
Die bayerische Großmetzgerei Sieber zieht Hunderte Tonnen Fleisch- und Wurstwaren vom Markt zurück. Lebensmittelkontrolleure hatten zwischen März und Mai in verschiedenen Proben gesundheitsgefährdende Listerien gefunden. Möglicherweise gibt es einen Zusammenhang mit früheren Krankheitsfällen in Süddeutschland. test.de hat die Fakten zur Rückrufaktion und erklärt, warum Listerien so gefährlich sind und wie sich Verbraucher vor den Keimen schützen können.
Welche Waren sind betroffen?
Die Großmetzgerei Sieber im oberbayrischen Geretsried darf ihre Waren nicht mehr verkaufen und muss alle auf dem Markt befindlichen Produkte zurückrufen. Das hat das Landratsamt Bad Tölz am 27. Mai 2016 angeordnet. Die Liste der betroffenen Produkte ist ungewöhnlich lang: Mehr als 200 verschiedene Fleisch- und Wurstprodukte sollen Verbraucher sicherheitshalber nicht mehr verzehren, weil sie mit gefährlichen Bakterien – Listerien – verunreinigt sein können. Hinzu kommen einige vegetarische Produkte. Sie waren auch über die Grenzen Bayerns hinaus im Umlauf. Verbraucher erkennen betroffene Fleischerzeugnisse am ovalen Identitätskennzeichen BY 10751 auf der Verpackung – das Kennzeichen des Fleischerbetriebs Sieber. Unter der Telefonnummer 08171/ 9 82 10 hat die Firma zudem eine Hotline eingerichtet.
Was ist die Vorgeschichte?
Wie das bayerische Verbraucherschutzministerium schreibt, vermutet das Robert-Koch-Institut einen Zusammenhang zwischen den Fleischwaren von Sieber und einem Listerienausbruch in Süddeutschland, der seit 2012 andauert. Laut Süddeutscher Zeitung bedurfte es jahrelanger Detektivarbeit der Behörden, um den Erregern auf die Spur zu kommen. Dieses Frühjahr hätten sich die Beweise verdichtet, dass Erkrankte eine Vorliebe für Fleisch hätten: insbesondere für Bauchspeck, Wammerl – gegarter Schweinebauch mit Schwarte – und rohen Schinken. Im März 2016 hatten Lebensmittelkontrolleure in einem Wacholderwammerl der Firma Sieber sehr hohe Mengen Listerien nachgewiesen. Daraufhin hatten sie in Süddeutschland 50 Proben der Firma untersucht: Fünf waren mit Listerien belastet, allerdings weit unter den zulässigen Grenzwerten.
Wie kommen die Listerien in die Wurst?
Woher die Verunreinigung der bayrischen Wurst kommt, ist bislang unklar. Üblicherweise werden beim Erhitzen der Wurst Listerien getötet. Die Verunreinigung könnte nach dem Garen, etwa beim Aufschneiden oder Verpacken, stattgefunden haben. Im Werk von Sieber waren alle bisher genommenen Proben negativ. Die Firma hat Klage gegen die bayrische Staatsregierung eingereicht: Sie wehrt sich gegen die Anweisung, das komplette Sortiment vom Markt nehmen zu müssen. Die bayrische Verbraucherschutzministerin Ulrike Scharf wies die Kritik zurück. Man habe die Öffentlichkeit warnen müssen.
Was sind Listerien – und wie werden sie übertragen?
Listerien sind Bakterien, die in der Umwelt weit verbreitet sind: in der Erde, auf Pflanzen, im Kompost, in Abwässern. Für den Menschen ist einer der sieben Listerien-Vertreter besonders kritisch: Listeria monocytogenes. Es kommt im Tierkot vor und kann über die Landwirtschaft in die Nahrungskette des Menschen geraten, etwa beim Melken in die Milch oder beim Schlachten ins Fleisch. Ebenso kann Gemüse mit erregerhaltiger Erde oder tierischem Dünger verunreinigt sein.
Warum sind Listerien so gefährlich?
