
Der Patient. Mit Spezialwerkzeug sollte das kaputte Display dieses Handys ausgewechselt werden. © Bergmann Foto
Die Reparatur eines Smartphones ist teuer. In sogenannten Repair Cafés frickeln Laien unter Anleitung selbst. Das spart Geld – aber funktioniert es auch? Zwei Mitarbeiterinnen der Stiftung Warentest haben inkognito drei solche Treffen besucht. Hier ist ihr Erfahrungsbericht.
Zaghaft zupfen sie an winzigen Steckverbindungen
Die Hände schwitzen und zittern leicht. Zwei blutige Anfängerinnen zerlegen ein Smartphone, rücken seinem Innenleben mit Pinzette und Spatel zu Leibe. Einschaltknopf, Kamera, WLan-Antenne – alles muss raus. Zaghaft zupfen die beiden Frauen an Steckverbindungen, so winzig, dass sie sich kaum greifen lassen. „Richtig ziehen, aber vorsichtig“, ermuntert sie der junge Mann, der neben ihrem Tisch steht. Er weiß, wovon er redet, denn mit Handyreparaturen verdient er sein Geld. Heute aber hilft er ehrenamtlich im Repair Café.
Hilfe zur Selbsthilfe
Bei Repair Cafés handelt es sich um angekündigte Treffen, an denen jeder teilnehmen kann. Es geht um Hilfe zur Selbsthilfe: Unter den Augen von Experten reparieren Besucher Dinge, die ihnen lieb und teuer sind, aber den Geist aufgegeben haben. Oft handelt es sich um wahre Schätze wie Opas alten Weltempfänger oder den jahrelang bewährten Handmixer. Es empfiehlt sich eine vorherige Anmeldung.
Nur für die Ersatzteile müssen die Bastler zahlen
Weil jeder eigenhändig werkelt, ist die Reparatur selbst kostenlos. Manche Experten besorgen nach Absprache mit dem Gast die erforderlichen Ersatzteile. Die sind zu bezahlen. Wichtig: Eine Erfolgsgarantie gibt es nicht. Schlägt eine Reparatur fehl, haftet das Repair Café nicht.
Smartphone reparieren ist im Trend
Neuerdings sind in Repair Cafés immer öfter Smartphone-Besitzer anzutreffen. Kein Wunder: Reparaturen in Handywerkstätten sind teuer, werden oft nachlässig ausgeführt und dauern zum Teil Wochen. Das ergab unser Test von Reparaturservices für Smartphones (test 4/2015), als wir insbesondere gesplitterte Displays erneuern ließen. Die Experten unseres Prüfinstituts waren sich damals einig: Mit einer guten Anleitung kann diese Reparatur jeder technikinteressierte Laie in anderthalb Stunden selbst bewerkstelligen.
Probe aufs Exempel
Wir wollen es genau wissen: Projektleiterin Simone Vintz, zuständig für Dienstleistungstests, und Redakteurin Sandra Schwarz beschließen, drei Repair Cafés in Berlin zu besuchen, um dort je ein Smartphone mit lädiertem Displayglas zu reparieren. Beide haben noch nie an Handys herumgebastelt. Weil sie wie normale Gäste tüfteln wollen, geben sie sich nicht als Mitarbeiterinnen der Stiftung Warentest zu erkennen. Für das Foto vereinbaren sie einen Extratermin.
Über 300 Treffs allein in Deutschland
Ein geeignetes Repair Café zu finden, ist zumindest in Großstädten nicht schwer. Auf der Internetseite Repaircafe.de präsentieren sich derzeit 317 deutsche Treffs (Reparieren statt wegwerfen). Wer ein echtes Café erwartet, dürfte sich wundern: Meist öffnen passionierte Bastler ein- oder zweimal im Monat ihre improvisierten Werkstätten. Nur selten finden die Tüftlertreffen in gemütlichem Ambiente bei einem Stück Sahnetorte statt.
Café 1:
Atelier im Hof
Beim ersten Versuch verschlägt es unser Duo in ein Kreuzberger Hinterhofatelier – Rollladen hoch, hereinspaziert. Hinter durchsichtigen Plastiklamellen stehen zwei Tische aus aufgebockten Holzplatten. Hier engagieren sich unter anderem Experten, die hauptberuflich in einer Reparaturwerkstatt für Handys beschäftigt sind. Wie vereinbart, hat unser Helfer ein neues Display für ein Samsung Galaxy S III mitgebracht. Preis: 100 Euro. Im Internet kostet es ein paar Euro mehr. Dass es ein Originalteil ist, kann er nicht versprechen. Der Markt ist von Nachbauten überschwemmt, die sich optisch kaum von Originalen unterscheiden (Checkliste).
Weniger Elektroschrott produzieren
Was bewegt Menschen wie ihn dazu, ihren eigentlichen Job auf diese Weise zu kannibalisieren? „Viele Leute werfen Geräte beim kleinsten Defekt weg. Wir unterstützen die Idee, weniger Elektroschrott zu produzieren und gebrauchsfähige Gegenstände zu erhalten“, antwortet er.
