Nach einem Unfall kürzen viele Versicherer dreist die Erstattung. Die Stiftung Warentest zeigt, welche Tricks sie nutzen und gibt Hinweise, wie Betroffene mehr bekommen.
Sie sind schuldlos in einen Unfall verwickelt? Jetzt heißt es, aufpassen! Lassen Sie sich auf nichts ein, wenn die gegnerische Versicherung schon am Unfallort anruft. Ihre Versprechen suggerieren eine bequeme Abwicklung des Schadens. Aber die Versicherung ist eben nicht daran interessiert, Ihnen zu helfen, sondern will die Zahlung gering halten. Regeln Sie vor allem nicht alles selbst. Gehen Sie auch beim Blechschaden besser in eine Anwaltskanzlei. Trifft Sie keine Schuld, muss der gegnerische Versicherer das Honorar zahlen. Worauf Sie sonst noch achten sollten, wenn Sie bei einem Verkehrsunfall die Geschädigte oder der Geschädigte sind, erklären die Rechtsexpertinnen der Stiftung Warentest.
Ein typisches Beispiel, wie es oft abläuft
Zuerst war der Schreck groß: Eine Studentin war Ulrich Seilkan ins Auto gefahren. Das Heck seines schwarzen Alfa sah schlimm aus. Doch wenig später meldete sich die Kfz-Versicherung der Frau: „Keine Sorge, wir regeln alles.“ Gutachten, Werkstatt, Mietwagen – er brauche sich um nichts zu kümmern: „Wir stellen Ihnen Ihr Auto repariert und frisch gewaschen wieder vor die Tür.“ Das klang super. Doch repariert und gewaschen wurde nichts. Der Alfa sei Schrott, meinte die Versicherung etwas später. Eine Gutachterin schätzte die Reparatur auf 4 340 Euro. Der Wagen sei aber nur 3 900 Euro wert. Die Versicherung zahlte 2 350 Euro, weitere 1 550 Euro sollte Seilkan von einem Schrotthandel erhalten.
Anwältin holte die geforderte Summe
Damit war er nicht einverstanden. Sein Verdacht: Die Versicherung setzte den Wert des Alfa extra niedrig an, um nur eine geringe Entschädigung zahlen zu müssen. Seilkan ging zu einer Fachanwältin für Verkehrsrecht. Das war genau richtig. Juristische Fachleute wissen, welche Ansprüche Geschädigte haben – sie kennen sich mit Haushaltsführungsschäden und dem „merkantilen Minderwert“ ebenso aus wie mit der Reparatur in der Markenwerkstatt.
Vor allem kennen die Experten die Tricks der Versicherer. So war es auch bei Seilkan. Er durfte doch eine Reparatur verlangen. Denn deren Kosten lagen nicht über 130 Prozent des Fahrzeugwerts. Erst darüber gilt eine Reparatur als unwirtschaftlich. Die Anwältin holte für den Berliner die vollen 4 350 Euro heraus.
Unser Rat
Anwalt. Suchen Sie sich einen geeigneten Anwalt oder eine Anwältin.Der gegnerische Versicherer muss auch für die Anwaltskosten aufkommen, wenn Sie das Unfallopfer sind. Wenden Sie sich an einen Fachanwalt oder eine Fachanwältin für Verkehrsrecht. Das Portal anwalt-suchservice.de ist bei der Suche hilfreich.
Gutachter. Nehmen Sie nicht die Sachverständigen der gegnerischen Versicherung. Beauftragen Sie selbst jemanden. Trifft Sie keine Schuld, muss auch dabei der gegnerische Versicherer die Kosten tragen – außer bei Bagatellen unter 1 000 Euro. Achtung: „Kfz-Sachverständiger“ kann sich jeder nennen. Der Titel ist nicht gesetzlich geschützt. Fragen Sie den Sachverständigen-Bundesverband BVSK. Dessen Mitglieder sind Ingenieure oder Kfz-Meister.
Werkstatt. Einige Werkstätten bieten „Rundum-Sorglos-Pakete“ einschließlich Mietwagen, bei denen sie die Regulierung erledigen. Doch auch Werkstätten verfolgen ihre eigenen finanziellen Interessen, nicht Ihre.
