Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung fordert eine Reform der Riester-Rente. Kunden von Rentenversicherern müssen lange leben, damit sich ihre Altersvorsorge rentiert. Darauf weist Finanztest schon immer hin – und auch auf andere Kritikpunkte wie etwa die oft schwer verständlichen Jahresmitteilungen für Riester-Sparer.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat eine „grundlegende Reform“ der Riester-Rente gefordert. Die DIW-Expertin für Verbraucherpolitik, Kornelia Hagen, kritisierte, dass die Versicherer ihre Tarife mit unterschiedlichen und zu langen Lebenserwartungen kalkulieren. Der Staat müsse deshalb bei der geförderten Altersvorsorge „allgemein verbindliche Kalkulationsgrundlagen“ vorgeben. Eine 35-jährige Frau, so Hagen weiter, die heute einen Riester-Vertrag abschließt, müsse mindestens 77 Jahre alt werden, um wenigstens ihre eingezahlten Beiträge plus staatlicher Zulage wieder herauszubekommen. „Möchte diese Frau auch einen Inflationsausgleich und höhere Zinsen erwirtschaften, müsste sie sogar ihren 109. Geburtstag erleben“, so Hagen.
Blick auf konkrete Tarife
Allerdings ist diese Rechnung ohne Blick auf konkrete Tarife gemacht. Die Stiftung Warentest schaut sich die einzelnen Tarife genau an, und vergleicht sie. In der jüngsten Finanztest-Untersuchung der Riester-Rentenversicherungen betrug die geringste, bereits bei Vertragsbeginn garantierte Rente für den Modellkunden im Test 166 Euro. Die höchste Garantierente unter allen Angeboten im Test betrug 199 Euro. In beiden Fällen hat der Kunde gleich viel Geld in seinen Vertrag eingezahlt. Diese garantierten Renten können durch Überschüsse noch steigen. Der Kunde, dem zu Vertragsbeginn nur 166 Euro garantiert wurden und der mit 67 Jahren in Rente geht, muss 82 Jahre und neun Monate alt werden, bis er seine eigenen Beiträge wieder heraus hat, sofern er nur die garantierte Rente erhält. Dann hat er also schon fast 16 Jahre Rente bezogen. Sogar 18 Jahre dauert es, bis er die Eigenbeiträge plus staatliche Zulagen wieder heraus hat. Dann ist er schon 85 Jahre alt. Und um eine Verzinsung von 2,25 Prozent, also die derzeitige Garantieverzinsung, zu erreichen, benötigt der Riester-Sparer 23 Jahre und einen Monat. Seinen 90. Geburtstag hat er dann schon gefeiert.
„Wette auf ein langes Leben“
Dagegen kommt der Sparer, der den Vertrag mit einer Rentenzusage in Höhe von 199 Euro abgeschlossen hat, schon nach 15 Jahren mit seiner Rente ins Plus. Dann hat er Eigenbeiträge und Zulagen wieder heraus. Bis zu einer Rendite von 2,25 Prozent dauert es hier nur 18 Jahre und vier Monate. Dann ist der Sparer 85 Jahre alt, also rund fünf Jahre jünger als der Sparer aus dem Beispiel oben. Eine Rentenversicherung, egal ob mit einem Riester-Vertrag oder mit einem Vertrag ohne staatliche Förderung ist auch immer ein „Wette“ auf ein langes Leben. Angespartes Kapital ist irgendwann verbraucht, wenn Sparer regelmäßig einen Betrag entnehmen. Eine Rente wird lebenslang gezahlt. Der Unterschied zwischen einem Angebot mit hoher Rentenzusage und einem mit niedrigerer ist aber enorm. Der Kunde merkt ihn oft nicht, weil er die Angebote nicht durchschaut.
