
© Stiftung Warentest / Ralph Kaiser
Krankenkassen bewilligen oft nur veraltete Standardmodelle. Sie schneiden im Test allenfalls ausreichend ab. Wer Besseres will, muss zuzahlen. Zwei sind gut.
Als der Unfall passiert, wundert das niemanden. Die Damen am Kaffeetisch des Seniorentreffs plaudern anscheinend unbeeindruckt weiter, über dies und das und jenes. Wochenlang haben sie für die Stiftung Warentest Rollatoren geprüft. Sie kennen jedes Sitzpolster, jeden Rückengurt. Und jede Klemmstelle. Tester und Unfallopfer Jürgen Brauer ebenfalls. Im Nebenzimmer wollte er vorführen, wie er einen Standardrollator zusammenklappt. Nun hält der 80-Jährige seine Finger unter kühlendes Wasser. Er hat sich gequetscht.
„Männer sind Mimosen,“ kommentiert Anneliese Becker, 85 Jahre alt, vom Kaffeetisch. Doch auch für Mimosen müssen Rollatoren funktionieren. Wir haben zwölf Modelle getestet: acht Leichtgewichtrollatoren aus Aluminium oder Karbon und vier Standardmodelle aus Stahl. Gut sind nur zwei Leichtgewichte von Russka und Topro. Die anderen Leichtgewichtmodelle schneiden trotz Schwächen immerhin befriedigend ab, vor allem aufgrund guter Noten in der Handhabung. Nicht zu empfehlen sind dagegen die vier Standardrollatoren, auch Querfalter genannt – dazu später mehr. Sie sind im Alltag draußen wenig zu gebrauchen, mit ihnen sind etwa unebene Wege kaum zu bewältigen und sie offenbaren große Probleme, wenn man sie zum Transportieren zusammenklappen will. Mangelhaft ist der Standardrollator Rotego von B + B. Sein Griff enthält so viele Schadstoffe, dass er nicht verkauft werden dürfte (Testergebnisse Rollatoren).
Unser Rat
Nur zwei Rollatoren sind gut: der Russka Vital Carbon für 535 Euro und der Topro Troja 2G Premium für 410 Euro. Die beiden Leichtgewichtmodelle lassen sich gut fahren, leicht bedienen und einfach zusammenklappen. Die vier geprüften Standardrollatoren aus Stahl können wir vor allem für die Nutzung draußen nicht empfehlen. Sie sind zum Überwinden von Hindernissen kaum geeignet und bereiten Probleme beim Zusammenklappen. Krankenkassen bewilligen oft nur Standardrollatoren auf Rezept, nur bei bestimmten Erkrankungen auch Leichtgewichte.
Spazieren? Unmöglich!

Anneliese Becker mit dem Kassenmodell Drive Migo 2G, Qualitätsurteil: Ausreichend, Preis: 75 Euro, Gewicht: 9,1 kg, Ankipphilfe: nein, Handhabung: ausreichend, Sicherheit: ausreichend. © Stiftung Warentest / Hendrik Rauch
„Am schlimmsten ist das Hoppelpflaster“, sagt Anneliese Becker und meint damit, dass Standardrollatoren kaum über Kopfsteinpflaster kommen. Das bestätigt unser Test. Auch Park- oder Kieswege bringen sie an ihre Grenzen. Vor Bordsteinen ist oft Schluss. Viele Anbieter geben in den Gebrauchsanleitungen an, ihre Rollatoren seien nur für ebenen Untergrund geeignet. In der Anleitung des Rotego steht gar, man möge den Rollator doch über Hindernisse tragen – falls sie sich nicht umfahren lassen. Für die Tester aus dem Seniorentreff war das unmöglich. Immerhin wiegen die Stahlkonstruktionen neun bis zehn Kilo.
„Diese Kassenschocker kann man wirklich in die Mülle schmeißen“, schimpft Anneliese Becker. Die Rentnerin nennt die Standardrollatoren nur „Kassenschocker“. Der Grund: Sie gehören zur Regelversorgung der gesetzlichen Krankenkassen. Stellt ein Arzt ein Rezept für einen Rollator aus, haben Versicherte Anspruch auf ein Modell, das die Kasse vollständig bezahlt. Häufig ist das ein Standardrollator. In unserem Test kosten diese 60 bis 99 Euro. Übernimmt die Kasse die Kosten, bekommen Patienten den Rollator übrigens oft nur geliehen – inklusive Wartung (Rollator auf Rezept).