Viele kleine Puzzleteile
Zur Vorbereitung haben sich die test-Reparateure eine detaillierte Anleitung für ihr Smartphone aus dem Internet ausgedruckt (Checkliste) – in 25 Schritten zum neuen Display. Die Abbildungen darin zeigen jedes noch so kleine Einzelteil. „Müssen wir wirklich alle Teile ausbauen und dann in die neue Displayeinheit wieder einfügen?“, will Sandra Schwarz wissen. Der Helfer grinst nur und nickt. Frisch ans Werk! Mit dem Fingernagel lässt sich zunächst die Rückverkleidung des Smartphones aufhebeln und abnehmen. Darunter sitzen Akku und Sim-Karte. Die beiden Teile sind schnell entfernt.
Säuberlich seziert
Mit einem Spezialschraubendreher lockert Schwarz danach winzige Schräubchen einer Abdeckung. Das Werkzeug hat ihr der Helfer geliehen. Lautsprecher, Hauptplatine inklusive Prozessor, Frontkamera, WLan-Antenne, Einschalttaste und der Motor für den Vibrationsalarm – jedes Teil muss raus. Nicht alle lassen sich einfach entfernen. Manche kleben fest, andere hängen an verzweigten Flachbandkabeln.
Wird dieses Handy jemals wieder einen Anruf absetzen?
Mit Pinzette und Spatel lösen Vintz und Schwarz erst zaghaft, dann immer beherzter die zahlreichen Kleinteile – Organtransplantation am Handy. Was aus dem alten Displaymodul entfernt wird, muss ins neue hinein. Zwischendurch sehen sich beide skeptisch in die Augen: Wird dieses Handy jemals wieder einen Anruf absetzen?
Strahlend zieht der Mann von dannen
Am Nebentisch blickt eine ältere Dame besorgt auf eine in die Jahre gekommene Küchenmaschine. „Das sieht nicht gut aus“, brummelt ihr Helfer. Auf einmal betritt ein Mann den kleinen Raum, in der Hand ein zerrissenes Hemd. Schnell wird aus einer Ecke des Ateliers eine Nähmaschine hervorgezogen. Das Hemd ist im Nu geflickt, sein Besitzer zieht strahlend von dannen.
Nach 80 Minuten heißt es: Transplantation gelungen!
Bei den beiden Frauen sieht ab und an der Helfer nach dem Rechten. „Stopp“, ruft er zweimal eindringlich. Zur Kamera gehört eine Halterung, die sie beinahe abgerissen hätten, und auch die dünne WLan-Antenne ist mit Samthandschuhen anzufassen. Nach einer Stunde und 20 Minuten ist die Operation gelungen. Das neue, unversehrte Display sitzt samt den transplantierten Innereien auf dem alten Gehäuse. Und das Handy funktioniert.
Handy in Ordnung, Geld und Zeit gespart
Nach dem Besuch im Repair Café untersucht unser Prüfinstitut das reparierte Smartphone. Diagnose der Tester: Mit dem Handy ist alles in Ordnung. Die Experten prüfen auch die Beschaffenheit des Ersatzdisplays – mit großer Wahrscheinlichkeit handelt es sich um ein Original. Ein Kassensturz nach dem ersten Repair-Café-Besuch ergibt: Das hochwertige Ersatzteil hat uns stolze 100 Euro gekostet, zusätzlich gaben wir 10 Euro in die Kaffeekasse des Reparaturcafés. Macht insgesamt 110 Euro. In unserem großen Test von Smartphone-Reparaturservices verlangte Hersteller Samsung für die Reparatur eines Galaxy S III im Schnitt 166 Euro und brauchte dafür durchschnittlich zehn Werktage. Gespart haben wir also 56 Euro und viel Wartezeit.
Café 2:
Beistand aus Indien
Ähnlich gut läuft der Besuch des zweiten Repair Cafés. Dieses Mal ist es ein echtes Café in Berlin-Treptow – das test-Team tüftelt in heimeliger Atmosphäre bei Kuchen und Kakao. Statt eines Smartphone-Profis hilft ein junger Student aus Indien, der erst seit Kurzem in Deutschland ist und nur Englisch spricht. Nach eigenem Bekunden hat er schon oft mit Freunden an Handys gebastelt. Werkzeug und Ersatzdisplay haben sich die Frauen dieses Mal im Internet besorgt. Nach einer Stunde und fünf Minuten ist das Display montiert, das Handy funktioniert. Kosten: 139 Euro. Neben 115 Euro für das Ersatzteil berappen sie 14 Euro für Spezialwerkzeug und 10 Euro Trinkgeld. Im Vergleich zur Reparatur beim Hersteller beträgt die Ersparnis nur etwa 27 Euro.