Anbieter kneifen
Ein Vergleich der Angebote ist also hilfreich. Finanztest kann Riester-Produkte jedoch nur testen, wenn die Anbieter sich an den regelmäßigen Untersuchungen der Stiftung Warentest beteiligen. Machen sie dies nicht, muss Finanztest die Tarife mit hohem Aufwand „verdeckt“ erheben, das heißt die Tarifdaten anonym besorgen. In manchen Fällen können die Daten nicht überprüft werden – dann vergibt Finanztest auch kein Testurteil. Beim jüngsten Test der klassischen Riester-Rentenversicherung haben 29 Versicherer eine Teilnahme verweigert. Darunter beispielsweise Barmenia, HDI-Gerling und Nürnberger. Selbst öffentliche Versicherer wie Provinzial Rheinland oder SV Sparkassenversicherung lieferten nicht die für den Test notwendigen Daten und scheuten den Vergleich. Finanztest hält es für ein Unding, dass Unternehmen die Tarifdaten ihrer Riester-Produkte einfach unter Verschluss halten dürfen. Schließlich handelt es sich bei der Riester-Rente um eine Altersvorsorge, die mit vielen Milliarden aus Steuern subventioniert wird. Die Riester-Rente ist kein Luxus. Für viele Menschen ist sie pure Notwendigkeit, damit sie wenigstens annähernd auf die Rentenhöhe kommen, die früher die gesetzliche Rentenversicherung geboten hat und die den Lebensstandard sichern soll. Auch deshalb müssen für die Riester-Rente strengere Maßstäbe gelten als sie für andere Finanzprodukte üblich sind.
Hinweis: Die Liste aller Testverweigerer nennt alle Versicherer, die sich an der Untersuchung nicht beteiligten.
Anbieter haben Pflichten
Transparenz gehört unbedingt dazu. Das gilt auch für die Kosten. Zwar sind die Versicherungsunternehmen verpflichtet, die Kosten nicht auf einen Schlag abzurechnen, sondern sie über die ersten fünf Jahre der Vertragslaufzeit zu verteilen. Auch müssen sie die Kosten in Euro angeben. Doch wie Anbieter diese Regeln derzeit umsetzen, ist unbefriedigend. Geregelt ist die Verteilung der Kosten, nicht aber ihre Höhe. Und die Kostenangabe in Euro unterlaufen viele Versicherer, indem sie so unklare Angaben machen, dass die Kunden nicht wissen, woran sie sind.
Kunden mit Anbieterangaben überfordert
So heißt es in der Kundeninformation des Versicherungsunternehmens R+V: „Von jeder Zulage oder Sonderzahlung werden einmalig 4 Prozent Abschluss- und Vertriebskosten und einmalig 1,80 Prozent übrige Kosten einbehalten. In der Aufschubzeit sind zusätzlich übrige Kosten von 18,82 Euro je Beitrag berücksichtigt. Hinzu kommen 0,36 Prozent p. a. des Deckungskapitals nach der deutschen kaufmännischen Zinsmethode, dies sind für ein Versicherungsjahr 0,36 Euro bei 100 Euro Deckungskapital.“ Mit so einer Textaufgabe ist jeder normale Kunde überfordert. Die R + V ist kein Einzelfall. „Oft werden bei Riester-Produkten Kosten durch prozentuale Angaben pro Monat als unbedeutend dargestellt (...) Zugleich fehlen klare Vorgaben dazu, auf welchen Zeitraum sich die Werte beziehen“, heißt es in einem von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Gutachten des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim.
Forschungsinstitute stellen Mängel fest
Andere Forschungsinstitute haben ebenfalls gravierende Mängel der Angebote festgestellt: Aus einem Gutachten des Ökonomen Andreas Oehler von der Universität Bamberg geht hervor, dass nur knapp die Hälfte aller Anbieter Kosteninformationen bereithalten, die den Kunden nützen. Oehler, der im Auftrag der Verbraucherzentrale Bundesverband forschte, fand bei seinen Recherchen heraus, dass bei fast 40 Prozent der Angebote die Kosten nicht wie gesetzlich vorgeschrieben in Euro ausgewiesen sind. Ein Drittel enthält keine Angaben zu den Kosten eines Vertragswechsels, fast ein Viertel keine hinreichenden Angaben zu den Abschluss- und Verwaltungskosten.
Angabe einer Gesamtkostenquote
Auch Finanztest weiß aus den eigenen Untersuchungen und den Zuschriften der Leser, dass bei der Kostenhöhe und der Kostentransparenz von Riester-Verträgen vieles im Argen liegt. Ideal für den Kunden wäre nach Ansicht von Finanztest die Angabe einer Gesamtkostenquote, die verdeutlicht, wie viel von all seinen Einzahlungen für Kosten verbraucht wird – das versteht jeder.