Die 130-Prozent-Grenze mit Gebrauchtteilen umgehen
Die 130-Prozent-Grenze ist entscheidend. Der Bundesgerichtshof gab einem Mann Recht, bei dem die Versicherung die Reparaturkosten auf über 150 Prozent veranschlagt hatte. Der Mann brachte seinen Wagen trotzdem in die Werkstatt. Der Mechaniker baute Gebrauchtteile ein und präsentierte am Ende eine Rechnung, die unter der 130-Prozent-Grenze blieb (Az. VI ZR 100/20). Entscheidend war, dass die Reparaturkosten unter 130 Prozent des Wiederbeschaffungswertes des Pkw blieben und die Reparatur fachgerecht in dem Umfang durchgeführt wurde, der im Gutachten stand.
Nicht einfach glauben, alles werde bequem erledigt
Nach einem Verkehrsunfall wollen die Versicherer schnell Zugriff auf die Geschädigten bekommen. Mitunter rufen sie noch direkt am Unfallort an und versprechen: „Wir zahlen alles, übernehmen die komplette Abwicklung, ersparen Ihnen Stress.“
Doch genau das kann teuer werden. Versicherungen wollen vermeiden, dass Geschädigte sich über ihre Rechte informieren. Dann können sie viele Ansprüche unter den Tisch fallen lassen. Regelt die gegnerische Versicherung angeblich „alles“, bleibt für Unfallopfer ungewiss, ob die Werkstatt neue Teile einbaut oder gebrauchte oder das verbogene Teil wieder zurecht dengelt.
Vorsicht mit fremdem Versicherer
Deshalb lautet die oberste Regel nach einem unverschuldeten Unfall: nicht den gegnerischen Versicherer kontaktieren. Er ist nicht interessiert, Ihnen zu helfen, sondern will die maximal mögliche Ersparnis für sich selbst herausholen. Aus demselben Grund ist es auch keine gute Idee, einer Werkstatt die Schadenabwicklung zu überlassen.
Ein Anwalt auch für kleine Schäden
Besser geht man in eine Anwaltskanzlei – selbst wenn die Schuldfrage klar ist und der Versicherer erklärt, er werde alles bezahlen. Geschädigte haben das Recht, sich auf Kosten des gegnerischen Versicherers an eine Anwaltskanzlei zu wenden. Es kommt nicht auf die Schadenhöhe an. Das Amtsgericht Dortmund erklärte: „Jeder Geschädigte ist gut beraten, selbst bei kleinen Schäden einen Anwalt zu nehmen“. Es ging um 645 Euro (Az. 431 C 2044/09). Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main nannte es sogar fahrlässig, keine Kanzlei einzuschalten (Az. 22 U 171/13).
Der juristische Beistand kostet Geschädigte nichts, sofern sie keine Schuld oder Teilschuld trifft. Wer hingegen den Unfall mitverursacht hat, muss sich an den Anwaltskosten beteiligen. Aber gerade wenn die Schuldfrage strittig ist, wird man kaum ohne Rechtsbeistand auskommen.
Viele Unfallopfer wollen die Sache selbst regeln und wegen Kleinigkeiten keine Juristen hinzuziehen. Doch die gegnerische Versicherung ist ihnen weit überlegen. Ihre Fachleute sind geschult, bei der Entschädigung zu sparen. Die Versicherer kürzen systematisch, auch bei Kleinigkeiten.
Rechtsschutz und Anwalt – mehr Infos auf test.de
Rechtsschutzversicherung. Eine Verkehrsrechtsschutzversicherung ist sinnvoll. Gute Policen finden Sie in unserem Verkehrsrechtsschutzpolicen. Die Stiftung Warentest hat übrigens auch Rechtsschutzversicherungen getestet.
Anwaltssuche. Wie Sie die richtige Kanzlei finden, lesen Sie im Special Der beste Weg zum Anwalt.
