
Halb hoffend, halb bangend schauen Anleger auf die Zinsentwicklung. Kommt die Wende, drohen mit Anleihenfonds erst einmal Verluste.
Kein richtiger Winter, kein richtiger Sommer – und Zinsen gibts auch schon lange keine mehr. Vorbei die Zeiten, als sich das Geld auf der hohen Kante von selbst vermehrte. Bei Top-Tagesgeld haben Anleger schon lange keine 1 vor dem Komma mehr gesehen. 0,7 Prozent, das ist derzeit spitze. Für Bundeswertpapiere mit zehn Jahren Laufzeit gibt es 0,3 Prozent pro Jahr.
Nachdem die Zinsen so tief gefallen sind, können sie doch nur noch steigen, oder?
Warum Anleihen Minus machen
Für Anleger mit Rentenfonds (Glossar) würde eine mögliche Zinswende zunächst Verlust bedeuten. Sie kommen erst mit Zeitverzug in den Genuss der höheren Erträge. Klingt widersinnig, ist aber wahr. Steigen die Zinsen, fallen die Preise der alten Anleihen. Das liegt daran, dass Investoren dann lieber die neuen, besser verzinsten Papiere kaufen. Die alten, schlechter verzinsten, akzeptieren sie nur noch mit Preisabschlag. Nicht nur Anleihen, auch Fonds mit Anleihen liegen dann im Minus.
Den umgekehrten Verlauf konnten Anleger seit der Jahrtausendwende beobachten: Seit Anfang 2000 sind die durchschnittlichen Zinsen von Staatsanleihen aus Euroland von 5 auf 0,5 Prozent pro Jahr gefallen. Gleichzeitig betrug die Wertentwicklung 5,1 Prozent pro Jahr. Ein Fonds mit diesen Anleihen hätte seinen Wert in derselben Zeit also mehr als verdoppelt.
Leser mit Rentenfonds in Sorge
Zahlreiche unserer Leser haben von den sinkenden Zinsen profitiert und mit ihren Rentenfonds hohe Zuwächse erzielt. Auch die vielen Anleger, die einen Rentenfonds als Sicherheitsbaustein für ihr Pantoffel-Portfolio nach Finanztest-Muster kauften, haben damit gut verdient. Mehr dazu auf unserer Themenseite Anlagestrategie, Pantoffel-Portfolio.
Doch je länger die Niedrigzinsphase anhält, desto größer die Sorge, ob Rentenfonds sich weiterhin lohnen. Nicht nur steigende, auch stagnierende Zinsen wären ein Problem. Eine gute Wertentwicklung ist dann nicht mehr drin. Klar – bei Zinsen von 0,3 Prozent für Bundesanleihen. Auch für gemischte Staatsanleihen aus Euroland gibt es derzeit nur 0,5 Prozent pro Jahr.
Nur wenn es mit den Zinsen noch weiter nach unten ginge, wären noch Kursgewinne möglich.
Zinsszenarien im Test
Um zu zeigen, was Anleger mit Rentenfonds künftig erwarten könnte, haben wir mögliche Zinsverläufe durchgespielt.
In einem Szenario sind wir davon ausgegangen, dass die Zinsen so bleiben wie jetzt. Im zweiten Fall lassen wir die Zinsen auf niedrigem Niveau schwanken. Und im dritten Szenario haben wir eine Zinswende geprobt. Dazu haben wir die Zinsen nach einer kurzen Seitwärtsphase spiegelbildlich zur Vergangenheit ansteigen lassen (Grafik Drei Szenarien zur Zinsentwicklung).
Das Ergebnis in Kürze
Kommt die Zinswende nicht, fahren Anleger mit Euro-Staatsanleihen und Unternehmensanleihen gemischter Laufzeiten am besten. Am schlechtesten schneiden in diesem Fall Fonds mit kurzlaufenden Anleihen ab. Mit diesen verlieren Anleger kontinuierlich.
Kommt die Wende, sind Anleger mit Tagesgeld auf der sicheren Seite. Dagegen machen sie mit Rentenfonds vorübergehend Minus. In unserem Test liegen Staatsanleihen bei steigenden Zinsen länger und stärker im Minus als Unternehmensanleihen. Die größten und am längsten anhaltenden Verluste gäbe es mit zehnjährigen Bundesanleihen.
Wettgemacht werden die Verluste der Rentenfonds nach und nach durch die höheren Erträge der neuen, besser verzinsten Anleihen, die die alten Anleihen im Fonds oder im Index ersetzen.
Einen realen Vorgeschmack, was sie bei steigenden Zinsen erwarten kann, haben Anleger mit Rentenfonds bereits bekommen. Seit einem Jahr haben Rentenfonds mit Euro-Staatsanleihen 3 Prozent verloren.
Unser Rat
Mix. Es ist möglich, dass die Zinsen steigen, niedrig bleiben oder sogar weiter fallen. Um für alle Fälle gewappnet zu sein, empfehlen wir Ihnen einen Mix aus Tages- oder Festgeld sowie Rentenfonds.
Fonds. ETF, börsengehandelte Fonds, sind die bequemste Art, in Anleihen anzulegen. Wählen Sie ETF mit Euro-Anleihen. Achten Sie auf einen Mix aus Staats- und Unternehmensanleihen unterschiedlicher Laufzeiten. Bei aktiv gemanagten Fonds empfehlen wir Ihnen die mit einer Finanztest-Bewertung von fünf Punkten (Produktfinder Fonds und ETF, Rentenfonds).
Zinswende. Wenn die Zinsen steigen, rutschen Rentenfonds ins Minus. Wie stark und wie lange, hängt von der Höhe und der Dauer des Zinsanstiegs ab, von der Art der Anleihen und vom Ausgangsniveau.
