
© Stiftung Warentest
Badelatschen, Messer, Werkzeug – in vielen Geschäften stehen Grabbeltische und Regale mit Gegenständen für den täglichen Gebrauch. Oft voller Billigangebote mit weichen Kunststoffen. Enthalten verdächtig riechende Alltagsgegenstände zu viele gesundheitsschädliche Stoffe? Leider ja, wie unser Test zeigt: In jedem zweiten Produkt fanden wir zu viele Schadstoffe. Doch nicht immer konnte man es vorher schon riechen.
[Update 5.7.2017] Erste Anbieter reagieren auf unseren Test
Nach Bekanntwerden unserer Schadstofffunde haben einige Anbieter reagiert: Primark ruft Flipflops zurück, die in unserem Test auffällig geworden waren. Hellweg nimmt einen Abflussreiniger aus dem Sortiment. Die Firma Meister Werkzeuge nimmt schwarze Gummistiefel vom Markt – und Kaufland stoppt den Verkauf von Fahrradgriffen. Mehr in unserer Meldung Primark und andere Anbieter ziehen Produkte zurück. [Ende Update].
Was hat sich seit unserem letzten Test getan?
Im Jahr 2006 prüfte die Stiftung Warentest Gummigriffe und Plastikteile von Werkzeugen und Geräten auf gesundheitsschädliche Stoffe. Drei Viertel der Proben aus Baumärkten waren stark belastet. Ein haarsträubend hoher Anteil. Vor allem Hämmer aller Art taten sich unrühmlich hervor. Hauptsächlich fanden wir damals polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (Drei gefährliche Stoffgruppen, PAK) – nicht nur in Gegenständen aus Baumärkten, sondern auch von Discountern. Ein Jahr davor hatten wir eine Analyse von Werkzeugen und Elektrogeräten, angeboten als Aktionsware, veröffentlicht – Überschrift Geiz wird gefährlich.
Wie wirkt sich die neue EU-Verordnung aus?
Nach den wiederholten Funden reagierte die Politik. Es dauerte Jahre, bis eine Regelung verabschiedet war: Seit Ende 2015 gibt eine EU-Verordnung Grenzwerte für acht krebserzeugende PAK-Verbindungen vor. Wird einer der Grenzwerte in einem Produkt überschritten, darf es nicht mehr in Verkehr gebracht werden. Wir wollten wissen, ob sich die Verordnung auswirkt. Mit der Nase als Auswahlinstrument schnüffelten sich unsere Einkäufer durch die Regale von Discountern, Sportläden, Drogerie- und Baumärkten. Denn PAK stinken.
Ein gummiartig-öliger Geruch
Es fällt zwar nicht mehr so leicht wie vor einem Jahrzehnt, auffällige Stinker zu finden. Große Handelsketten haben die Zahl ihrer Kontrollen nach eigenen Angaben massiv erhöht. Doch der gummiartig-schmierölige Geruch der PAK lässt sich immer noch erschnüffeln. Abends stanken die Hände der Giftstoff-Scouts allein vom kurzen Anfassen der Produkte. Sie wählten 20 verschiedene aus, darunter Gummistiefel, Hämmer, Griffe, ein Springseil – zu Preisen zwischen 1 und 9,99 Euro. In jedem zweiten Produkt fanden wir so hohe Schadstoffkonzentrationen, dass wir es mit mangelhaft bewerten.
Fahndung nach PAK und Weichmachern
Wir prüften die Produkte auf die acht krebserzeugenden und weitere potenziell gesundheitsschädliche PAK. Außerdem suchten wir, wie 2006, nach Phthalaten in Kunststoffen, das sind Weichmacher. Wir spürten auch Umweltgiften mit viel Chlor nach, den kurzkettigen Chlorparaffinen. Sie können vermutlich Krebs erzeugen. In der EU sind sie ab einem Gehalt von 1500 Milligramm pro Kilo verboten.
PAK kommen auf vielen Wegen in den Körper
Der Kontakt über die Haut bei Hammergriffen oder Badelatschen ist nur ein Weg, wie die fettlöslichen Stoffe in den Körper gelangen. Menschen nehmen PAK zum Beispiel auch über die Luft auf, etwa im Zigarettenrauch oder mit dem Essen über stark gegrilltes Fleisch.
Strengere GS-Grenzwerte herangezogen
Es kommt darauf an, die aufgenommene Menge an PAK insgesamt zu minimieren. Wir haben deshalb in der Bewertung nicht die europäischen Grenzwerte herangezogen, sondern die teilweise strengeren Höchstwerte des Gütesiegels Geprüfte Sicherheit (GS). Die GS-Grenze liegt zum Beispiel für einen Werkzeuggriff bei 0,5 Milligramm pro Kilogramm Material für jeden einzelnen krebserzeugenden PAK.
