie“ musste zur Stützung der anderen verkauft werden.
Lange Zeit hatte Wilke geglaubt, eine solide Anlage abgeschlossen zu haben. Denn bis 2008 erhielt sie Jahr für Jahr Ausschüttungen. Diese hielt sie für Gewinne aus dem Fonds. Doch solche Rückflüsse – von Anbietern gerne als „vorzeitige Entnahme“ bezeichnet – haben oft nichts mit Gewinn zu tun, sondern sind über Jahre nur Rückzahlungen der Kapitaleinlage.
Bei der Vermittlung von Schiffsbeteiligungen werde oft nur mangelhaft beraten, berichtet Peter Mattil, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht aus München, von seinen Mandanten. Kaum ein Vermittler kläre Anleger darüber auf, dass Schiffsfonds erst nach vielen Jahren in die Gewinnzone fahren. Auch verschwiegen sie Anlegern häufig die hohen Provisionen, die Banken und Vermittler für die Vermittlung der Fonds kassierten.
Nachschüsse sind keine Pflicht
Mehring und Wilke sollten nicht einfach zahlen. Denn Anleger von geschlossenen Fonds sind nicht verpflichtet, Nachschüsse zu leisten. Das steht in jedem Beteiligungsprospekt.
Verbraucherschützer und Anlegeranwälte berichten aber immer häufiger, dass Fondshäuser raffinierte Klauseln in den Verträgen nutzen, um Anleger doch zur Kasse zu bitten. Statt eines Nachschusses verlangen sie etwa die Rückzahlung von Ausschüttungen.
Die beiden Hamburger Fondshäuser Hansa Treuhand und Lloyd Fonds fordern beispielsweise von Anlegern der Fondsschiffe „Wehr Rissen“ und „Wehr Schulau“ Geld zurück. Die Anbieter sind wie das Dortmunder Emissionshaus Dr. Peters der Meinung, dass es sich bei den Ausschüttungen der Vergangenheit um Darlehen handelt, die Anleger im Notfall zurückzahlen müssten. Die Fondshäuser schreiben Kunden, die nicht zahlen wollen, zum Teil rüde Briefe und drohen ihnen mit Klagen.
Die Eheleute Erika und Uwe Laible (Namen von der Redaktion geändert), beide 70 Jahre alt, waren fassungslos, als das Fondshaus Dr. Peters ihnen mitteilte, die 13 000 Euro Ausschüttungen seien nur ein Darlehen gewesen. Um den Fonds zu retten, müssten sie das Darlehen zurückzahlen.
Laibles hatten ihren Fondsanteil in Höhe von damals 100 000 Mark am Containerschiff „Cape Campbell“ von Dr. Peters auf Kredit finanziert und dafür ihr Eigenheim mit einer Grundschuld belastet. Sie lehnten die Rückzahlung ab. Ihr Berater bei der Raiffeisenbank Aschaffenburg habe sie falsch beraten, als er die Beteiligung auf Kredit als sichere Altersvorsorge empfahl.
Anders als die meisten Dr.-Peters-Anleger sind die Laibles glimpflich davongekommen. Mithilfe des Stuttgarter Rechtsanwalts Patrick Zagni verklagten sie die Raiffeisenbank wegen Falschberatung. Ihre Gegenwehr hatte nach zwei Jahren Erfolg. Die Bank lenkte kurz vor der mündlichen Gerichtsverhandlung ein. Zagni: „Wir konnten einen Vergleich aushandeln, der das Ehepaar weitgehend schadenfrei stellt.“ Laibles Mitanleger hatten weniger Glück. Sie erlitten nahezu einen Totalverlust.
Hunderte Anleger verloren vor Gericht
Hunderte der 6 600 Anleger von 22 Schiffsfonds der Dr.-Peters-Gruppe zahlten jedoch. Sie gaben satte 62,2 Millionen Euro zurück. Gefordert hatte das Fondshaus 75,2 Millionen Euro. Anleger, die sich vor Gericht gegen die Forderungen von Dr. Peters und dessen Fondsverwalter wehrten, blitzten ab.
Die trickreichen Klauseln in den Beteiligungsprospekten schienen Dr. Peters recht zu geben. Rund 450 Urteile fällten Amts- und Landgerichte zugunsten des Fondsanbieters. Und auch die Oberlandesgerichte Hamm, Celle und München bestätigten in 40 Fällen die Rechtmäßigkeit der Dr.-Peters-Forderungen.
Bundesgerichtshof: Anleger im Recht
Seit dem 12. März 2013 gibt es neue Hoffnung. An diesem Tag entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in zwei Fällen erstmals zugunsten der Anleger. Fondsanbieter dürften Ausschüttungen nur zurückfordern, wenn das im Gesellschaftsvertrag eindeutig so vorgesehen sei, urteilte der BGH (Az. II ZR 73/11 und II ZR 74/11).
Geklagt hatten die beiden Fondsgesellschaften der angeschlagenen Schiffsfonds DS-Fonds Nr. 38 MS Cape Hatteras und DS-Fonds Nr. 39 MS Cape Horn von Dr. Peters. Beide Schiffe waren 2009 in wirtschaftliche Not geraten. Auf einer Gesellschafterversammlung hatten die Anleger einem Sanierungskonzept zugestimmt, das eine Rückzahlung ihrer Ausschüttungen vorsah.
