
Den Rotstift bei der Riester-Rente ansetzen? Das Kölner Landgericht sagt: Nein. © Adobe Stock / pit24
Ein Kunde der Zurich hat erfolgreich gegen die Kürzung seiner künftigen Riester-Rente geklagt. Andere Kunden müssen selbst klagen – oder die BGH-Entscheidung abwarten.
Versicherungskunden müssen sich auf den Rentenfaktor in ihrem Riester-Vertrag verlassen können, hat das Landgericht Köln klargestellt – und einem Kunden des Versicherers Zurich Recht gegeben, der gegen die deutliche Kürzung seiner künftigen Riester-Rente geklagt hatte (Az. 26 O 12/22). Die Klausel in den Vertragsbedingungen, die eine Absenkung des Rentenfaktors bei der fondsgebundenen Riester-Rente ermöglicht, ist nach Ansicht des Gerichts unwirksam.
Der Kunde hatte 2006 bei der Zurich eine Riester-Fondspolice abgeschlossen – mit dem Rentenfaktor 37,34. Das heißt: Je 10 000 Euro Gespartes gibt es eine Monatsrente von 37,34 Euro. 2017 reduzierte die Zurich den Rentenfaktor auf 27,97 Euro und begründete das mit der anhaltenden Niedrigzinsphase.
Gericht: Rentenfaktor ist wesentlicher Vertragsinhalt
Diesen Einschnitt wollte der Kläger nicht hinnehmen, zumal unklar ist, ob die Zurich bis zum Ende der Ansparphase im Jahr 2039 nicht noch weitere Kürzungen vornimmt. Das Kölner Gericht bewertet den ursprünglich im Vertrag stehenden Rentenfaktor als „einen wesentlichen Vertragsinhalt“. Das Versicherungsvertragsgesetz sehe nicht vor, dass der Versicherer den Faktor absenken kann, nur weil er „geringere Kapitalerträge erwirtschaftet, als er bei der Festlegung des Rechnungszinses kalkuliert hat“. Die Zurich hatte zunächst Berufung eingelegt, zog sie nun jedoch zurück. Das Urteil zugunsten des Kunden ist also rechtskräftig.
Verbraucherzentrale klagt gegen die Allianz
Laut dem Verein Finanzwende, der das Urteil publik machte, verwenden auch andere Versicherer die vom Gericht kassierte Klausel. So hat Branchenführer Allianz den Rentenfaktor bei fondsgebundenen Rentenversicherungen ebenfalls gesenkt (Weniger Rente von der Allianz). Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hat deshalb Klage gegen die Allianz Lebensversicherung erhoben. Sie wendet sich dagegen, dass in den Vertragsbedingungen der Allianz nur Regelungen für eine Kürzung, nicht jedoch für eine Erhöhung der Rente stehen. „Wer sich ein Recht auf Herabsetzung einräumen will, muss auch Regelungen treffen, wie er sich zur Heraufsetzung der Rente verpflichtet“, sagt der Abteilungsleiter Altersvorsorge der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, Niels Nauhauser. Das Landgericht Stuttgart entschied jedoch anders als das Kölner Landgericht und wies die Klage ab (Az: 53 O 214/22). Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg geht gegen dieses Urteil nun in Berufung.
Zurich zieht Berufung zurück
Der Erfolg der Allianz in erster Instanz in Stuttgart hat die Zurich bewogen, ihre Berufung gegen das Kölner Urteil zurückzuziehen. In dem Verfahren gegen die Allianz gehe es um die „Zulässigkeit der Verwendung der Klausel zur Kürzung des Rentenfaktors in allen betroffenen Versicherungsverträgen. Wir halten dieses Verfahren für geeigneter für eine Grundsatzentscheidung, die Bedeutung über den Einzelfall hinaus erlangen kann“, so der Sprecher der Zurich auf test.de-Anfrage. „Klärung wird erst ein höchstrichterliches Urteil des Bundesgerichtshofs bringen.“
Anwalt: Zurich wollte keinen „Präzedenzfall“ schaffen
Der Anwalt des Zurich-Kunden, Knut Pilz,bedauerte dagegen, dass die Zurich die Berufung zurückgezogen hat. „Hintergrund der Rücknahme der Berufung ist, dass die Zurich erkannt hat, dass sie nur geringe Erfolgsaussichten im Berufungsverfahren haben wird“, so der Berliner Anwalt auf test.de-Anfrage. „Zudem wollte sie sicherlich eine Entscheidung eines Oberlandesgerichts in der Sache verhindern, um keinen Präzedenzfall zu schaffen.“ Dies sei „schade“ für den Stuttgarter Kläger, bedauert Pilz, „zumal in der Entscheidung des Landgerichts Stuttgart sich nicht alle in Köln vorgebrachten Argumente wiederfinden“.
Zurich wendet Urteil nicht auf andere Kunden an
Mit Verweis auf das Verfahren der Verbraucherzentrale gegen die Allianz wendet die Zurich das rechtskräftige Urteil des Landgerichts Köln nun nicht auf ihre anderen betroffenen Kunden an. Der Versicherer schreibt an Kundinnen und Kunden, die ebenfalls eine Rücknahme ihrer Rentenkürzung fordern: „Urteile in Einzelfällen wirken nur für den Vertrag des klagenden Kunden ... Klärung wird erst ein höchstrichterliches Urteil des Bundesgerichtshofs bringen.“ Zurich-Kunden mit Rechtsschutzversicherung, die vorher Klarheit haben wollen, können individuell klagen – allerdings ohne Erfolgsgarantie.
Nach Auffassung von Rechtsanwalt Pilz „ist den Versicherungsnehmern dringend zu raten, gegen ihren Versicherer vorzugehen, da andernfalls zum Beispiel Rentenzahlungen verjähren können.“ Pilz hält die auch bei der Allianz vorgesehene „einseitige Absenkungsmöglichkeit insgesamt für unwirksam, da sie gegen Regelungen des Versicherungsvertragsgesetzes (§ 163 VVG) verstößt“.
Tipp: Senkt Ihr Riester-Anbieter den Rentenfaktor, beanstanden Sie dies unter Verweis auf das Kölner Urteil. Lehnt Ihr Versicherer eine Korrektur ab, können Sie eine Klage erwägen – erst recht, wenn Sie eine Rechtsschutzversicherung haben. Wie Sie eine bestehende Fondspolice aufpeppen, indem Sie schlechte gegen gute Fonds tauschen und so die Rendite steigern, zeigt unser Vergleich Riester-Fondspolice optimieren.
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@Tk321: Von dem nun rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Köln profitiert zunächst einmal nur der Kläger, der diesen Erfolg gegen die Zurich erreicht hat. Kunden anderer Versicherer müssen selbst klagen (siehe „Tipp“ in der Meldung).
Wie sieht es aus, bei Kunden einer privaten Rentenversicherung? Bei der AXA gab es seit 2006 immer wieder Kürzungen des Rentenfaktors, von denen ich erst kürzlich erfahren habe, da der Vertrag zuvor von meinen Eltern für mich abgeschlossen wurde. Würde das Gesetz für andere Formen auch gelten oder müsste hier neu geklagt werden?
@SVZBY: Wir haben die Meldung aktualisiert. Das Urteil ist rechtskräftig, weil die Zurich die Berufung zurückgezogen hat. Davon profitierte allerdings zunächst nur der Kläger in Köln. Andere Kunden müssen selbst klagen – oder auf die BGH-Entscheidung warten, wie immer diese ausgehen mag.
Wurde die Entscheidung des Landgerichts Köln zwischenzeitlich rechtskräftig?