Satter Aufpreis für Leichtgewichtrollatoren

Jürgen Brauer mit dem Topro Troja 2G Premium, Qualitätsurteil: Gut, Preis: 410 Euro, Gewicht: 7,7 kg, Ankipphilfe: ja, Handhabung: gut, Sicherheit: befriedigend. © Stiftung Warentest / Hendrik Rauch
Für einen Leichtgewichtrollator müssen gesetzlich Versicherte oft den größten Teil der Kosten selbst bezahlen. „Es ist ein Unding, dass man für einen gescheiten Rollator Hunderte Euro selbst zahlen muss“, ärgert sich Jürgen Brauer, 80 Jahre alt, Rentner. Die Modelle in unserer Auswahl kosten zwischen 209 und 535 Euro. Wir fragten die größten gesetzlichen Krankenkassen: Unter welchen Bedingungen bekommen Patienten einen Leichtgewichtrollator? Allein die Knappschaft-Versicherung gönnt ihren Kunden nach eigenen Angaben „vorrangig“ Leichtgewichtrollatoren. Für die anderen Kassen gilt: Nur wenn der Arzt auf dem Rezept eine medizinische Indikation vermerkt, zum Beispiel Kraftlosigkeit in den Armen, besteht eine Chance auf ein Leichtgewicht.
Unterschiedliche Kassenzuschüsse
„Dass die Kasse einen Leichtgewichtrollator voll bezahlt, ist eher die Ausnahme“, sagt Christine Gaszczyk vom Sozialverband VdK Deutschland. „In der Regel beteiligt sie sich nur mit einem bestimmten Betrag, der je nach Krankenkasse unterschiedlich hoch ausfallen kann.“ Konkrete Summen für diese „Versorgungspauschale“ nannten uns die Kassen nicht. Auch hier mit Ausnahme der Knappschaft: Sie zahlt 62,50 Euro netto. Die anderen verwiesen teils darauf, dass dies eine „wettbewerbsrelevante Information“ sei. Helmut Martus, der beim Bundesinnungsverband für Orthopädietechnik die Vertragsabteilung leitet, spricht offener: „In der Regel liegt die Versorgungspauschale bei etwa 40 bis 65 Euro.“ Es kann etwas mehr sein. Oder etwas weniger. Ein intransparentes System, das kaum durchschaubar ist.
Die Leichtgewichtrollatoren in unserem Test sind aus Aluminium oder Karbon gefertigt und wiegen im Schnitt etwa zwei Kilo weniger als die Standardmodelle aus Stahl. Neben dem Gewicht ist der größte Unterschied der Klappmechanismus. Standardrollatoren werden über die Querachse zusammengefaltet – daher Querfalter genannt. Der Mechanismus ist so kompliziert, dass er bei Taxifahrern verpönt ist. Die müssen Rollatoren oft in ihre Kofferräume laden. Wir beurteilen die Faltfunktion als technisch veraltet – Klemmfallen inklusive. Es gibt bessere Alternativen.
Längs statt quer gefaltet
Die Leichtgewichtrollatoren im Test sind allesamt sogenannte Längsfalter. Die sind zum einen viel einfacher zu bedienen: Senioren müssen oft nur an einer Schlaufe am Sitz ziehen – schon klappen die Rollatoren zusammen. Meist ist das nur ein Handgriff. Unwahrscheinlich, sich dabei zu klemmen. Zum anderen sind Längsfalter viel platzsparender einzuklappen als Querfalter. Und sie können zusammengeklappt selbstständig stehen (siehe Fotos Startseite).
Auch in den anderen Handhabungstests überzeugen die Leichtgewichte, etwa beim Fahren über Stock und Stein. Das liegt unter anderem an einem kleinen Pedal neben ihren Hinterrädern. Es dient als Ankipphilfe, wenn Bordsteine oder Stufen überwunden werden müssen. Ein kleiner, aber sehr nützlicher Hebel, der allen geprüften Standardmodellen fehlt.
Dass schließlich nur der Vital-Carbon- Rollator von Russka und der Troja 2G Premium von Topro mit guter Gesamtnote durchs Ziel rollen, liegt an Schwächen der anderen Leichtgewichte bei der Sicherheit, der Haltbarkeit oder in der Schadstoffprüfung: Der Drive Nitro Carbon kippt zu leicht zur Seite. Beim Sunrise Medical Gemino 30 funktioniert die Feststellbremse im Normtest unzuverlässig. Und im Dauertest nahm das Lenklager des Rehaforum Medical Actimo Schaden, beim B + B Alevo Alu lockerten sich Teile des Rahmens.
