Die Vorschriften auf dem Kapitalmarkt sind schärfer als früher. Einige neue Angebote wirken auf den ersten Blick sicher. Das sind sie aber nicht.
Als der Windkraftspezialist Prokon im Januar Insolvenz anmeldete, waren nicht nur seine 75 000 Anleger alarmiert. Auch Unbeteiligte waren irritiert. Die Gesellschaft aus Itzehoe war weit bekannt. Sie warb in Postwurfsendungen, Fernsehspots und auf Aufklebern in S-Bahnen für ihre Genussrechte und sammelte unglaubliche 1,4 Milliarden Euro ein.
Das Geld sei „deutlich sicherer angelegt als auf Bankkonten und Sparbüchern oder in Versicherungspolicen“, behauptete Prokon. In Wirklichkeit sind Genussrechte besonders riskant. Im Insolvenzfall sind die Anleger nachrangige Gläubiger. Das heißt, sie bekommen erst Geld zurück, wenn alle vorrangigen Gläubiger bedient sind. Wer Prokon-Genussrechte besitzt, muss deshalb mit Verlusten rechnen.

Lückenhafte Regulierung
Der Riesenproblemfall hat die Politiker aufgerüttelt. Sie denken nach, wie sie Lücken in den Vorschriften stopfen können. Denn im Juli 2013 ist zwar das neue Kapitalanlagegesetzbuch in Kraft getreten, das viele Bereiche des Kapitalmarkts strenger reguliert. Es lässt aber Ausnahmen. Angebote von Unternehmen wie Prokon, die nicht zur Finanzbranche zählen, fallen nach wie vor nicht darunter.
„Risiken müssen offengelegt werden“, fordert Justiz- und Verbraucherschutzminister Heiko Maas. In offiziellen Verkaufsprospekten ist das schon seit Jahren Pflicht. Dieser Pflicht ist selbst Prokon nachgekommen, im 172 Seiten dicken Prospekt. In der Werbung aber fehlen Risikohinweise meistens.
Viele aktuelle Anlageangebote wirken daher auf den ersten Blick sicher und locken mit hohen Renditechancen. Sie bürden Anlegern aber ebenfalls hohe Risiken auf. Neben Genussrechten zählen dazu viele unregulierte Darlehen oder ungewöhnliche Renten- und Kapitallebensversicherungspolicen aus dem Ausland. Selbst Angebote, die unter die neue, strengere Regulierung fallen, können dazu gehören.
Das Kapitalanlagegesetzbuch soll Investoren eigentlich besser schützen. Wird ein Anlagemodell nach den neuen Regeln aufgelegt, müssen seine Manager nun nachweisen, dass sie qualifiziert sind und Risiken im Blick haben. Die Angebote können aber trotzdem für Anleger ungünstig sein.
In der Anlageberatung hat der Gesetzgeber den Kundenschutz ebenfalls verschärft. Bankberater und freie Finanzvermittler müssen zum Beispiel genau dokumentieren, wem sie was aus welchem Grund empfohlen haben. Im Direktvertrieb ist das anders. Vertreiben Unternehmen ihre Geldanlageangebote direkt an Kunden, so wie Prokon, gelten diese Pflichten nicht.
Aber selbst wenn die Aufsichtsbehörde ein Finanzprodukt zulässt, heißt das nicht, dass Anleger ohne Bedenken zugreifen können. Einer der Gründe: Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) prüft nur formale Aspekte, etwa ob der Prospekt alle vorgeschriebenen Angaben enthält, ob er verständlich und widerspruchsfrei ist. Ob Angebot oder Anbieter seriös und finanziell solide sind, beurteilt sie nicht.
Alle formalen Hürden nach dem Kapitalanlagegesetz hat zum Beispiel der Publity Performance Fonds Nr. 7 genommen. Der geschlossene Immobilienfonds stellt 8 Prozent Rendite pro Jahr in Aussicht. Dafür müssten die Objekte sehr hohe Erträge abwerfen. Noch ist nicht einmal klar, in welche Immobilien der Fonds investiert.
Dürftige Informationen
Nach wie vor gibt es aber auch Angebote, die keiner Aufsicht unterliegen, zum Beispiel Nachrangdarlehen. Anleger leihen einem Unternehmen dabei Geld. In der Regel sind die Zinsen weit höher als bei Staatsanleihen und Sparanlagen. Es gibt keine Vorschriften, wie die Unternehmen die Gläubiger informieren müssen. Interessenten müssen sich selbst um Material kümmern, um einschätzen zu können, ob ihr Schuldner das Geld wohl zurückzahlen kann.
Dabei sind diese Darlehen besonders riskant. Anleger haben im Insolvenzfall eine ungünstige Stellung. In der Praxis gehen sie als nachrangige Gläubiger meist leer aus. „Juristisch betrachtet ist unser Produkt dem von Prokon ähnlich“, erläutert auch Andreas Schmidt, Vorstand der AK Anlage & Kapital Deutschland AG, die ein Nachrangdarlehen anbietet. Der große Unterschied sei nur, „dass wir seit 20 Jahren wissen, was wir tun, und damit Erfolg haben“. Das Geschäftsmodell basiere „auf Erfolg und Erfahrung, nicht auf Ideen und Prognosen“. AK ist damit aber erst seit Herbst 2013 aktiv und hat noch keine Zahlen vorgelegt. Wie erfolgreich AK ist, lässt sich nicht einschätzen.
Perfide: Nicht immer ist einfach zu erkennen, ob eine Geldanlage nachrangig ist. Stutzig werden sollten Interessierte, wenn in Unterlagen zum Beispiel von „qualifiziertem Rangrücktritt“ oder „Nachrangigkeit“ die Rede ist.
Abenteuerliche Policen
Andere Haken haben Lebens- und Rentenversicherungspolicen, deren Wertentwicklung auf Investitionsobjekten wie Immobilien, Gold, Solarparks oder Rohstoffen basiert. Das klingt solide und werthaltig. Garantien gibt es aber nicht, selbst ein Totalverlust ist möglich. Die Versicherungsgesellschaften sitzen im Ausland. In Deutschland ist ein solches Konzept für Versicherungspolicen nicht erlaubt.
Drei Faustregeln
„Es gibt einen Zusammenhang zwischen versprochener Rendite und Risiko“, sagt Elke König, Präsidentin der Bafin. „Man sollte nur in Produkte investieren, die man versteht, und eine gesunde Skepsis an den Tag legen“, rät sie und ergänzt: „In Anlageentscheidungen sollte man mindestens so viel Zeit investieren wie in die Anschaffung eines Smartphones.“
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