
Weichmacher, PAK, Quecksilber – von diesen Schadstoffen haben viele schon mal gehört. Ob Lebensmittel, Kleidung, Kosmetika, Spielsachen oder Werkzeug: Verbraucher erwarten, dass das gekaufte Produkt keine gefährlichen Keime enthält, technisch sicher ist – und frei von Schadstoffen. Deshalb macht die Stiftung Warentest, wenn Verdachtsmomente bestehen, immer auch einen Schadstoff-Check. Hier erläutern wir, wie die Tester dabei vorgehen.
Schädlich oder nicht? Das ist die Frage!
Schwellenwert. Was ist überhaupt ein Schadstoff? Die meisten heute diskutierten Schadstoffe werden erst ab einer bestimmte Grenze zum Schadstoff – Fachleute sprechen vom „toxikologisch relevanten Schwellenwert“. Die Daten für eine Bewertung erhalten Wissenschaftler meist aus Tierversuchen, in einigen Fällen gibt es auch Erfahrungen aus Situationen, in denen Menschen unfreiwillig Schadstoffe aufgenommen haben. So vergifteten sich in den 1950er Jahren zahlreiche Japaner mit Quecksilber, weil sie regelmäßig belasteten Fisch gegessen hatten. Betrachtet wird, ob Menschen den Stoff durch die Haut, die Atemluft oder übers Essen aufnehmen.
Herkunft. Der Schadstoff kann ungewollt in das Produkt gelangt sein, beispielsweise durch Umweltbelastung oder Verunreinigung bei der Herstellung. Er kann aber auch gezielt eingesetzt worden sein, um einen Nutzen zu erzeugen (Beispiel: Konservierungsmittel in Wandfarben).
Exposition. Um die gefundenen Gehalte zu bewerten, betrachten die Experten der Stiftung Warentest die unterschiedlichen „Expositionspfade“ und klären, wie wahrscheinlich es jeweils ist, dass Menschen einem bestimmten Schadstoff ausgesetzt werden. Nehmen sie ihn über viele Wege und Quellen zugleich auf – oder ist er nur in einigen wenigen Lebensmitteln zu finden? Auch davon hängt ab, wie ein Schadstofffund zu bewerten ist.
Wissenswertes zu einzelnen Schadstoffen
Hier beantworten die Experten der Stiftung Warentest häufige Fragen zu bestimmten Schadstoffen:
FAQ Acrylamid: Was Sie über diesen Schadstoff wissen sollten
Mehrere Kriterien führen zum Urteil
Welche Note ein von der Stiftung Warentest untersuchtes Produkt im Urteil Schadstoffe hat, hängt letztlich von den Antworten auf vier Fragen ab:
- Welche rechtlichen Regelungen und Anforderungen in Normen gibt es zu dem Stoff – und wie wird er dort eingeschätzt?
- Wie gefährlich ist der Stoff?
- Wie hoch ist das Risiko für den Benutzer und die Menschen in seiner Umgebung?
- Wäre der Stoff in dem Produkt vermeidbar gewesen?
So helfen rechtliche Regelungen
Für viele Schadstoffe gibt es rechtliche Regelungen oder Normen, die festlegen, welche Gehalte in einem Produkt zulässig sind. Häufig ziehen die Experten der Stiftung Warentest strengere und verbraucherfreundlichere Anforderungen für die Bewertung heran, obwohl sie noch nicht für den gesamten Markt gelten. Doch nicht für alle Schadstoffe gibt es Vorgaben. In solchen Fällen nutzen die Tester dann meist hilfsweise Regelungen für andere Produkte. Wenn wir zum Beispiel Kaffeemaschinen oder Wasserkocher testen, orientieren wir uns an der Trinkwasserverordnung, um die Schwermetallgehalte in dem Wasser zu bewerten, das in den Maschinen erwärmt wird.
So wird die Gefährlichkeit eines Stoffs ermittelt
Um zu ermitteln, wie gefährlich ein Stoff ist, muss man wissen, wie er sich auf den Organismus auswirken kann. Mehrere negative Folgen sind denkbar, zum Beispiel:
- Ist er akut giftig?
- Reizt er die Schleimhäute?
- Ist er krebserregend?
- Verändert er das Erbgut?
Diesen Fragen gehen Wissenschaftler an Forschungseinrichtungen nach. Manchmal ist zweifelsfrei belegt, dass ein Stoff gefährlich ist, manchmal sind die Belege dafür lückenhaft; bisweilen gibt es lediglich Hinweise darauf. In der Regel analysiert die Stiftung Warentest Testprodukte nur auf solche Stoffe hin, deren Gefährlichkeit wissenschaftlich nachgewiesen ist; die also etwa von wissenschaftlichen Gremien wie der Europäischen Chemikalienagentur als gefährlich eingestuft oder von der Europäischen Lebensmittelbehörde als kritisch eingeschätzt werden. Falls ein hohes Interesse der Verbraucher besteht, gehen die Tester im Einzelfall auch einem Stoff nach, dessen Gefährlichkeit – auf englisch „Hazard“ – nicht abschließend bewertet ist oder noch strittig diskutiert wird.