Listerien können beim Menschen die Krankheit Listeriose auslösen. Sie verläuft bei gesunden Erwachsenen normalerweise unkritisch. Die Symptome sind oft unspezifisch und ähneln einer Grippe: Fieber und Muskelschmerzen, manchmal auch Durchfall und Erbrechen. Bei Neugeborenen, älteren Menschen oder Personen mit geschwächtem Immunsystem kann die Listeriose dagegen einen schweren Verlauf nehmen und zu Blutvergiftung, Gehirn- und Hirnhautentzündung führen. Schwer Erkrankte können sterben – die Rate der Todesfälle ist nach Auskunft des Robert-Koch-Instituts hoch, sie liegt bei sieben Prozent. Bei Schwangeren kann sich eine Listeriose zunächst unauffällig äußern. In seltenen Fällen aber geht die Infektion auf das ungeborene Kind über und schädigt es, führt zu Früh- oder Fehlgeburten. Ärzte verordnen bei Listeriose in der Regel Antibiotika. Infizierte Menschen können den Erreger über den Stuhl mehrere Monate lang ausscheiden und andere anstecken. Die Zeit von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Listeriose variiert stark – von wenigen Stunden bis zu 14 Tagen, bei Schwangeren kann die Ansteckungsphase noch länger dauern. Die Listeriose gehört zu den meldepflichtigen Krankheiten: 2014 registrierte das Robert-Koch-Institut 608 Fälle in ganz Deutschland.
So schützen Sie sich vor Listeriose
In der Regel infizieren sich Menschen über Lebensmittel, die Listerien in erhöhter Konzentration enthalten. Hier einige Maßnahmen, um eine Infektion zu vermeiden.
- Durcherhitzen. Kochen, Braten und Pasteurisieren tötet Listerien ab – sofern Lebensmittel im Kern mindestens zwei Minuten lang bei 70 Grad Celsius durcherhitzt werden. Tiefgefrieren reicht nicht.
- Kühlen hilft nicht. Listerien können sich auch bei Kühlschranktemperatur vermehren. Selbst in tiefgefrorenen Lebensmitteln überleben Listerien.
- Bei rohen tierischen Lebensmitteln aufpassen. Risikogruppen wie kleine Kinder, ältere Menschen und Immungeschwächte sollten keine rohen tierischen Lebensmittel verzehren. Dazu gehören etwa Rohmilchkäse, Rohwurst wie Salami und Mett. Auch geräucherte und marinierte Fischerzeugnisse könnten belastet sein.
- Obst und Gemüse waschen. Frisches Obst und Gemüse immer gründlich waschen. Listerien können beispielsweise auch auf Blattsalaten vorkommen. Gegen eine gefährliche Vermehrung hilft es, Blattsalate frisch zuzubereiten und abgepackte Salatmischungen gründlich zu waschen.
- Küchenhygiene einhalten. Messer und Schneidebretter nach der Zubereitung von Lebensmitteln, insbesondere von Fleisch, gründlich reinigen. Die Hände vorm Kochen und danach intensiv waschen und abtrocknen. Mehr dazu in unserem Special Keime in Lebensmitteln.
Rückruf von Lebensmitteln
Plastikteile im Schokoriegel, Salmonellen in der Salami − regelmäßig berichtet die Stiftung Warentest über Rückrufaktionen bei Lebensmitteln. Welche Probleme treten am häufigsten auf? Und wie funktioniert das Warnsystem von Unternehmen und Behörden eigentlich genau? Das erklären wir in unserer Meldung Rückruf von Lebensmitteln: So gehen Unternehmen und Behörden vor.
Newsletter: Bleiben Sie auf dem Laufenden
Mit den Newslettern der Stiftung Warentest haben Sie die neuesten Nachrichten für Verbraucher immer im Blick. Sie haben die Möglichkeit, Newsletter aus verschiedenen Themengebieten auszuwählen.
-
- Die Lebensmittelhersteller Willms und Eckhoff haben Fleisch- und Wurstwaren zurückgerufen. Bei einer Routinekontrolle wurden Salmonellen in einer Probe von...
-
- Nach dem Krankheitsausbruch durch Listerien, der mit der Firma Wilke Waldecker Fleisch- und Wurstwaren in Verbindung gebracht wird, sind jetzt auch 1,6 Tonnen...
-
- Glasstückchen im Fruchtaufstrich, Plastikteile im Schokoriegel, Salmonellen in Eiern und Babynahrung − regelmäßig berichtet die Stiftung Warentest über...
Diskutieren Sie mit
Nur registrierte Nutzer können Kommentare verfassen. Bitte melden Sie sich an. Individuelle Fragen richten Sie bitte an den Leserservice.