Autoversicherung. Alles was Sie generell über die Autoversicherung wissen sollten, lesen Sie im Basiswissen Kfz-Versicherung auf test.de. Günstige Policen für Ihren persönlichen Bedarf finden Sie mithilfe unseres Kfz-Versicherungsvergleichs.
An der Autowäsche gespart
Ein Fall in Düsseldorf: Nach einem heftigen Parkrempler belief sich der Schaden laut Gutachten auf 5 731 Euro. Doch die Versicherung kürzte 175 Euro fürs Lackieren der Türgriffe, 242 Euro für ein Plastikteil am Radhaus, 192 Euro für die Achsvermessung, 44 Euro für die Autowäsche – alles angeblich unnötig. Dasselbe mit einer Dichtung, einer Chromleiste und Kleinteilen. Zusätzlich kürzte sie 343 Euro am Mietwagen, 57 Euro am Anwaltshonorar – alles in allem 1 335 Euro. Das war rechtswidrig. Sie musste alle Beträge nachzahlen (Amtsgericht Düsseldorf, Az. 37 C 11789/11).
Computer spuckt Kürzungen aus
Für den Berliner Fachanwalt für Verkehrsrecht, Marcus Gülpen, sind solche Probleme Alltag: „Reichen Geschädigte ein Gutachten ein, geben die Versicherer es an externe Firmen weiter, die es durch eine Spezialsoftware laufen lassen.“ Die spuckt zahlreiche Kürzungen aus, oft ohne jede Rechtsgrundlage.
Grundsätzlich gilt: Geschädigte dürfen sich auf das verlassen, was in dem Gutachten steht. Als technische Laien können sie nicht beurteilen, welche Reparaturen nötig sind. Die Werkstattrechnung reicht als Indiz, so das Oberlandesgericht (OLG) Celle. Das Risiko einer überhöhten Rechnung trägt nicht das Unfallopfer, sondern die Versicherung (Az. 14 U 37/17). Angesichts ihrer Methoden warf das Amtsgericht Eisenach den Versicherungsgesellschaften sogar eine „Nichtregulierungspraxis“ vor (Az. 57 C 175/16).
Eigenen Gutachter nehmen
Weitere wichtige Regel: keine Sachverständigen des gegnerischen Versicherers einladen. Stattdessen dürfen Geschädigte auf Kosten des Versicherers selbst ein Gutachten beauftragen. Nur bei Teilschuld müssen sie einen Anteil selbst zahlen.
Anders als bei den Anwaltskosten kommt es beim Gutachten aber auf die Schadenhöhe an. Voraussetzung dafür, dass die gegnerische Versicherung zahlen muss, ist ein Schaden von mindestens rund 1 000 Euro. Darunter reicht ein Kostenvoranschlag der Werkstatt. Einige Gerichte sehen die Grenze bei 1 500 Euro.
Wenn der Versicherer aber einzelne Positionen im Voranschlag kürzt, dürfen Geschädigte ein eigenes Gutachten in Auftrag geben. Dann gilt die Bagatellgrenze nicht mehr (Amtsgericht Bamberg, Az. 0102 C 569/14).
Geschädigte müssen auch keine Preise vergleichen, um besonders günstige Sachverständige zu finden. Der Preis darf nur nicht offensichtlich überhöht sein (Bundesgerichtshof [BGH], Az. VI ZR 61/17).
Auf das erstellte Gutachten dürfen sich Laien verlassen, sofern es keine offensichtlichen Fehler aufweist. Hat der gegnerische Versicherer ein Problem mit dem Gutachten, muss er innerhalb einer angemessenen Frist darauf reagieren (Oberlandesgericht Koblenz, Az. 12 U 2148/21).
Wer der Versicherung erlaubt, ihre Sachverständigen zu schicken, bekommt oft ein Problem. Viele Gerichte meinen, man dürfe dann nicht zusätzlich selbst Fachpersonal beauftragen (Amtsgericht Wuppertal, Az. 32 C 8/14).