Tagesgeld. Wollen Sie Kursverluste vermeiden, investieren Sie nur in Tages- und Festgeld.
Bundesanleihen. Bundesanleihen gelten als sicherer Hafen. Das birgt Chancen auf Kursanstiege in Krisen. Bei einem Zinsanstieg verlieren die Papiere aber zunächst deutlich.
Vorsicht vor Prognosen
Heißt das, die Zinswende ist schon da? Vorsicht vor voreiligen Schlüssen. Ob ein kleiner Zinsanstieg der Beginn eines Aufwärtstrends ist, weiß zu diesem Zeitpunkt keiner.
In den USA zum Beispiel verzeichneten die Renditen der zehnjährigen Staatsanleihen im Juli 2012 bei rund 1,5 Prozent pro Jahr einen vorläufigen Tiefpunkt. Bis Ende 2013 hatten sie sich verdoppelt. Um eine wirkliche Wende handelte es sich allerdings nicht: Im Januar 2015 waren die Renditen wieder fast auf das Ausgangsniveau zurückgefallen.
Prognosen sind schwierig. Bereits vor Jahren warnten Experten hierzulande vor dem Kauf von Rentenfonds. Damals gab es für zehnjährige Bundesanleihen noch mehr als 1 Prozent pro Jahr. Als die Renditen noch weiter fielen, wurden die Stimmen der Warner immer lauter. Steigende Zinsen galten als ausgemacht. Was passierte? Im Juni 2016 sanken die Renditen sogar unter null.
Begrenzter Einfluss der Notenbanken
Es hilft auch nur wenig, die Leitzinsen zu beobachten. Die amerikanische Notenbank Fed hat die Leitzinsen seit Dezember 2015 viermal erhöht. Doch die Renditen zehnjähriger US-Anleihen liegen nach wie vor bei niedrigen 2 Prozent.
Auch der Leitzins der Europäischen Zentralbank (EZB) hat nur begrenzt Einfluss – das zeigte die Eurokrise, als sich die Anleihen der Euroländer unterschiedlich entwickelten. Die Renditen der Bundesanleihen fielen, die der Krisenländer stiegen (Grafik Entwicklung Anleihenrendite seit Euro-Einführung). So kletterten die Renditen italienischer Anleihen – in Rentenfonds Staatsanleihen stark vertreten – zwischen August 2010 und November 2011 von 3,8 auf rund 7 Prozent pro Jahr.
Was sich zusätzlich auf die Renditen niederschlägt, sind die Anleihekaufprogramme der Notenbanken. Doch auch hier sind Prognosen nicht einfach.
Einfluss der Aktienmärkte
Sollte es an der Börse demnächst krachen, dann könnte sogar passieren, was kaum einer mehr für möglich hält: Die Zinsen könnten noch weiter sinken. Unter null ist noch eine Menge Platz: Zehnjährige Schweizer Anleihen sind im Sommer 2016 auf eine Rendite von minus 0,6 Prozent pro Jahr gefallen. Der Tiefststand zehnjähriger Bundesanleihen lag bei rund minus 0,2 Prozent pro Jahr.
Ein solches Szenario gab es vor rund zwei Jahren, von Juli 2015 bis Januar 2016. Als die Aktienmärkte Verluste verzeichneten, stiegen gleichzeitig die Kurse der Rentenfonds. Auch Pantoffel-Anleger profitierten seinerzeit: Das Rentenplus von 5 Prozent glich die Aktienverluste von rund 6 Prozent fast aus.
Bisher war es nicht so schlimm
Bei Aktien sind Anleger Kurseinbrüche gewöhnt. Doch mit welchen Einbußen müssen sie am Anleihemarkt rechnen, sollten eines Tages die Zinsen steigen?
Bisher lagen die schlimmsten Verluste von Euro-Staatsanleihen bei 6 Prozent. Für Bundesanleihen liegt der maximale Verlust bei 7 Prozent. Das war Anfang der achtziger Jahre, als die Zinsen innerhalb eines Jahres von 8 auf über 11 Prozent pro Jahr gestiegen waren.
So glimpflich wie damals muss es dieses Mal nicht ablaufen, jedenfalls dann nicht, wenn die Zinsen in kurzer Zeit um mehrere Prozentpunkte steigen sollten – denn in allen bisherigen Zinsanstiegphasen war der Ausgangspunkt nie so niedrig wie jetzt.
Mit einem Mix am besten gewappnet
Wie die Zinsen steigen, wenn sie es denn tun, ob sie stark steigen oder schwach, ob sie schnell anziehen oder langsam – es kann völlig anders ablaufen als in unserem Versuchsaufbau. Unsere Simulationen zeigen nur drei Möglichkeiten von vielen, wie sich die Zinsen entwickeln könnten. Aber sie machen deutlich, wie Anleger sich am besten wappnen:
Wer Verluste partout vermeiden will, dem bleibt nur, sein Geld komplett in Tages- und Festgeld zu stecken. Allen anderen empfehlen wir einen Mix: Tages- oder Festgeld plus Rentenfonds mit Staats- und Unternehmensanleihen gemischter Laufzeiten.
Mag sein, dass sich trotz der guten Mischung bei einer Zinswende ein Schnupfen einstellt, ähnlich wie beim Wechsel der Jahreszeiten. Frei nach dem Hit „Wann wirds mal wieder richtig Sommer?“ von Rudi Carrell aus dem Jahr 1975: Trotz allem glaub ich unbeirrt, dass unsere Zinsen wieder besser wern. Nur wann? Wann wirds mal wieder richtig Zinsen, Zinsen, wie sie früher einmal warn?
Rentenfonds verschiedener Gruppen, ETF und aktiv gemanagte, finden Sie im im Produktfinder Fonds und ETF.