Die Versprechungen sind groß, doch die wissenschaftlichen Belege fehlen. Was die sogenannten Superfrüchte wirklich draufhaben.
Testergebnisse für 16 Rote Fruchtsäfte 11/2016
„Cranberrysaft – beerenstark gegen Blasenentzündung“ – so lautet einer der ersten Treffer bei der Suche nach Cranberrysaft im Internet. „Sie tun sich etwas Gutes mit den gesundheitsfördernden sekundären Pflanzenstoffen des Granatapfels“, schreibt ein Onlineshop zu einem Granatapfelsaft. Aronia wird gar als „Gesundheits- oder Wunderbeere“ angepriesen.
Vor allem Reformhäuser, Biomärkte und Drogerien verkaufen solche Beerensäfte. Sie sprechen gesundheitsbewusste Käufer an. 16 solcher roten Fruchtsäfte haben wir getestet. Ob die Qualität stimmt, lesen Sie im Testbericht. Was es mit den Superkräften auf sich hat, finden Sie hier.
Hilft Cranberrysaft wirklich gegen Blasenentzündungen?
Viele Frauen klagen über Blasenentzündungen. Sie hoffen, sich mit Cranberrysaft davor schützen zu können. Inhaltsstoffe der Cranberry sollen verhindern, dass sich Bakterien an der Blasenwand festsetzen. Dieser Effekt wurde im Labor – in vitro – nachgewiesen. Ein Beweis für die Wirksamkeit beim Menschen – in vivo – ist das aber nicht. Florian Wagenlehner, Professor für Urologie und Direktor der Urologischen Klinik am Universitätsklinikum Gießen, empfiehlt Cranberrysaft seinen Patienten nicht. „Größere Metaanalysen zu wiederkehrenden Harnwegsinfektionen zeigen keinen Effekt von Cranberry. Es ist wissenschaftlich einfach nicht untermauert.“ Laut einer Analyse des internationalen, unabhängigen Netzwerks von Wissenschaftlern und Ärzten Cochrane Collaboration von 2012 haben Cranberryprodukte keinen klaren Nutzen, Harnwegsinfektionen vorzubeugen. Die Wissenschaftler hatten 24 Studien mit mehr als 4 000 Teilnehmern ausgewertet. Viele Probanden brachen die Studien vorzeitig ab, gerade wenn sie Cranberrysaft bekamen. Das könnte an dessen herbem Geschmack gelegen haben. Wagenlehner, der an der deutschen und europäischen Leitlinie zu Harnwegsinfektionen mitarbeitet, hält seine Patienten aber nicht davon ab, Cranberrysaft zu trinken. „Wenn es ihnen schmeckt und gut tut, ist dagegen nichts einzuwenden“, sagt der Urologe. Er betone aber immer, dass Belege für die Wirksamkeit fehlen.
Granatapfel soll unter anderem gut fürs Herz sein oder vor Krebs schützen – stimmt das?
Wer schnell im Internet recherchiert, könnte denken, der Granatapfel sei ein echtes Multitalent: Sein hoher Gehalt an Polyphenolen, die zu den sekundären Pflanzenstoffen zählen, soll diversen Erkrankungen vorbeugen. Sekundäre Pflanzenstoffe haben positive Effekte auf die Gesundheit – das ist unumstritten. „Aussagen, dass einzelne dieser Stoffe oder einzelne Lebensmittel wie ein Granatapfel vor Krankheiten wie Krebs schützen, sind aber zu weitreichend“, sagt Bernhard Watzl, Professor für Ernährungswissenschaft am Max-Rubner-Institut in Karlsruhe. Man könne sehr gut belegen, dass eine hohe Aufnahme pflanzlicher Lebensmittel wie Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte und Nüsse mit einem geringeren Risiko für Herz-Kreislauf- und bestimmte Krebserkrankungen einhergeht. „Aber einen Beweis dafür, dass einzelne Vertreter für diese gesundheitlichen Effekte beim Menschen verantwortlich sind, gibt es nicht. Das ist auch schwierig zu belegen“, sagt Watzl.
Aronia gilt als Gesundheitsbeere – ist sie gesünder als andere?