Anders ist das, wenn das Versicherungsgutachten klare Fehler enthält: Ein Münchener hatte sich gewundert, dass der Sachverständige einige Schäden gar nicht berücksichtigt hatte, und beauftragte einen zweiten Experten. Der fand weitere Schäden. Die Versicherung musste auch das zweite Gutachten bezahlen (Amtsgericht München, Az. 335 C 7525/17).
Versicherung knausert: Anspruch auf vollständige Reparatur
Es kann auch passieren, dass die Fachleute der Versicherung eine sachgerechte Reparatur verweigern, um die Kosten gering zu halten. Das passierte einer Frau, die an einer Tankstelle einen Motorcheck machen ließ. Der Monteur vergaß jedoch, den Kühlwasserdeckel wieder zuzuschrauben. Deshalb nahm ein paar Tage später der Zylinderkopf Schaden. Die Reparatur musste die Versicherung der Tankstelle bezahlen. Doch als die Werkstatt der Frau meinte, dass auch Zahnriemen und weitere Zusatzriemen zu wechseln seien, lehnte die Versicherung ab. Das würde nur die Kosten in die Höhe treiben. Die Werkstatt tauschte die Riemen daher nicht. Wenige Tage darauf gab es einen kapitalen Motorschaden. Die Schuld trägt die Versicherung, urteilte der Bundesgerichtshof (Az. VI ZR 308/19). Die Frau hatte von Anfang an Anspruch auf eine vollständige, sachgemäße und fachmännische Reparatur.
Vorsicht bei der Nachbesichtigung
Begründen. Wer gleich selbst ein Gutachten in Auftrag gibt, muss der gegnerischen Versicherung nicht den Termin nennen, damit sie teilnehmen kann. Als Ersatz will sie dann gern ihre Sachverständigen zur Nachbesichtigung schicken. Das geht aber nur, wenn sie einen konkreten Grund hat. Der pauschale Hinweis, das fremde Gutachten sei unklar, reicht nicht, so das Landgericht (LG) Berlin (Az. 42 0 22/10).
Beschleunigen. Die Schadenregulierung darf einige Zeit dauern. Meist darf der Versicherer sich vier bis sechs Wochen Zeit lassen. Nach Erstellen des Gutachtens darf man das Auto reparieren lassen. Weil eine Nachbesichtigung dann unmöglich ist, sehen einige Versicherer das als Beweisvereitelung. Doch Gerichte urteilen anders: „Dem Geschädigten ist nicht vorzuwerfen, dass er die Reparatur unverzüglich beauftragt hat – schon weil so Mietwagenkosten verringert wurden“ (LG Ellwangen, Az. 3 O 439/12).
Abschleppen. Die Versicherung muss die Kosten tragen. Geschädigte brauchen in der Regel keine Preisvergleiche anzustellen, da meist Eile geboten ist. Man darf das Auto auch zur Heimatwerkstatt abschleppen lassen, wenn sie nicht allzu weit entfernt liegt und man bisher immer dorthin ging. 120 Kilometer Strecke bis dort sind noch okay, urteilte das Amtsgericht Rosenheim (Az. 8 C 90/17).
Werkstatt. Markenwerkstätten sind oft teurer als freie Werkstätten. Solche Kosten müssen Versicherer in der Regel nur zahlen, wenn der Wagen nicht älter als drei Jahre ist (BGH, Az. VI ZR 267/14) oder wenn das Unfallopfer das Auto bisher stets in eine Markenwerkstatt brachte. Es reicht nicht, wenn man es dort nur reparieren ließ, Wartungen aber eine freie Werkstatt gemacht hat (BGH, Az. VI ZR 182/16).
Verlangt der Versicherer die Reparatur in einer freien Werkstatt, muss sie nah genug sein, 21 Kilometer sind zu weit (BGH, Az. VI ZR 91/09). Zu weit ist es auch, wenn der Versicherer den Wagen abholt und in eine 130 Kilometer entfernte Werkstatt bringt. Denn Geschädigte müssten dann in einem späteren Gewährleistungsfall dorthin hinfahren (BGH, Az. VI ZR 267/14).
Anmeldekosten. Kaufen Geschädigte sich nach einem Totalschaden ein neues Auto, dürfen sie das Autohaus mit der Anmeldung beauftragen. Vor dem Amtsgericht Biberach ging es um 45 Euro (Az. 8 C 921/16).