Schadstoffe in den Sitzflächen
In den Sitzen von fünf Leichtgewichtrollatoren fanden wir zudem gesundheitsschädliche Phthalat-Weichmacher. Einzelne Phthalate dürfen ab einer bestimmten Menge ab Mitte 2020 nicht mehr in Produkten enthalten sein. Wir bewerten dies in der Schadstoffprüfung mit Ausreichend. Wer ein belastetes Modell zu Hause hat, sollte längeren, direkten Hautkontakt mit den Sitzen vermeiden, etwa nach dem Baden ein Handtuch unterlegen.
Wunderbare Erfindung
Am Kaffeetisch diskutieren die Seniorinnen mittlerweile über das Image von Rollatoren. Viele ältere Menschen scheuen sie, bedeutet ein Rollator doch: Von nun an werden sie als gebrechlich wahrgenommen. Anneliese Becker kennt das von Freundinnen. „Aber ich find‘ die Erfindung wunderbar“, sagt sie und fügt hinzu: „Das rate ich jedem.“ Immerhin hat die Frau 85 Jahre Lebenserfahrung.
Tipp: Kassen im Test. Die beste gesetzliche Krankenversicherung finden Sie in unserem Krankenkassenvergleich.
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Der aktuelle Link müsste dieser sein:
https://hilfsmittel.gkv-spitzenverband.de/home/verzeichnis/44db2879-6174-45b7-bf07-e9a0af1039e1
@Hasi1012 das ist genau die richtige Denkweise! Wenn man "verrückt" genug ist, macht man aus den Softgummireifen noch Softgummi-Ketten, und landet damit im Fernsehen:
https://www.br.de/mediathek/video/ketten-rollator-rentner-und-sohn-mit-neuer-erfindung-av:5fd34b2a2d799f0013b08452
Leider ist in dem Test nichts zur Bereifung gesagt worden.
Das ist ein wesentliches Kriterium für die Strassennutzbarkeit der Rollatoren.
Die Vollgummireifen scheppern auf dem Kopfsteinpflaster zum Teil recht mächtig und lärmen.
Die Luftreifen sind hier erheblich komfortabler, jedoch benötigen sie gute Pflege und ggf. Wartungsarbeiten.
Und die Softgummireifen, die alle positiven Eigenschaften beider Reifenarten in sich vereinigen sollen, habe ich noch nie im Verkauf gesehen.
die von den GKV den Patienten angebotenen Hilsmittel - durch Berater der Vertragsfirmen - sind in der Regel "Billigprodukte" die nach meiner Erfahrung keinem "objektiven" Test überstehen würden !! durch Ausschreibung werden am Markt für die Hilfsmittel Anbieter gesucht und der "Billiganbieter" bekommt den Zuschlag !! über "Qualitätsprüfer" keine Auskunft !! Bin nach Sportunfall seit 1996 an Rollstuhl /Rollator gebunden und zichfach von wenig kompetenten "Beratern/innen" besucht worden , die mir dann Hilsmittel angeliefert haben!! die von den Kliniken "verordneten Produkte" konnten sie nicht liefern und lagern seit über 25 Jahren unbenutrz im Haus !! --- KHM--- (Betriebs-Volkswirt -i.R.)
@Fennek62: Bei dem angefragten Rollator lassen sich sicher die Schraubverbindungen nachziehen, so dass man das Lockern ausgleichen bzw. rückgängig machen kann. Evtl. ist es auch notwendig, nach einem gewissen Nutzungszeitraum, Abstandsscheiben in der Mechanik zu erneuern. Bitte beachten Sie bei selbstsichernden Muttern, dass diese nur für Einmalverwendung vorgesehen sind, um Gefahren auszuschließen. Durch unseren Belastungs-Test wurde das Gestell übermäßig beansprucht, was einen längeren Gebrauch simulieren sollte. Ob Bohrungen oder Lagerbuchsen ausgeschlagen wurden, haben wir nicht im Detail untersucht, sondern es wurde eine Sichtprüfung, Funktionsprüfung und Handhabungsprüfung durchgeführt. (RE/spl)