Nein, Superkräfte hat auch die Aroniabeere nicht. „Es gibt keine Hinweise, dass Aronia anderem Obst gesundheitlich überlegen ist“, sagt Ernährungswissenschaftler Watzl. Gesund soll sie vor allem wegen ihres hohen Gehalts an Anthocyanen sein, einer Untergruppe der Polyphenole. Anthocyane sind Farbstoffe, die Früchte rot und blau färben. Auch blaue Trauben, Heidelbeeren und Brombeeren enthalten viel davon. Laut Ernährungswissenschaftler Bernhard Watzl sind Aroniabeeren und auch Cranberry und Granatapfel hochwertige Lebensmittel, die zu einer gesunden Ernährung beitragen können. „Aber die Reihe hochwertiger Lebensmittel lässt sich fortsetzen. Sie endet nicht bei diesen drei Beeren.“
Dürfen die Anbieter Gesundheitsaussagen zu den Säften machen?
Noch vor einigen Jahren schrieben sie solche Hinweise auf die Verpackungen der Säfte. Auf dem Etikett eines Rabenhorst-Granatapfelsafts etwa hieß es 2012, die enthaltenen Polyphenole würden das Immunsystem unterstützen. Seit Ende 2012 dürfen die Anbieter gesundheitsbezogene Angaben, sogenannte Health Claims, nur machen, wenn die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit Efsa sie genehmigt hat. Als Belege müssen sie wissenschaftliche Studien einreichen – die Efsa prüft sie. Für Cranberry wurden 16 Claims beantragt, für Granatapfel 10, für Aronia 2 – keiner wurde zugelassen, weder für Säfte noch für Extrakte oder Pulver. „Die meisten Claims wurden abgelehnt, weil Nachweise zur gesundheitlichen Wirkung fehlten oder weil die wissenschaftlichen Belege nicht ausreichend fundiert waren“, sagt Rechtsanwalt Alfred Hagen Meyer, Experte für Lebensmittelrecht. Kein Anbieter der Fruchtsäfte im Test hat selbst einen Health Claim bei der Efsa beantragt. Wir fragten dennoch, ob sie gesundheitliche Vorteile ihres Produkts sehen. Zwei bejahten, ohne Vorteile genau zu benennen. Auch Nachweise lieferten sie nicht. Ein dritter Anbieter, Rabenhorst, der dreimal im Test vertreten ist, antwortete so knapp wie richtig: Cranberry-, Aronia- und Granatapfelsaft können „einen Beitrag zu einer gesunden und abwechslungsreichen Ernährung leisten. Nicht mehr und nicht weniger.“ Ein Anbieter im Test nutzt einen zugelassenen allgemeinen Claim für Mangan in Lebensmitteln (Testkommentare, Arioniabeerensaft).
Enthalten rote Fruchtsäfte mehr Vitamin C als Orangensaft?
Nein, keinesfalls. Nur die Beeren sind vitamin-C-haltig. 100 Gramm Aroniabeeren zum Beispiel haben 21 Milligramm Vitamin C, Cranberry 10 und Granatapfel 7 Milligramm. In den geprüften Säften jedoch war das Vitamin nicht nachweisbar. Ein 0,2-Liter-Glas Orangensaft dagegen deckt bereits einen Großteil des täglichen Bedarfs an Vitamin C. Apfelsaft steuert auch kaum Vitamin C bei, aber sekundäre Pflanzenstoffe – naturtrübe Apfelsäfte enthalten mehr als klare.
Wie zuckerreich sind die roten Fruchtsäfte?
Granatapfelsaft hat einen hohen Gehalt an fruchteigenem Zucker: im Test rund 11 bis 12 Gramm pro 100 Milliliter. Auf deutlich weniger kommt Cranberrysaft: rund 4,3 Gramm. Beim Aroniasaft sind es 5,6 bis 8,7 Gramm. Zum Vergleich: Apfel- und Orangensaft enthalten auf die gleiche Menge zirka 10 Gramm Zucker – so viel wie Cola. Ein Stück Würfelzucker entspricht 3 Gramm.
Keine Frucht bietet einen Superschutz. Die Mischung machts!
Ein Lebensmittel, das Wunder bewirkt, gibt es nicht. Entscheidend ist, wie sich der Mensch insgesamt ernährt. „Wer es schafft, fünf Portionen Obst und Gemüse am Tag zu essen, tut viel für seine Gesundheit“, sagt Wissenschaftler Watzl. Es komme auf ein vielfältiges Spektrum an. Der gesundheitliche Effekt von Fruchtsaft ist der Frucht gegenüber nur zweitrangig. Die Frucht selbst liefert zum Beispiel deutlich mehr Ballaststoffe als der Saft. Ein Glas kann aber gelegentlich eine Portion frisches Obst und Gemüse ersetzen.
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- Wie in Südeuropa üblich, wässern mittlerweile auch in Deutschland Bauern bei Dürre ihre Felder mit aufbereitetem Abwasser aus Kläranlagen. Das enthält vermehrt...
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