Riester-Banksparpläne: Faires Angebot, schwer zu bekommen
Ein kostengünstiges Produkt sind Riester-Banksparpläne. Leider wissen das zu wenige und leider gibt es auch nicht überall ein Angebot: In der Filiale um die Ecke können Kunden einen Vertrag sehr oft gar nicht abschließen. Denn sie finden in ihrer Stadt oder im ganzen Bundesland keine einzige Bank, die überhaupt einen Riester-Banksparplan anbietet. Das hat einen simplen Grund: An Riester-Banksparplänen können die Kreditinstitute nicht viel verdienen. Wie der Test Riester-Banksparpläne zeigt, sind die meisten Sparpläne knapp kalkuliert. Außerdem lassen sich Kosten nicht wie bei anderen Finanzprodukten elegant verstecken. Für den Sparer ist das aber günstig. Doch viele Banken sehen keinen Grund, diese Sparpläne anzubieten. Sie verkaufen lieber verbundeigene Rentenversicherungen. An der Vermittlung solcher Riester-Verträge verdienen sie mehr.
Fondsgebundene Rentenpolice statt Riester-Fondssparplan
Diese Erfahrungen machen oft auch Kunden, die einen Riester-Fondssparplan abschließen möchten. In der Bank bekommen sie stattdessen häufig eine fondsgebundene Rentenversicherung angedreht. Das kritisiert Finanztest. Und zu den Banksparplänen liegt Finanztest eine Frage auf der Zunge: Warum bieten nicht wenigstens alle öffentliche Sparkassen Riester-Banksparpläne an? Denn sie haben schließlich den öffentlichen Auftrag, „Sparsinn“ und finanzielle Vorsorge der Bürger zu fördern. Außerdem sind sie dem Gemeinnutz verpflichtet.
Beratungsfehler der Anbieter?
Sparen mit einen Riester-Vertrag lohnt sich, aber nur, wenn auch die Zulagen und mögliche Steuervorteile abgeholt werden. Hunderttausende Riester-Sparer rufen die Zulagen jedoch nicht ab und verzichten damit auf eine bessere Rente im Alter. Die Zulagen fließen nicht von selbst, die Sparer müssen sie beantragen. Das Antragsformular geben sie beim Anbieter ihres Riester-Produkts ab. Sie können jedes Jahr neu einen Zulagenantrag stellen oder – besser – sich für einen Dauerzulagenantrag entscheiden. Viele Anbieter beklagen, dass ihre Kunden die Zulagenanträge nicht an sie zurücksenden. Doch reicht es, nur zu klagen? Tun die Anbieter genug, damit ihre Riester-Kunden die Zulagen erhalten? Wenn sich Kunden die wichtigen Zulagen entgehen lassen, liegt dann womöglich ein Beratungsfehler des Anbieters vor?
Datenlage lückenhaft
Die Datenlage zur Riester-Rente lässt sehr zu wünschen übrig. „Daten und Angaben rund um abgeschlossene, laufende und beitragsfrei gestellte Verträge erheben weder die Bundesregierung noch die Bafin noch die Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen“, erläutert der Sprecher des Bundesarbeitsministeriums, Christian Westhoff. „Zwar gibt es enge gesetzliche Leitplanken für die Riester-Rente – sie ist und bleibt aber im Kern eine privatwirtschaftliche Angelegenheit – mit entsprechenden Wirkungen für die verfügbare Datenbasis, die nicht so umfangreich und genau sein kann wie bei der gesetzlichen Rente.“ Doch auch hier wäre mehr Transparenz nötig. Denn bei der Riester-Rente geht es um viel. „Dafür dass es um ein Produkt geht, das von der Politik als eine tragende Säule der Altersvorsorge mit zunehmendem Gewicht eingeführt würde, muss die Datenlage als eklatant unzureichend bezeichnet werden“, meint das DIW.
Altersvorsorge muss planbar sein.
Auch die Informationen, die Anbieter von Riester-Produkten ihren Kunden einmal im Jahr zuschicken müssen, lassen viel zu wünschen übrig. Dabei ist eine verständliche und verlässliche Information wichtig, damit der Kunde seine Altersvorsorge planen und neuen Lebenssituationen anpassen kann. Viele Jahresmitteilungen strotzen vor Bürokratendeutsch, Wortungetümen und rätselhaften Satzgebilden. Zu allem Überfluss nerven manche Anbieter den Sparer auch noch mit Eigenwerbung, die in einer Wertmitteilung nichts verloren hat. Dafür fehlen oft so banale Angaben wie die Zertifizierungsnummer. Viele Anbieter halten es nicht für nötig, sie in Verbindung mit dem Produktnamen anzugeben.