Beilackierung. Muss ein Fahrzeugteil neu lackiert werden, trifft der Farbton oft nicht exakt den der Karosserieteile daneben, weil sie altersbedingt ein wenig ausgeblichen sind. Dann lackieren Werkstätten deren Ränder mit, sodass der optische Übergang nicht auffällt. Diese Beilackierung muss der Versicherer bezahlen (Amtsgericht Meiningen, Az. 13 C 861/14).
Haushaltsführungsschaden. Wurde ein Unfallopfer verletzt und braucht im Haushalt Hilfe, muss die Versicherung dies ersetzen – auch wenn dafür niemand extra eingestellt wird, sondern Familienmitglieder oder Bekannte aushelfen (BGH, Az. VI ZR 183/08).
Kostenvoranschlag. Verlangt die Werkstatt dafür Geld, muss der Versicherer es erstatten (Landgericht Hildesheim, Az. 7 S 107/09).
Kleinteile. Sieht das Gutachten eine Pauschale vor, muss der Versicherer zahlen (LG München I, Az. 19 S 1991/16). Das gilt auch für die oft 10-prozentigen Aufschläge, die Werkstätten gern für Ersatzteile nehmen, um so ihre Lagerkosten zu decken (Oberlandesgericht Düsseldorf, Az. I-1 U 108/11).
Merkantiler Minderwert. Nach einem Unfall ist das reparierte Fahrzeug weniger wert als ein unfallfreies. Diesen Wertverlust muss die Versicherung ausgleichen.
Neu für Alt. Werden Verschleißteile ersetzt, die eine Wertverbesserung des Pkw bringen, darf der Versicherer einen Teil der Rechnung abziehen. Beispiel: Ein alter Reifen, den der Besitzer ohnehin bald hätte wechseln müssen, wird beim Unfall aufgeschlitzt, ein neuer aufgezogen. Die Versicherung darf einen Abzug vornehmen. Wird aber ein alter Stoßfänger ersetzt, ist das keine Wertverbesserung (Amtsgericht Darmstadt, Az. 308 C 52/14).
Restwert. Nach einem Totalschaden zahlt die Versicherung zunächst nur die Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und dem Wert, zu dem sich der Schrott noch verkaufen lässt. Dann müssen Geschädigte aber nicht nach Aufkäufern mit besonders hohen Preisen suchen. Sie dürfen den Schrott zu dem Preis im Gutachten verkaufen (BGH, Az. VI ZR 132/04) und müssen nicht auf ein Gegenangebot des Versicherers warten. Die Versicherung, auch nicht die eigene Vollkasko, darf nicht verlangen, den Schrott an einen Autohandel in Osteuropa zu verkaufen. Ein Volvofahrer bekam von seiner Vollkasko einen Teil des Schadens ersetzt, den noch fehlenden Anteil sollte ein Aufkäufer aus Litauen für den Schrott bezahlen. Aber mit einem Händler ins Geschäft zu kommen, der womöglich kaum Deutsch spricht und dessen Angebot man nicht auf seine Seriosität hin prüfen kann, ist nicht zumutbar, urteilte das Landgericht Stuttgart (Az. 4 S 76/19). Es sei höchstrichterlich noch nicht einmal entschieden, ob nur örtliche Angebote zu berücksichtigen sind oder auch überregionale. Der internationale Markt in weit entfernten Ländern bleibe aber außen vor.
Standgeld. Bei einem Totalschaden verlangen viele Werkstätten ein Standgeld, wenn das Auto dort steht, oft 10 Euro pro Tag. Dies muss die Versicherung ersetzen – auch wenn es 38 Tage sind, weil die Leasinggesellschaft die Zulassungsbescheinigung nicht eher herausgab (Amtsgericht Cuxhaven, Az. 5 C 538/16).
Verbringungskosten. Nicht jede Werkstatt hat eine eigene Lackiererei. Muss sie den Wagen zum Lackierer bringen, hat der Versicherer die Transportkosten zu erstatten (OLG Düsseldorf, Az. I-1 U 140/09).