Einige Anleger weigerten sich trotz des Beschlusses, ihre Ausschüttungen zurückzuzahlen, sodass die Fondsgesellschaften sie verklagten. Sowohl das Landgericht Dortmund als auch das Oberlandesgericht Hamm gaben den Gesellschaften recht.
Nicht so der Bundesgerichtshof. Er legt die Gesellschaftsverträge in den beiden Fällen anders aus. Zwar sei von Darlehenskonto und Darlehensverbindlichkeit die Rede. Aus der Gesamtschau der Regelungen ergebe sich aber eindeutig, dass die Fonds das Geld nicht zurückholen dürften (Details auf unserer Internetseite unter www.test.de/schiffsfonds-ausschuettungen).
Die Entscheidung des BGH könnte auch anderen Anlegern von maroden Fonds der Dr.-Peters-Gruppe helfen. Denn in anderen Beteiligungssprospekten der Fondshäuser stehen ähnliche Formulierungen. Vorerst sollten Anleger Rückforderungen aller Art juristisch prüfen lassen, bevor sie zahlen.
Anselm Gehling, Chef der Dr.-Peters-Gruppe, kritisiert das Urteil. Es handele sich um einen Pyrrhussieg für die Anleger. Die Fonds hätten mit den Rückforderungen versucht, die Schiffe weiterzubetreiben. Sie wollten damit verhindern, dass die Anleger durch Gläubigerbanken oder den Insolvenzverwalter zur Rückzahlung der Ausschüttungen gezwungen werden könnten, wenn der Fonds schon pleite ist.
Selbst nach der Pleite eines Schiffes kann der Ärger also noch weitergehen, wie im Fall der „Lehmann Forester“ vom Elbe Emissionshaus Hamburg. Der Fonds, erst 2007 gestartet, benötigte schon 2009 frisches Kapital. Um eine Insolvenz zu vermeiden, erklärten sich zahlreiche Anleger schriftlich bereit, Geld in Höhe von 30 Prozent ihrer Gesellschaftseinlage nachzuschießen.
Doch viele zahlten dann doch nicht, weil bald klar wurde, dass die Pleite sich nicht mehr abwenden ließ. „Nun fordert der Insolvenzverwalter das Geld nachträglich von ihnen“, sagt Rechtsanwalt Peter Hahn aus Bremen, der mehrere Anleger vertritt.
Nicht alle Schiffsfonds kentern

Viel Fracht, viel Erfolg: Die Conti Porto (Chartername Hanjin Vienna) der Conti Reederei bringt Anlegern schöne Gewinne.
Trotz Krise müssen nicht alle Anleger um ihr Geld fürchten. Ein kleiner Teil der Fondsschiffe kam bislang heil durch die schwere See. Meist waren es größere Containerschiffe mit solider Kalkulation und gutem Management, denen Einnahmen durch langfristige Charterverträge mit erstklassigen Kunden über viele Jahre gesichert waren.
Zu den Erfolgsschiffen gehören zum Beispiel die Containerfrachter „Conti Lissabon“ und „Conti Porto“ der Conti Reederei aus München. Die Fonds aus dem Jahr 1999 haben ihre Kredite längst abbezahlt und erwirtschafteten für 2012 Ausschüttungen von 16 Prozent – doppelt so viel wie im Prospekt angenommen.
Erfreulich verlaufen auch Beteiligungen an den bereits entschuldeten Schiffen „Pusan“ und „Pohang“ von der Norddeutschen Vermögen. Sie können für das Jahr 201210 und 8 Prozent ausschütten.
Immun gegen die Krise sind jedoch auch diese Fondshäuser nicht. Wegen sinkender Einnahmen gibt es auch bei ihnen bereits etliche Sanierungsfälle. Als Altersvorsorge sind Schiffsfonds keine gute Idee.
-
- Nach der Pleite einer Anlagefirma verlangen Insolvenzverwalter oft Ausschüttungen zurück, die Anleger erhalten haben. Das dürfen sie nicht immer, wie der Fall P&R zeigt.
-
- Das größte Passagierflugzeug der Welt, der Airbus A 380, ist Bestandteil vieler deutscher Flugzeugfonds. Anlegern, die solche Fonds gezeichnet haben, droht jetzt aber...
-
- Ein Milliarden-Debakel bahnt sich an: Mehr als 50 000 Anleger haben mehrere Milliarden Euro in Container von P&R aus Grünwald investiert. Das Amtsgericht München hat...
Diskutieren Sie mit
Nur registrierte Nutzer können Kommentare verfassen. Bitte melden Sie sich an. Individuelle Fragen richten Sie bitte an den Leserservice.
Nutzerkommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.
Der Artikel hilft, einen eigenen Überblick zu gewinnen. Das wäre natürlich vor dem Kauf von Fonds sinnvoll gewesen. Es ist aber auch jetzt noch sinnvoll,denn jetzt werben Anwaltsbüros um Mandate. Man muss aber sehr überlegen, ob man dem Verlust nicht auch noch zusätzlich RechtsAnwalts-
Honorare hinzufügt, ohne dadurch in der Insolvenz mehr Geld zurückzuerhalten.