So wird das Risiko abgeschätzt
Ist die Gefährlichkeit nachgewiesen, ergibt sich das durch den Schadstoff verursachte Risiko aus seiner gefährlichen Eigenschaft – zum Beispiel, wie giftig er ist – und der Exposition:
- Wie viel nimmt der Mensch auf?
- Wie oft passiert das?
- Über welchen Zeitraum?
Referenzdosis. Die tatsächlich aufgenommene Menge wird mit einer aus wissenschaftlicher Sicht akzeptablen Aufnahmemenge oder der akuten Referenzdosis verglichen; für viele Schadstoffe gibt es solche Werte, sie werden aus toxikologischen Daten abgeleitet. So beziffert etwa der sogenannte ADI („acceptable daily intake“) , wie viel täglich über ein Leben lang von einem Stoff aufgenommen werden darf, ohne dass er spürbare negative Folgen für die Gesundheit hat. Kommt die tatsächlich aufgenommene Menge nah an diesen Wert heran oder liegt sie sogar darüber, gibt es ein Risiko. Es ist also nötig, abzuschätzen, welche Mengen eines Stoffes jemand bei einer intensiven, aber realistischen Nutzung aufnimmt.
Wirkung. Dieser Ansatz kann allerdings nicht bei genotoxischen oder kanzerogenen Stoffen verfolgt werden; denn von solchen Stoffen gibt es nach heutigem wissenschaftlichen Kenntnisstand meist keine Dosis, die ohne Wirkung ist. Hier gilt: Der Gehalt sollte soweit als technisch möglich verringert werden.
Was sonst noch eine Rolle spielt
Außerdem liefern die Ergebnisse eines Tests, in dem ja die Marktsituation abgebildet wird, Informationen zum Stand der Technik: Ist der Schadstoff vermeidbar? Falls das nicht möglich ist: Lässt er sich zumindest minimieren? Das würden unterschiedliche Gehalte in den getesteten Produkten belegen. Oder sind dem Produkt sogar bewusst Stoffe zugesetzt, die Gefahrenmerkmale aufweisen, gleichzeitig aber einen Nutzen bringen sollen?
So bewerten wir die Schadstoffgehalte
Wann gibt es ein Mangelhaft? Die Bewertung der Schadstoffe wird in unseren Tabellen dargestellt, meist gibt es dafür eine eigene Teilnote („Gruppenurteil“). Ist ein rechtlich festgelegter Grenzwert überschritten, ist das Produkt in der Regel nicht verkehrsfähig: Es dürfte eigentlich gar nicht verkauft werden. Der Schadstoffgehalt wird dann mit Mangelhaft beurteilt. Dies zieht meist einen Abwertungseffekt nach sich, so dass das Produkt im Gruppen- und im test-Qualitätsurteil (also der Gesamtnote) ein Mangelhaft bekommt. Liegen die Analyseergebnisse für alle untersuchten Schadstoffe unter den jeweiligen Grenzwerten, bestimmt der kritischste Wert die Note.
Wann sind wir streng? Sogar wenn es nur ein geringes Risiko gibt, der Schadstoff aber vermeidbar ist, können die Tester streng sein: Denn unter dem Aspekt des vorsorgenden Gesundheitsschutzes kann es sinnvoll sein, auch kleinste Risiken zu verringern. Manche Schadstoffe sind in bestimmten Produkten nicht völlig vermeidbar, treten aber in stark unterschiedlichen Gehalten auf. Wurde ein Stoff hingegen bewusst zugesetzt, etwa zur Konservierung, ist zu klären, ob der erwünschte Effekt auch durch unbedenklichere Stoffe erzielt werden kann.
Wann verzichten wir auf eine Note? In Einzelfällen, wenn noch sehr viele Fragen rund um einen Stoff offen sind, berichten wir nur darüber, die Befunde haben dann keine Folge für die Noten.
Ängsten entgegenwirken
Die Ergebnisse und Aussagen zu den Schadstoffen aus Tests der Stiftung Warentest fließen nicht nur in die Bewertung der Produkte mit ein; sie sind auch essenziell für eine umfassende Information des Verbrauchers. „Die Stiftung Warentest will sachliche und alltagsrelevante Information auf dem neuesten Forschungsstand liefern. Das ist das beste Gegenmittel gegen Verunsicherung und Ängste, die oft bestehen“, betont Holger Brackemann, Leiter des Bereichs Untersuchungen bei der Stiftung Warentest. Nicht zuletzt bringen die Analysen immer wieder auch „neue“ Schadstoffe ans Licht, machen mögliche Eintragswege sichtbar und erinnern die Hersteller an ihre Verantwortung. Und so sorgen diese Tests indirekt mittelfristig auch für eine bessere Produktsicherheit – und damit für mehr Qualität.
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