In 18 von 25 Asiawürzsoßen fanden wir sehr hohe Mengen an Weichmachern. Oftmals in so gewaltiger Dosis, dass sie die Gesundheit gefährden. Schuld ist allein der Deckel.
Scharf wie Chili oder süß wie Erdnusspaste: Dickflüssige Würzsoßen aus Fernost geben Fleischgerichten den nötigen Pfiff und kommen auch in deutschen Küchen immer mehr zum Einsatz. Beliebt sind „Sambals“, dunkle Soßen aus Chilischoten. Das Rezept stammt aus Indonesien und zirkuliert in vielen Varianten. Oder „Satay“, eine südostasiatische Soße, der Erdnüsse und Kokosmilch die Süße verleihen. Sie wird zu gegrillten Fleischspießen als Dip gereicht. Neben diesen Klassikern gibt es andere, etwa diverse Curry- und Shrimppasten. Sie alle haben eines gemeinsam: Sie sind mit reichlich Öl versetzt. Und sie kommen meist aus China, Indien, Malaysia, Taiwan, Thailand oder Vietnam. Hierzulande bieten sie Asialäden wie die Kette Vinh-Loi an, aber auch Supermärkte und Feinkostabteilungen von Kaufhäusern.
Höchstmenge in der Aldi-Currypaste
Würden diese Soßen nur kräftig würzen, wäre die Küchenwelt in Ordnung. Doch neben Pflanzenöl, Knoblauchpulver und Sesampaste bergen sie oft höchst unerwünschte Stoffe: Fast drei Viertel der 25 Soßen, die wir im Labor untersuchen ließen, waren stark bis sehr stark mit Weichmachern belastet. Darunter die gesundheitsgefährdenden Stoffe DEHP, DINP, DIDP und DEHA (siehe „Weichmacher und Grenzwerte“).
Einen der erschreckendsten Werte haben wir in der Currypaste von Aldi (Nord) gemessen, die als Aktionsware für nur einen Euro angepriesen wurde. Ganze 1 490 Milligramm des leberschädigenden DINP waren aus dem Deckel des Glases in die Paste gewandert – das ist das 165-Fache des Grenzwertes. Aldi steht jedoch nicht allein da: Vier weitere Würzsoßen waren stark, drei sehr stark mit DINP belastet.
Jeder Esslöffel zählt
Weichmacher sind in unserer Umwelt allgegenwärtig. Wir nehmen sie zum Beispiel über das Essen, die Luft oder Arzneimittel auf. Die Belastung für den Körper ist also immer eine Summe aus verschiedenen Quellen. Gehalte wie in der Aldi-Soße überschreiten haushoch die Menge, die für den Menschen bei lebenslanger täglicher Aufnahme als gesundheitlich unbedenklich gilt. Diese Menge wird TDI genannt: Tolerable Daily Intake. Im Fall der gelben Aldi-Currypaste reichen bereits zwei Esslöffel aus, um den TDI auszuschöpfen. Für eine scharfe Soße ist das kein unrealistisches Szenario.
Unsere Ergebnisse geben Anlass zur Beunruhigung, und sie sind kein Einzelfall: Deutsche und Schweizer Labore haben in der Vergangenheit immer wieder hohe Gehalte an Weichmachern in Pesto, Pastasoßen und in Öl eingelegtem Gemüse festgestellt. Grundsätzlich dürfen nicht mehr als 60 Milligramm Chemikalien pro Kilogramm Nahrung aus Verpackungen in Lebensmittel übergehen. Im Fachjargon heißt das „globaler Migrationswert“. Vorbeugend gilt er auch für weniger kritische Weichmacher. Für Risikostoffe wurden „spezifische Migrationswerte“ eingeführt, die SML (Specific Migration Limit). Diese SML-Grenzwerte sind oft deutlich strenger (siehe „Weichmacher und Grenzwerte“).
Hohes Gesundheitsrisiko durch DEHP
Zu den Risikostoffen zählt beispielsweise Diethylhexylphthalat, kurz DEHP. Im Tierversuch erwies es sich als krebserzeugend sowie frucht- und fortpflanzungsschädigend. DEHP verteilt sich vorrangig in Leber- und Fettgewebe, dazu greift es in den Hormonhaushalt ein. Die gleichen Gesundheitsrisiken sind auch für den Menschen nicht auszuschließen.
Umso alarmierender sind die dramatisch hohen DEHP-Werte, die wir fanden: Zwischen 780 und 1 070 Milligramm pro Kilogramm Soße steckten in der Lao Gan Ma Chilipaste von AsRopa Food, in der Ashoka Madras Curry Paste von Franz Hönekopp und im Aiduojiao Chiliöl von Vinh-Loi. Umgerechnet heißt das: Wer nur einen Teelöffel des Vinh-Loi-Chiliöls in sein Essen mischt, schöpft allein damit die maximale Tagesdosis an DEHP aus.