Rechnung von der Feuerwehr
Ein Pkw-Unfall mit Totalschaden ist schon schlimm genug. Aber danach auch noch die Rechnung der Feuerwehr bezahlen? Viele Betroffene bekommen Wochen nach dem Schaden Post von der Feuerwehr mit einer Rechnung für die Kosten des Einsatzes. Das sehen die Feuerwehrgesetze vieler Bundesländer so vor. Teils liegt ein fertig ausgefüllter Überweisungsträger gleich bei. Das erweckt den Anschein, man sei verpflichtet zu zahlen.
Gefahrenabwehr. Das ist aber nicht so. Vielmehr muss die gegnerische Kfz-Haftpflichtversicherung auch diese Kosten übernehmen. Wenn ein Feuerwehreinsatz zur Gefahrenabwehr nötig ist, muss in aller Regel der Versicherer zahlen. Das gilt zum Beispiel, wenn die Feuerwehr ausgelaufenes Öl abbinden oder verseuchtes Erdreich beseitigen muss oder wenn sie die Verkehrslenkung übernimmt, urteilte der Bundesgerichtshof (Az. IV ZR 325/05).
- Vollkaskoversicherte verschenken nach Unfall oft bares Geld. Git es eine Mitschuld, holen sie mit dem Quotenvorrecht leicht über 1 000 Euro mehr raus. So funktioniert es.
- Kfz-Haftpflicht, Teilkasko, Vollkasko: Der Kfz-Versicherungsvergleich der Stiftung Warentest zeigt die günstigsten Angebote. Tarife vergleichen, wechseln, Geld sparen!
Nutzerkommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.
Stiftung_Warentest am 28.08.2023 um 16:30 Uhr
Offene Fragen
@AchimBöttcher: Die Regulierung von Haftpflichtschäden ist schwierig – vor allem für die Geschädigten. Der gegnerische Versicherer ist verpflichtet, seinen Kunden gegen unberechtigte Forderungen des Geschädigten zu verteidigen. So regelt es § 100 des Versicherungsvertragsgesetzes (https://www.gesetze-im-internet.de/vvg_2008/__100.html) ausdrücklich, siehe auch: § 101 Abs. 1 Satz 1 Versicherungsvertragsgesetz https://dejure.org/gesetze/VVG/101.html. Das führt oft dazu, dass Geschädigte bis in kleine Details hinein belegen müssen, was ihnen an Schaden entstanden ist. Maßstab der Versicherer ist: Von welchen Schäden wird ein Gericht nach allen Regeln des Verfahrens ausgehen? Dabei ist zu berücksichtigen: Die Darlegungs- und Beweislast trifft den Geschädigten. Belege kann der Versicherer insoweit verlangen, als deren Beschaffung dem Geschädigten billigerweise zugemutet werden kann, § 119 Abs. 3 Satz 2 VVG. https://www.gesetze-im-internet.de/vvg_2008/__119.html Die Gerichte räumen Haftpflichtversicherern eine Prüfungspflicht von vier bis acht Wochen ein. Erst danach werden Schadenersatzansprüche fällig. Grundsatz beim Schadenersatz: Der für den Schaden Verantwortliche hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (§ 249 Abs. 1 BGB https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__249.html) Bei Verlust oder Zerstörung von Sachen heißt das: Er soll eine vergleichbare Sache oder das dafür erforderliche Geld erhalten. Wo vergleichbare Waren gebraucht verfügbar sind, ist der Preis dafür maßgeblich („Wiederbeschaffungswert“). Wo solche Ware zumutbar nur neu zu bekommen ist, kann das im Einzelfall auch Neuware sein. Soweit dann der Geschädigte länger als mit der zerstörten Sache versorgt ist, nehmen die Gerichte bei der Berechnung der Entschädigung einen Abzug neu für alt vor, damit der Geschädigte durch den Unfall nicht besser steht als er ohne ihn gestanden hätte. Beispiel: Der zerstörte Kühlschrank in einem Wohnmobil kostet 300 Euro. Er war beim Unfall fünf Jahre alt und hält normalerweise 10. Der Geschädigte erhält dann 150 Euro. Stets zu berücksichtigen: Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung (§ 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO, https://www.gesetze-im-internet.de/zpo/__287.html). Ich hoffe, unsere Hinweise helfen Ihnen weiter. Bitte haben Sie Verständnis: Im Detail können und dürfen wir uns zu Ihrem Fall nicht äußern. Das wäre Rechtsberatung im Einzelfall, wie sie von Gesetzes wegen Rechtsanwälten und Verbraucherzentralen vorbehalten ist.
