
Die neuen Einheitstarife für Männer und Frauen lassen die Preise steigen. Das zeigt der Vergleich mit dem Vorjahr in unserem Test.
Eigentlich sollte alles gerechter werden, aber nun wird es vor allem teurer. 31 Prozent Preisaufschlag für Frauen, die jetzt neu eine Risikolebensversicherung abschließen – da werden viele tief Luft holen.
Ab jetzt zahlen die Frauen für die Männer mit. Bisher waren ihre Beiträge rund ein Drittel geringer als die der Männer. Schließlich haben Frauen eine höhere Lebenserwartung – und nur im Todesfall gibt es aus einer Risikolebensversicherung Geld. Die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen in der Vertragslaufzeit sterben und der Versicherer zahlen muss, ist geringer als bei Männern.
Nun ist es vorbei mit dem Preisunterschied zwischen Frauen und Männern. Stattdessen müssen Versicherer von beiden den gleichen Beitrag nehmen. Deshalb haben sie die neuen Unisex-Tarife eingeführt.
Nur wenige Tarife unter 100 Euro
Das Ergebnis: Es wird für Frauen bei den Nichtrauchertarifen mit durchschnittlich 23 Prozent viel teurer. Männer zahlen aber kaum weniger als zuvor, im Durchschnitt gerade einmal 12 Prozent.
Noch schlimmer ist es bei Raucherinnen: Hier liegt der durchschnittliche Aufschlag noch höher, der Abschlag für Raucher ist noch geringer als der für Nichtraucher.
Immerhin bekommen unsere 34-jährigen Modellkunden als Nichtraucher eine Versicherungssumme von 150 000 Euro im günstigsten Fall noch für unter 100 Euro im Jahr. Wenn sie rauchen, zahlen sie mindestens über 200 Euro.
Eine Risikolebensversicherung sollten Menschen abschließen, die Angehörige absichern müssen. So kann sich zum Beispiel eine junge Familie für den Fall absichern, dass der Hauptverdiener stirbt. Die Preise betragen nur einen Bruchteil dessen, was eine Kapitallebensversicherung kostet. Das liegt daran, dass es aus der Risikolebensversicherung nur Geld gibt, wenn der Versicherte stirbt. Die Kapitalleben zahlt auch etwas aus, wenn der Kunde das Vertragsende erlebt. Aber der Anteil des Beitrags für den Risikoschutz ist auch hier verloren.
Der Preis entscheidet
In unserer Tabelle lassen wir die neuen Unisex-Tarife gegen die Bisex-Policen aus unserer Untersuchung vom Sommer 2012 antreten. Die meisten Anbieter, die damals günstig waren, sind auch jetzt noch in der Spitzengruppe, darunter sind viele Direktversicherer. Sie betreiben keine Filialen, sondern wickeln den Kontakt zum Kunden meist über Internet oder Telefon ab.
An der Spitze gab es aber Verschiebungen. Für Nichtraucher liegen jetzt CosmosDirekt, Huk24 und Europa vorn. Dort können Frauen sich fast noch so günstig versichern wie im Sommer 2012. Damals lag die Hannoversche vorn. Männer finden jetzt für unseren Modellfall vier Tarife unter 100 Euro, im Sommer waren es nur zwei.
Das Angebot der Ergo Direkt für Nichtrauchertarife haben wir nicht in der Tabelle aufgeführt. Unsere Kontrollen ergaben, dass der sehr günstige Beitrag für unseren Modellfall das Tarifniveau des Anbieters nicht plausibel widerspiegelte.
Mehrere Angebote einholen
Der Beitrag für eine Risikolebensversicherung hängt von vielem ab: Eintrittsalter, Gesundheitszustand, Beruf, Bildungsstand. Gefährliche Hobbys, Übergewicht, gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Vorerkrankungen können zu Zuschlägen führen. Die in der Tabelle genannten Beiträge gelten nur für unsere Modellkunden. Wer sich für eine Police interessiert, sollte daher bei mehreren in der Tabelle vorn platzierten Gesellschaften Angebote einholen.
