Der Mensch atmet. Das versorgt ihn ausreichend mit Sauerstoff. Noch mehr soll er durch Wasser bekommen, das mit Sauerstoff angereichert ist. Nutzt das was?
Neue Frische für Körper und Geist“, „jeden Tag mehr Vitalität“, „more life“ und sogar „more love“ (mehr Leben und mehr Liebe). Mit solch schönen Aussichten werben die Anbieter sauerstoffangereicherter Wässer. Ist da etwas dran? Wir haben sechs Produkte chemisch analysiert, probiert und begutachtet. Geschmacklich konnte keines der Wässer überzeugen. Unsere Experten beschrieben sie als „leicht flach und abgestanden“, „leicht bitter“ und „kratzend“. Manchmal störten auch Geschmacksfehler, die vom Kunststoff der Flaschen herrührten.
Wirkung fraglich
Und wie steht es um den Nutzen der Extradosis Sauerstoff? Forscher haben nach allen möglichen Wirkungen gefahndet. Doch wissenschaftlich hinreichende Belege für einen Vorteil fanden wir nicht. Weil das Erkenntnismaterial nicht ausreicht, haben wir den Nutzen der Sauerstoffanreicherung durchweg mit „mangelhaft“ bewertet. Auch sind mögliche Nebenwirkungen nicht ausreichend erforscht.
Bisher gilt nur eines als wissenschaftlich gesichert: Sauerstoff kann auch über den Magen-Darm-Trakt aufgenommen werden. Münchener Wissenschaftler haben das im Experiment mit Kaninchen gezeigt. Fragt sich nur, ob die Nager davon profitieren und ob sich Vorteile für den Menschen daraus ableiten lassen.
Dass sauerstoffangereichertes Wasser die Sauerstoffversorgung verbessert, ist jedenfalls nicht zu erwarten. Alle bisher vorliegenden Studien weisen darauf hin, dass sich die Sauerstoffkonzentration im Blut nach dem Genuss dieser Getränke nicht signifikant verändert. Kein Wunder, nimmt der Mensch doch stündlich etwa 20 bis 500 Gramm Sauerstoff mit der Atemluft auf. Würde der Sauerstoff aus einem Liter der Testwässer vollständig vom Verdauungstrakt aufgenommen, kämen nur 24 bis maximal 226 Milligramm hinzu.
Die Quelle liegt in Österreich
Früher pries die Werbung Sauerstoffwasser oft wegen heilender Wirkungen an. Produkte, die einen konkreten medizinischen Nutzen in Aussicht stellen, müssten aber als Arzneimittel zugelassen sein. Deshalb sind die Slogans heute auch eher zurückhaltend. Schließlich stehen sämtliche Sauerstoffwässer als normale Lebensmittel im Handel. Sauerstoff ist lebensmittelrechtlich aber nur als ein Zusatzstoff (E 948) zugelassen, zu technologischen Zwecken – zum Beispiel als Schutzgas in Verpackungen. Doch solche Aufgaben übernimmt der Sauerstoff in den getesteten Wässern nicht. Dürfen sie trotzdem verkauft werden?
Ja, aber aus historischen Gründen. Ähnlich wie der Energy Drink Red Bull kam das Sauerstoffwasser Ende der 90er Jahre aus Österreich auf den deutschen Markt. Weil das Wasser in seiner Heimat nicht beanstandet wurde und kein konkretes Gesundheitsrisiko belegt ist, musste Deutschland das Produkt dulden. Allerdings nur mit einer befristeten Ausnahmegenehmigung für maximal neun Jahre. Ist bis dahin kein wissenschaftlicher Beweis für einen ernährungsphysiologischen Vorteil des Sauerstoffzusatzes erbracht, bedeutet das womöglich das Aus am deutschen Markt.
Auf das Rezept „Wasser plus Sauerstoff“ setzen inzwischen auch deutsche Getränkehersteller – mit wenig oder ohne Kohlensäure. Bei hoher Sauerstoffkonzentration schmeckt das Wasser weicher und sanfter als herkömmliches. Allerdings hinterlässt es dann mitunter ein kratzendes, pelziges Mundgefühl.
Sauerstoff ist flüchtig
Den Etiketten nach liegt der Sauerstoffgehalt der getesteten Wässer zwischen 40 und 200 Milligramm je Liter. Das übertrifft bei weitem die Sauerstoffmengen, die im Trinkwasser gelöst sind (3 bis 10 Milligramm pro Liter). Doch wie alle Gase ist auch Sauerstoff flüchtig. Um den Gehalt bis zum Mindesthaltbarkeitsdatum zu garantieren, wird bei der Abfüllung überdosiert. Trotzdem enthielten drei Produkte deutlich vor diesem Datum wesentlich weniger Sauerstoff als auf dem Etikett angegeben war (MineralcO2, Vilsa Vital O2, Ogo Still). Andererseits übertrafen die Sauerstoffgehalte bei zwei Wässern den angegebenen Wert: bei Oxygizer und Active O2. Nur bei Oxivit stimmten die Werte überein.
Mit jedem Glas weniger Gas
Wir wollten auch wissen, wie lange sich der Sauerstoff in angebrochenen Flaschen hält. Dazu schenkten wir uns je ein Glas von Ative O2 und Oxivit ein und verwahrten die Flaschen verschlossen bei Raumtemperatur. Nach viereinhalb und neun Stunden haben wir nachgegossen. Am Ende war nur noch die Hälfte bis ein Viertel des Sauerstoffgehalts übrig.
Geschmack aus der Verpackung
Bei der chemischen Analyse fanden wir in drei Produkten nennenswerte Mengen von Acetaldehyd. Das ist ein Kunststoffabbauprodukt, das sich von Flaschen aus Polyethylenterephthalat (PET) absondern kann. Es riecht und schmeckt verdünnt leicht weinartig, fruchtig. In Fruchtsäften, Bier und Sherry kommt es in größeren Mengen natürlicherweise vor. Gesundheitsschädlich ist es aber in diesen Konzentrationen ebenso wenig wie in den Wässern. Erst in sehr hohen Konzentrationen ist die Substanz giftig.
In Wässern aus PET-Flaschen schmeckt man Acetaldehyd meist ab 10 Mikrogramm pro Liter (µg/l). Den höchsten Gehalt hatte Vilsa Vital O2 (142 µg/l). Es schmeckte auch danach. Bei anderen Wässern überdeckte wohl der Kunststoffgeschmack die Acetaldehydnote.
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