Nach dem Lesen des Artikels und der Kommentare sind Fragen offen geblieben. Situation: wir waren die Geschädigten in einem Unfall, bei dem ein LKW aufgefahren ist und Wohnwagen und Zugfahrzeug zum Totalschaden machte. Die Abwicklung der beiden Fahrzeuge war zufriedenstellend, obwohl auch dort versucht wurde, mit einem nachträglichen angeblichen Bieter den Restwert zu kürzen. Nach 2 Monaten seit dem Unfall versucht der Versicherer die Verbringungsspesen und die Kosten des beschädigten/verlorenen Inhalts von Wohnwagen und SUV zu drücken. - Reicht der offensichtliche Anschein, dass wir für einen 4-wöchigen Italienurlaub fast einen kompletten Hausrat dabei hatten, oder müssen wir jeden Löffel einzeln belegen (das hätte die Versicherung gerne)? - Wird der Hausrat nach Zeitwert oder nach Neuwert berechnet? - falls Zeitwert, wie berechne ich Dinge, die weder einem Verschleiß noch eine technologische Alterung unterworfen sind? Kann jemand da draußen weiter helfen? Dank im Voraus
Im BGB §249 steht: "Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre." Das bedeutet völlig klar und unmißverständlich: das beschädigte Auto hat wieder vor dem Haus zu stehen wie es vor dem Unfall war. Zusätzlich ist Schadensersatz zu leisten wegen aller Umstände, die dem Geschädigten entstanden sind. Das betrifft Mietwagen, Taxikosten, Verdienstausfall usw.
@MarkRad: Der BGH hat mit Urteil vom 5. April 2022 entschieden, dass bei einer Teilreparatur zur Wiederherstellung der Verkehrssicherheit des Unfallfahrzeugs der Geschädigte den Ersatz von Umsatzsteuer nicht verlangen kann, wenn er den Weg der fiktiven Schadensabrechnung gewählt hat. Denn eine Kombination fiktiver und konkreter Schadensberechnung ist nicht zulässig. https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=64aad6a5df06b7fce20ef381970f9b90&nr=129526&pos=0&anz=1
Ich habe gelesen, dass man bei fiktiver Abrechnung und späterer Teilreparatur die angefallene Umsatzsteuer für die Teilreparatur nicht verlangen kann. Stimmt das?
Nutzerkommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.
@AchimBöttcher: Die Regulierung von Haftpflichtschäden ist schwierig – vor allem für die Geschädigten. Der gegnerische Versicherer ist verpflichtet, seinen Kunden gegen unberechtigte Forderungen des Geschädigten zu verteidigen. So regelt es § 100 des Versicherungsvertragsgesetzes (https://www.gesetze-im-internet.de/vvg_2008/__100.html) ausdrücklich, siehe auch: § 101 Abs. 1 Satz 1 Versicherungsvertragsgesetz https://dejure.org/gesetze/VVG/101.html. Das führt oft dazu, dass Geschädigte bis in kleine Details hinein belegen müssen, was ihnen an Schaden entstanden ist. Maßstab der Versicherer ist: Von welchen Schäden wird ein Gericht nach allen Regeln des Verfahrens ausgehen? Dabei ist zu berücksichtigen: Die Darlegungs- und Beweislast trifft den Geschädigten. Belege kann der Versicherer insoweit verlangen, als deren Beschaffung dem Geschädigten billigerweise zugemutet werden kann, § 119 Abs. 3 Satz 2 VVG. https://www.gesetze-im-internet.de/vvg_2008/__119.html Die Gerichte räumen Haftpflichtversicherern eine Prüfungspflicht von vier bis acht Wochen ein. Erst danach werden Schadenersatzansprüche fällig.