Entscheidend ist der Preis, denn die Leistungen sind bei den meisten Angeboten weitgehend gleich. Teure Tarife bieten zwar Extras, die empfehlen wir aber nicht wirklich. Was soll etwa ein Kinderbonus mit höherer Auszahlung, falls der Versicherte in den ersten sechs Monaten nach der Geburt eines Kindes stirbt? Da ist es besser, gleich eine höhere Summe abzuschließen.
Große Unterschiede beim Preis
So gering die Unterschiede bei den Leistungen, so groß sind sie bei den Preisen. Kaum zu glauben: Die Öffentliche Oldenburg verlangt mehr als dreimal so viel, wie der günstigste Nichtrauchertarif kostet. Die Oldenburger unterscheiden nicht zwischen Rauchern und Nichtrauchern – eine Risikodifferenzierung, die andere Anbieter sich nicht entgehen lassen. So zahlen Nichtraucher zum Beispiel bei Huk24 94 Euro. Der gleiche Schutz kostet Raucher 248 Euro.
Fast scheint es, als wollten die Versicherer keine Raucher und Raucherinnen. Für sie reichen die Preise von 207 Euro bis 607 Euro. Mindestens doppelt so viel wie vorher zahlen Raucherinnen nun bei Debeka, Öffentliche Braunschweig und Stuttgarter.
Die großen Unterschiede legen nahe, dass es einigen Gesellschaften um mehr geht als die reine Umstellung auf Unisex-Tarife. Anders lässt sich kaum erklären, dass es für Frauen so viel teurer wird, für Männer aber nur wenig billiger. Einige Versicherer erhöhen die Beiträge sogar für beide: bei den Nichtrauchern Huk24, Öffentliche Oldenburg und SDK, in den Rauchertarifen Debeka, Öffentliche Braunschweig, Öffentliche Oldenburg und Stuttgarter.
„Es scheint, als hätten viele Versicherer die Entwicklung zu versteckten Erhöhungen genutzt“, meint Anke Puzicha vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv). Sie hätten einen lukrativen Grund: Wenn die Versicherer die Preise hoch ansetzen und am Ende weniger Kunden sterben als kalkuliert, entstehen „Risikogewinne“. Nur drei Viertel davon müssen die Anbieter an ihre Kunden zurückzahlen, ein Viertel dürfen sie behalten. Der vzbv fordert, Kunden stärker an den Gewinnen zu beteiligen.
Dass es auch ohne höhere Preise geht, zeigen Credit Life, Debeka, Dialog, Europa, Huk-Coburg, Öffentliche Braunschweig und Zurich Deutscher Herold: Sie senken die Beiträge für Nichtraucher stärker, als sie sie für Nichtraucherinnen anheben.
Versteckte Preiserhöhung
Die Versicherungsbranche argumentiert, man habe die neuen Tarife vorsichtig kalkulieren müssen. Schließlich wisse man nicht, wie viele Männer und Frauen die neuen Unisex-Verträge abschließen werden.
Da ist etwas dran. Tatsächlich mussten die Mathematiker für hunderte Tarife Kosten und Risiken neu kalkulieren und zahlreiche Unwägbarkeiten berücksichtigen. Es kann sein, dass nun mehr Männer eine Versicherung abschließen und dabei höhere Versicherungssummen wählen. Das würde die „schlechten Risiken“ im Bestand erhöhen. Außerdem verkaufen viele Versicherer weniger Verträge an Frauen als an Männer – was einen Teil der starken Erhöhungen für Frauen mathematisch notwendig machen würde. Doch wie groß ist dieses Ungleichgewicht tatsächlich? Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft schweigt, ebenso Allianz und Hannoversche: Betriebsgeheimnis.
Die VPV legt die Karten auf den Tisch: Sie hat 43 Prozent Frauen mit im Schnitt 46 061 Euro Versicherungssumme und 57 Prozent Männer mit 48 751 Euro. Diese Art „kleiner Unterschied“ zwischen Mann und Frau reicht kaum, um bei Rauchern 46 Prozent Aufschlag für Frauentarife bei nur 8 Prozent Ermäßigung für Männer zu erklären.