Die Risiken des Phthalats sind seit Jahrzehnten bekannt. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin rät davon ab, es in Kontakt mit fetten Lebensmitteln zu verwenden. Doch gerade außerhalb Europas kommt es noch immer zum Einsatz. Und bei Waren, die wie die Würzsoßen aus Fernost kommen, ist die Einflussnahme schwierig. Hier sind die europäischen Importeure gefordert, mehr Stichproben nach der Einfuhr durchzuführen.
Die Sache mit dem „Knack“
Wie gelangen die Chemikalien denn nun in die Soßen? Schuld daran ist der Schraubdeckel der Gläser. Im Grunde leistet er ja gute Dienste: Er schließt das Glas sicher und schützt vor Verderb. Gleichzeitig lässt sich das Glas im Handumdrehen öffnen, dann macht es „knack“. So weit, so praktisch. Wäre da nicht der Dichtungsring aus PVC auf der Innenseite der Deckel, der bis zu 45 Prozent aus Weichmachern bestehen kann. Kommt er in Kontakt mit dem Fett der öligen Soße, lösen sich die Weichmacher und gehen über. Sie sind nämlich fettlöslich und chemisch nicht an das PVC gebunden.
Wie viel dann in die Nahrung gelangt, hängt zum Beispiel von der Füllmenge und der Haltbarkeit des Produkts ab. Meistens steht das Öl sprichwörtlich bis zum Halse, so auch bei den Gläsern im Test. Der Transport im Handel und nach Hause bringt erste Vermischungen. Je länger das Glas dann verwendet wird, und der Inhalt kann drei Jahre haltbar sein, umso mehr kann übergehen. Hätten wir die Gläser länger aufbewahrt und nur dann und wann benutzt, wären die Ergebnisse wohl noch drastischer ausgefallen.
Die Suche nach dem gesunden Deckel
Das riskante DEHP haben viele europäische Hersteller inzwischen aus ihren Schraubdeckeln verbannt. Mit Ausnahme von DINP und der verwandten Substanz DIDP werden Phthalate in der EU durch risikoärmere Stoffe wie Esbo und das relativ neue Dinch ersetzt. Esbo, epoxidiertes Sojaöl, wird von vielen Anbietern derzeit als beste Deckellösung angesehen. Tatsächlich handelt es sich um einen der weniger kritischen Weichmacher. Doch auch Esbo wandert in zu hohem Maße aus dem Deckel in das Lebensmittel: Satte 965 Milligramm steckten allein in der Suree Chillipaste von AsRopa Food, dreimal mehr als der aktuelle Grenzwert erlaubt.
Und so hangelt sich die Industrie von einem Weichmacher zum nächsten. Immerhin sieben Soßen im Test, darunter Lidl, glänzten mit einem Glas ohne Spur von Weichmachern. Leider wird die Zusammensetzung der Deckeldichtung in der Branche wie ein Geheimnis gehütet, auch wir können es nicht lüften. Die sieben zeigen aber: Es geht auch gesünder.
Das Gros der Hersteller beteuert jedoch, von einer Ideallösung noch immer entfernt zu sein. Erfahrungen mit anderen Dichtungsmaterialien waren ernüchternd: Die Gläser ließen sich nicht mehr öffnen oder luftdicht schließen. Handel und Verpackungsindustrie schieben sich den schwarzen Peter zu. Besser wäre es, sie entwickelten gemeinsam konsequent neue Ideen, denn Schraubgläser sind im Supermarkt allgegenwärtig.
Auch andere Verpackungskonzepte für Soßen sind bis jetzt gescheitert. Tuben oder Blechdosen mögen viele Verbraucher nicht, denn sie wollen durch das Glas den Inhalt sehen. Auch eine geringere Füllmenge brachte keine Abhilfe.
Strengere Vorgaben ab 2008
Doch der Druck in Europa wächst: „Deckeldichtungen, bei denen die SML nicht eingehalten werden, sind ab dem 1. Juni 2008 verboten“, steht in einer brandneuen Verordnung der Europäischen Kommission. Das heißt: Alle Gläser, die in Zukunft den vorgegebenen Grenzwert überschreiten, haben im Handel nichts zu suchen. Die Hersteller haben noch elf Monate Zeit, um einen Weg aus diesem Dilemma zu finden. Sie selbst finden den Zeitraum zu kurz, doch einen Ausschluss vom Markt werden sie schwerlich riskieren. Profitieren wird der Verbraucher.
Die neue EU-Verordnung könnte also die Feinschmeckerwelt stark verändern: Stehen Schraubgläser mit öligem Inhalt vor dem Aus und geht es zurück zur Tube? Oder finden unter Zeitdruck noch alle den gesunden Deckel?
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