Grundsatz beim Schadenersatz: Der für den Schaden Verantwortliche hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (§ 249 Abs. 1 BGB https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__249.html) Bei Verlust oder Zerstörung von Sachen heißt das: Er soll eine vergleichbare Sache oder das dafür erforderliche Geld erhalten. Wo vergleichbare Waren gebraucht verfügbar sind, ist der Preis dafür maßgeblich („Wiederbeschaffungswert“). Wo solche Ware zumutbar nur neu zu bekommen ist, kann das im Einzelfall auch Neuware sein. Soweit dann der Geschädigte länger als mit der zerstörten Sache versorgt ist, nehmen die Gerichte bei der Berechnung der Entschädigung einen Abzug neu für alt vor, damit der Geschädigte durch den Unfall nicht besser steht als er ohne ihn gestanden hätte. Beispiel: Der zerstörte Kühlschrank in einem Wohnmobil kostet 300 Euro. Er war beim Unfall fünf Jahre alt und hält normalerweise 10. Der Geschädigte erhält dann 150 Euro. Stets zu berücksichtigen: Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung (§ 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO, https://www.gesetze-im-internet.de/zpo/__287.html).
Ich hoffe, unsere Hinweise helfen Ihnen weiter. Bitte haben Sie Verständnis: Im Detail können und dürfen wir uns zu Ihrem Fall nicht äußern. Das wäre Rechtsberatung im Einzelfall, wie sie von Gesetzes wegen Rechtsanwälten und Verbraucherzentralen vorbehalten ist.
Nach dem Lesen des Artikels und der Kommentare sind Fragen offen geblieben. Situation: wir waren die Geschädigten in einem Unfall, bei dem ein LKW aufgefahren ist und Wohnwagen und Zugfahrzeug zum Totalschaden machte. Die Abwicklung der beiden Fahrzeuge war zufriedenstellend, obwohl auch dort versucht wurde, mit einem nachträglichen angeblichen Bieter den Restwert zu kürzen.
Nach 2 Monaten seit dem Unfall versucht der Versicherer die Verbringungsspesen und die Kosten des beschädigten/verlorenen Inhalts von Wohnwagen und SUV zu drücken.
- Reicht der offensichtliche Anschein, dass wir für einen 4-wöchigen Italienurlaub fast einen kompletten Hausrat dabei hatten, oder müssen wir jeden Löffel einzeln belegen (das hätte die Versicherung gerne)?
- Wird der Hausrat nach Zeitwert oder nach Neuwert berechnet?
- falls Zeitwert, wie berechne ich Dinge, die weder einem Verschleiß noch eine technologische Alterung unterworfen sind?
Kann jemand da draußen weiter helfen?
Dank im Voraus
Im BGB §249 steht: "Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre."
Das bedeutet völlig klar und unmißverständlich: das beschädigte Auto hat wieder vor dem Haus zu stehen wie es vor dem Unfall war. Zusätzlich ist Schadensersatz zu leisten wegen aller Umstände, die dem Geschädigten entstanden sind. Das betrifft Mietwagen, Taxikosten, Verdienstausfall usw.
@MarkRad: Der BGH hat mit Urteil vom 5. April 2022 entschieden, dass bei einer Teilreparatur zur Wiederherstellung der Verkehrssicherheit des
Unfallfahrzeugs der Geschädigte den Ersatz von Umsatzsteuer nicht verlangen kann, wenn er den Weg der fiktiven Schadensabrechnung gewählt hat. Denn eine Kombination fiktiver und konkreter Schadensberechnung ist nicht zulässig.
https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=64aad6a5df06b7fce20ef381970f9b90&nr=129526&pos=0&anz=1
Ich habe gelesen, dass man bei fiktiver Abrechnung und späterer Teilreparatur die angefallene Umsatzsteuer für die Teilreparatur nicht verlangen kann. Stimmt das?