Zertifikat ist kein Qualitätsstempel
Riester-Produkte müssen ein staatliches Zertifikat haben, bevor sie verkauft werden dürfen. Bis Ende Juni 2010 war dafür die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) zuständig. Seitdem ist es das Bundeszentralamt für Steuern. Das Zertifikat erhalten Produkte, die die Voraussetzungen für die staatliche Förderung erfüllen. Es sagt jedoch überhaupt nichts über die Güte oder die Rentabilität des Angebots aus. Wer einen Riester-Vertrag abschließt, muss sich vorher über die Angebote informieren und sie vergleichen. Das Zertifikat ist also kein Qualitätsstempel! Es bestätigt lediglich, dass das jeweilige Riester-Angebot die gesetzlichen Vorgaben für die staatliche Förderung erfüllt.
Wann sich Riestern lohnt
Mit einer Riesterrente kann der eingesetzte Euro sehr viel mehr bringen als mit einer ähnlich sicheren, privaten und staatlich nicht geförderten Geldanlage. Das klappt, wenn Sparer die für sie passende Produktform wählen, daraus ein gutes Angebot und wenn sie sich die Förderung voll sichern.
Tipp: Mehr dazu finden Sie im Special die Riester-Tests von Finanztest
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- Ein Ausstieg aus dem laufenden Riester-Vertrag kann die beste Option sein. Aber das müssen Sparende genau prüfen. Die Stiftung Warentest sagt, worauf es ankommt.
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- Wie geht es weiter mit der Riester-Rente? Die Pläne der neuen Bundesregierung sind noch vage. Bestandskunden sollten sich aber nicht verunsichern lassen.
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- Der Riester-Fonds UniGlobal Vorsorge ist nach fünf Jahren reif für eine Finanztest-Bewertung. Das Ergebnis ist sehr enttäuschend.
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@mosthh: Dazu haben wir gerade eine Meldung veröffentlicht - hier zu finden: http://www.test.de/Altersvorsorge-Riester-Banksparplan-trotz-Zinstief-nicht-kuendigen-4362871-4362875/
Riester-Banksparpläne werden von Finanztest wegen der niedrigen Kosten empfohlen. Die andere Seite ist, dass die Zinserträge teilweise gegen Null gehen. Ich habe mit meinem Banksparplan (Orientierung Umlaufrendite) derzeit eine Verzinsung von sage und schreibe 0,9 %.
Das dicke Ende kommt aber dann bei der Auszahlungsphase, wenn ein großer Teil des Angesparten für die lebenslange Absicherung von den Versicherern mit hohem Kostenanteil verwendet wird.
So profitieren insbesondere die Versicherer auch dann.
Ist das für Finanztest nicht erwähnenswert?
@rivsWer einen Schutz für die Existenzsicherung im Alter sucht, braucht eine Geldanlage, die auch dann zahlt, wenn er sehr alt wird. Deswegen kauft man eine Rentenversicherung. Um das Risiko, dass das eigene Vermögen nicht bis ins hohe Alter reicht, schließt man eine Versicherung ab. In der Versichertengemeinschaft tragen die früher Versterbenden die Kosten der lang Lebenden mit. Deswegen kommt die private Rentenversicherung erst relativ spät ins Plus. Hohe Kosten und andere Faktoren führen zu einer weiteren Verschiebung. Die Riester-Förderung verbessert das Ergebnis. Und dass es wichtig ist, einen günstigen Tarif zu wählen, bestätigt die Studie. Dass sich eine Rentenversicherung nicht lohnt, wenn der Versicherte relativ jung stirbt, ist weder neu, noch typisch für die Riester-Förderung. Der Fokus der Studie lag eigentlich auch woanders: Die Studie kritisiert die Verschlechterung der Rahmenbedingungen für die Riester-Förderung.
Kommentar vom Autor gelöscht.
Es besteht für viele Riester-Sparer die Gefahr, dass sie die Auszahlung des eingezahlten Kapitals und der erhaltenen staatl. Zulagen überhaupt nicht erleben werden, sondern vorher versterben. Siehe
http://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.389130.de/11-47.pdf
Eine Rentenversicherung, egal ob mit einem Riester-Vertrag oder mit einem Vertrag ohne staatliche Förderung, sogar die Einzahlung in die DRV ist auch immer ein Spekulieren auf ein langes Leben.
Die Stiftung Warentest entschuldigt sich in ihrer neuesten Meldung genauso wenig wie andere Organisationen für das doch bisher - gelinde gesagt - fragwürdige Bejubeln der Riester-Rente.