Gefährlicher Gummihammer von Germania
Der Griff des Gummihammers der Marke Germania Qualitätswerkzeuge kommt für 18 PAK, die das GS-Zeichen berücksichtigt, in der Summe auf etwa 1 100 Milligramm pro Kilo, darunter stolze 320 Milligramm allein für das krebserregende Chrysen. Der Germania zeigt zudem einen hohen Gehalt an kurzkettigen Chlorparaffinen: Mit rund 3 000 Milligramm erreicht er das Doppelte des Grenzwerts dieser Stoffklasse.
Modell „Feierabend“ mangelhaft
Neben diesem Stinkehammer sind fünf weitere Produkte so hoch mit kurzkettigen Chlorparaffinen belastet, dass wir sie bei dieser Stoffgruppe mit mangelhaft bewerten. Unrühmlicher „Sieger“ ist wieder ein Germania-Hammer, das Modell „Feierabend“, mit etwa 5 700 Milligramm im roten, weichen Kunststoffgriff – alles andere als ein guter Feierabend.
Fahrradschloss mit gefährlichen Phthalaten
Sechs Produkte schneiden unter anderem wegen gefährlicher Phthalate mit mangelhaft ab. Am schlimmsten trifft es Käufer des Fahrradschlosses Jes Collection von EuroShop. Seine Plastikabdeckung besteht zu rund 35 Prozent aus dem Phthalat DIBP. Es kann Ungeborene schädigen.
Nicht alle Schadstoffe kann der Mensch riechen
Weichmacher und Chlorparaffine sind leider für menschliche Nasen kaum zu riechen. Nur weil die damit belasteten Produkte jeweils auch mehr oder weniger mit den stinkenden PAK behaftet waren, hatten wir sie ausgewählt.
Tipp: Kaufen Sie keine Stinker. Geruch ist zwar kein Beweis für bedenkliche Stoffe, aber das einzige Kriterium, das Kunden im Laden zur Verfügung steht. Bereits gekaufte Produkte mit auffälligem Geruch sollten Sie zum Händler zurückbringen – müssen dann aber auf seine Kulanz hoffen.
Verbraucher haben ein Auskunftsrecht
Verbraucher können Hersteller oder Händler auch fragen, ob ein Erzeugnis besorgniserregende Stoffe enthält (reach-info.de/auskunftsrecht). Dafür hat das Umweltbundesamt eine App herausgebracht namens Scan4Chem. Innerhalb von 45 Tagen muss eine Antwort kommen. Das ist dann aber nichts mehr für Spontankäufer am Grabbeltisch.
-
- Astreine Liebhaber? Nicht unbedingt. Im Sextoy-Test fand die Stiftung Warentest bei 5 der 18 Vibratoren, Liebeskugeln und Penisringen deutliche Schadstoffe. Andere...
-
- Gute Gründe, Kindern ein Laufrad zu schenken, gibts viele – doch im Laufrad-Test der Stiftung Warentest sind viele Modelle mangelhaft. Meist wegen Schadstoffen.
-
- Ihnen vollständig auszuweichen, ist kaum möglich, denn sie können fast überall vorkommen, etwa in Lebensmitteln, Kosmetik oder Spielzeug: Polyzyklische aromatische...
Diskutieren Sie mit
Nur registrierte Nutzer können Kommentare verfassen. Bitte melden Sie sich an. Individuelle Fragen richten Sie bitte an den Leserservice.
Nutzerkommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.
@drgerdhofmann
Habe ähnliche Erfahrungen gemacht. Die erste Eb wurde der Putzkopf nur unter Wasser abgespült ( wenn überhaupt ) und nass oder 1/2 trocken auf den Lader gestellt. Hellblaue Gummihandgriff- Bereich war nach 2 Jahren klebrig.
Seit 3 Jahren Benutzung der baugleichen Eb , kein kleben mehr , da immer ! nach Benutzung auch abgerubbelt und ! abgetrocknet im Handtuch. Sieht immer noch aus wie gerade gekauft.
Mfg Di aus DO
Auch das als Testanregung: Mit Lenkergriffen am Fahrrad sind viele Normalverbraucher sehr viel länger in Kontakt als beispielsweise mit einem Hammer oder einem Koffergriff. Auch hier wären Informationen zur Schadstoffbelastung interessant.
@haribeau: Ihren Kommentar nehmen wir gerne als Testanregung auf und leiten sie an das zuständige Untersuchungsteam weiter. (Se)
etwa 10 Mio Menschen trainieren in einem Fitness-Center, wovon es 8.700 in D gibt. Die meisten Geräte sind an Handgriffen, Kniepolstern, Kopfstützen etc. mit einem weichen Kunststoff ummantelt. Hier wäre ein Test auf schädliche Weichmacher sehr sinnvoll.
@drgerdhofmann: Leider können wir zu ev. Schadstoffen in dieser Oberfläche keine Bewertung beisteuern. Sie werden verstehen, dass wir ausschließlich über die Produkte und Dienstleistungen, die wir geprüft haben, bewertende Auskunft geben können. Da Oberflächen von Zahnbürsten jedoch nicht Gegenstand eines Tests waren, können wir keine produktbezogenen Informationen mitteilen. (Se)