Café 3:
Vereinslokal mit Tüftler
Der dritte Versuch steigt in einem Vereinscafé in Berlin-Friedrichshain. Hier hilft ein versierter Tüftler, der jedoch keine Erfahrung mit dem Wechseln von Handydisplays hat. Zudem steigern die beiden Frauen den Schwierigkeitsgrad und sind mit einem iPhone 4s am Start. Im Vergleich zum Samsung Galaxy S III müssen sie deutlich mehr Teile aus- und wieder einbauen, die Reparaturanleitung ist ersichtlich länger.
Tipp: Viele Anleitungen aus dem Internet weisen für gängige Handymodelle den Schwierigkeitsgrad der Reparatur aus.
Beim iPhone lief die Zeit davon
Als das Friedrichshainer Repair Café nach wenigen Stunden wieder schließt, haben Vintz und Schwarz das iPhone 4s laut Anleitung gerade einmal zur Hälfte repariert – in 2 Stunden und 15 Minuten. Eine mühsame Pusselarbeit.
Hätte das Duo mehr Zeit gehabt und das Gerät erfolgreich hergerichtet, wäre es ein Schnäppchen gewesen. Das Ersatzdisplay kostete nur 18 Euro. Weil Apple keine Originalersatzteile in den Handel gibt, sind die beiden auf einen preiswerten Nachbau ausgewichen. Zusammen mit Werkzeug und Trinkgeld fielen 42 Euro an. In unserem Test hatte Apple das kaputte iPhone 4s im Schnitt für 207 Euro gegen ein unversehrtes gebrauchtes Modell eingetauscht.
Nicht allein herumdoktern
Nicht jedes Smartphone lässt sich ohne Weiteres selbst reparieren. Je aktueller das Modell, desto schwieriger. Wer keine Erfahrung hat, sollte nicht allein im stillen Kämmerlein werkeln, sondern sich fachkundige Hilfe suchen – etwa in einem Repair Café mit Smartphone-Experten. Hier lassen sich nicht nur Displayschäden beheben, sondern auch andere Handykrankheiten wie Lautsprecherdefekte oder zerkratzte Kameras. Bedenken sollte man, dass der Hersteller später eventuell die Reparatur verweigert, da das Handy außerhalb seiner Vertragswerkstätten geöffnet wurde.
Nachhaltig und sozial
„Etwas Kaputtes selbst zu heilen, ist eine eigene Art von Erfolgserlebnis“, resümiert Sandra Schwarz. „Es tut gut, einen Beitrag für die Umwelt zu leisten und über sich hinauszuwachsen.“ Ob sich das auch finanziell auszahlt, hängt vor allem vom Preis der Ersatzteile ab. Fakt ist: Repair Cafés fördern Nachhaltigkeit und helfen Einkommensschwachen. „Da wird auch ein gerissenes Hemd genäht, das der Besitzer nicht entbehren kann. Handyreparaturen sind da Luxus“, findet Simone Vintz.
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Kommentar vom Administrator gelöscht. Grund: Schleichwerbung
Kommentar vom Administrator gelöscht. Grund: Schleichwerbung
Sie schreiben, dass man nach Möglichkeit das Display inklusive Glas wechseln solle. Das kann ich nicht bestätigen.
Zumindest für die Handys mit einem ebenen Glas ist die Trennung des Displays vom Glas kein Problem, z.B. mit einer dünnen Gitarrenseite. Mit ein wenig Glück gelingt die Reparatur für kleines Geld (ca. 15€). Wenn das Display dabei doch kaputt geht, kann man immer noch ein neues kaufen. Die erheblichen Mehrkosten dafür lohnen den ersten Versuch.
Mir ist es beim ersten Versuch gelungen, nur das Glas zu wechseln. Allerdings ist das zugegebenermaßen Fummelarbeit,die eine gehörige Portion Geduld erfordert.
Das ist eine Super-Idee. Wir werden das in Hockenheim angehen. Gibt es dazu Vorlagen für ein Geschäftsmodell, neudeutsch "Business-Plan"? Bitte gleich direkt an gunter@dubrau.de antworten.
Der Displaywechsel eines iPhones 4 dauert bei mir ca. 3 Stunden. (Laie)
YouTube Tutorials sind hier sehr hilfreich und vermutlich einfacher zu verstehen als eine gedruckte Anleitung, weil man die vorgemachten Schritte einfach nur nachmachen muss.
Allerdings muss man sehr viel Feinmotorik und Geduld mitbringen. Frauen mögen dies gut bewältigen, ob das allerdings ein gestandenes Mannsbild mit Wurschtfingern zustande bringt, wage ich zu bezweilfeln.
Ein iPhone 4 Display sollte um die 45 Euro kosten, da ist dann das Werkzeug schon dabei im Set. Nimmt man ein billiges Ersatzdisplay ist es unter Umständen schnell wieder defekt. So ist es mir mit einem Display für 23 Euro ergangen - nach einem Jahr gab es Streifen bzw. das Display ist irgendwann gar nicht mehr angesprungen.
Auch sollte man während der 3 Stunden Feinstarbeit seinen Augen eine Pause gönnen. Wir sind nicht gewohnt krümelgroße Schrauben in zwei Streichholzschachteln zu schrauben...